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Gegen den Strom - Imai Yasuko und 150 Jahre japanische Frauengeschichte


Imai Yasuko während ihres Wien-Jahres Herbst 1977 Das Projekt dreht sich um die Biographie der außergewöhnlichen Japanerin Imai Yasuko, die von 1933 bis 2009 gelebt hat. Sie ist eingebettet in die japanische Frauengeschichte der letzten 140 Jahre.

Die Feministin und Literaturwissenschaftlerin Imai Yasuko wird 1933 geboren. Zu dieser Zeit heißen die japanischen Ehefrauen noch ihren Ehemann auf Knien und per Sie willkommen, wenn er von der Arbeit heimkehrt. Und die Wäsche des Gatten waschen sie getrennt von jener der übrigen Familie, um die Unterhosen des Ehemanns nicht zu verunehren. Imai Yasuko weiß schon als kleines Kind: So eine Frau will sie nie werden. Sie wird nicht heiraten und nicht ein Leben lang ihrem Mann dankbar sein, weil er sie ernährt. Sie wird berufstätig werden. Die Alternative wäre nur Selbstmord.

1945 - das Kriegsende. Die Amerikaner kommen, um Japan die Demokratie zu lehren. Und bis zu Yasuko nach Sapporo dringt sofort ein neuer, frischer, ein befreiender Wind. Jetzt erhalten die Japanerinnen die rechtliche Emanzipation, um die japanische Frauenrechtlerinnen schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gekämpft haben. Jetzt dürfen Frauen wählen und studieren.

Yasuko ist eine der ersten Frauen, die an einer staatlichen japanischen Universität ihr Studium absolvieren. Als Japan 1960 unter dem Zorn der Bevölkerung und vor allem der Studentenschaft über die Verlängerung des Sicherheitsvertrages mit Amerika bebt, ist Yasuko dabei. Sie geht nach Tôkyô, demonstriert mit, singt die aufständischen Studentenlieder. Als die Bewegung – vorerst – zusammenbricht, ist es für sie „als ob die Uhr stehen bliebe“.

Sie kehrt in die Welt der Wissenschaft zurück. Ständig nagt die Tatsache an ihr, dass Frauen in dieser Welt gegenüber den Männern grob benachteiligt werden. Endlich wird sie im 33. Lebensjahr an eine Universität berufen. Nach japanischer Tradition ist es das Jahr, bis zu dem eine Frau unter der Haube sein muss. Für Yasuko ist das Glück eine Stellung als Assistenzprofessorin. Das bleibt sie ihr Leben lang, bis knapp vor die Pension, auch an dem zweijährigen College für Mädchen in Hamamatsu, in das sie 1970 wechselt. Ihr wissenschaftlicher Held ist der jung verstorbene japanische Dichter der Meiji-Zeit (1868-1912) Ishikawa Takuboku. Mit Arbeiten über ihn erwirbt sie sich wissenschaftliche Ehren.

Dann folgt der Studienaufenthalt in Wien, das Jahr in Europa. Gerade 1976/1977, als die Frauenbewegung so richtig aufkocht. Yasuko ist fasziniert von Frauen, die ihre Fäuste ballen und Männern ihre Forderungen ins Gesicht schreien. Dabei toben um diese Zeit auch japanische Frauengruppen gegen die noch immer vorherrschende reale Unterdrückung der Frauen in ihrem Land. Aber das hat sie bisher nicht registriert.

Als Yasuko nach Japan zurückkehrt, ist sie eine andere. Bis zu ihrem Lebensende kennt sie nur mehr ein Thema, den Kampf um die tatsächliche Gleichberechtigung der Frauen in Familie und Gesellschaft. In der mitteljapanischen Industriestadt Hamamatsu, in der Yasuko junge Mädchen Literatur lehrt, trifft sie auf Gleichgesinnte.

Hier erleben wir mit, wie Frauen mit Familie aus ihrer privaten Sphäre in die Öffentlichkeit hinaustreten und eine Organisation auf die Beine stellen, die Frauen Frauengeschichte und Frauenrechte lehrt. Sie lernen und lehren Selbstbewusstsein und neue Möglichkeiten der offenen und gleichberechtigten Kommunikation. Die Gruppe nennt sich bescheiden “Diskussionsrunde für Frauen von Hamamatsu“. Aber die Spuren ihrer Aktivitäten in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren sind bis heute wirksam – im Schulbereich, im psychotherapeutischen und im wirtschaftlichen Bereich.

Imai Yasuko bietet das „akademische Rückgrat“, sie ist die „theoretische Fahnenträgerin“ für alle diese Aktivitäten. Immer, wenn ein Vorschlag aus der Gruppe kommt, krempelt sie die Ärmel hoch und ruft „Yarimashô!“, auf Deutsch „Ja, das machen wir!“

Als Lehrerin versucht sie mit Verve, das Selbstbewusstsein der ihr anvertrauten jungen Frauen zu entfachen und sie auf ihren „eigenen Lebensweg“ zu locken und zu leiten. „Wie ein Göttin“, aber auch „wie eine Mutter“ sehen die Studentinnen sie. Von „Imai-Religion“ sprechen die Kolleginnen. Obwohl Krankheit ihre zweite Lebenshälfte überschattet, ist das erste, was vielen zu ihr einfällt „wahnsinnige Kraft“.

In ihren letzten aktiven Jahren wird sie, man könnte sagen, zur „Wut“- Japanerin. Ihr Credo ist es, das direkt auszusprechen, was sie denkt – unüblich in der japanischen Gesellschaft. In ihren Schriften äußert sie noch immer tiefe Unzufriedenheit mit der Situation der Frauen in ihrem Land, nun vor allem mit ihren Geschlechtsgenossinnen. Die machen es sich nach Yasukos Meinung in ihrer ehelichen Abhängigkeit viel zu bequem.

Aber nicht nur Imai Yasuko und die Frauen der „Diskussionsrunde für Frauen von Hamamatsu“ stehen im Mittelpunkt des Projekts, sondern eine Fülle von Frauenschicksalen, die sich mit Selbstbewusstsein ihren Lebensweg gebahnt haben. Diese Erzählungen werden mit der japanischen „Frauengeschichte“ der vergangenen 140 Jahre verflochten, mit dem, was sich auf rechtlichem und sozialen Gebiet für Frauen und Männer in Japan geändert hat.

Kurzbiographie von Imai Yasuko

Life record of Imai Yasuko

Japan-Aufenthalt Herbst 2003

Herbst in Hamamatsu - Besuche im Garten Eden

Studienreise nach Japan 2006

Studienreise nach Japan 2008

Japan 2008: Kirschblüten, Fuji san und Interviews

Grüner Tee und roter Ahorn - Japan-Tagebuch 2013

Briefwechsel

Imai Yasuko: Vor dem Tagesanbruch für Frauen

Imai Yasuko - Ein Leben gegen den Strom?

Wie auf einem anderen Stern

Besuch bei Yasuko Makinose

Japans feministischer Salon

Rethinking Western Notions of Japanese Women

Fotos


Ruth Linhart | Japanologie | Biografieprojekt Imai Yasuko Email: ruth.linhart(a)chello.at