Ruth Linhart | USA 1 | USA 2 | USA 3 | USA 4 | USA 5 | USA 6 | USA 7 | Timeline | Reisen
1. 4. 2012, im Auto, von Desert
View nach Monument Valley.
Bei Desert View Abschied vom Grand Canyon. Ein riesiger Parkplatz,
Riesenraben und der Desert View Watchtower, den Mary Colter nach
dem Vorbild antiker Pueblo Wachtürme entworfen hat. Noch ein
letzter ausführlicher Abschiedsblick auf die grandiose
Felsenlandschaft, heute unter bewölkten Himmel. Die Farben sind
zarter, die Wolken werfen wandernde Schatten auf die unter ihnen
liegenden Kuppen, Riffe, Türme und Täler. Auf einer Schautafel ist
die Gegend erklärt. Östlich schließt sich die „Painted Desert“ an
mit dem „Little Colorado River Gorge“. Im Norden erhebt sich der
Navajo mountain, Entfernung 154 Kilometer. Ein freistehender Kegel
inmitten einer Wüstenlandschaft, 3166 Meter hoch. Allerdings sind
wird bereits auf rund 1800 Meter über dem Meerespiegel. In der
Navajo-Sprache heißt er Naatsis´áán, zu deutsch „Kopf der Erde“
und spielt eine Rolle in den Entstehungsmythen der Navajos. Heute
liegt er am Nordwestrand des Navajo-Reservates. Wanderungen in der
Region sind nur mit Erlaubnis der Navajo-Nation erlaubt, die
Besteigung des Berges ist verboten. Außer für die Navajo hat er
auch kulturelle Bedeutung für die Hopi und die Paiute.
Heute ist das Wetter grau und kühl, um nicht zu sagen kalt. Im Grand Canyon Village haben wir uns Mützen und ich mir gefütterte Handschuhe gekauft. Außerdem bunte Socken, aus alten T-shirts gemacht. Die tanzende Gestalt von Kokopelli ist eingewebt. Er ist ein indianischer Fruchtbarkeitsgott, dem ich hier zum ersten Mal begegne. Am Straßenrand Schilder, die vor diversen Tieren warnen. Gerade sind es Hirsche. Vorher waren es mountain lions.
Sandwüste und Sandsturm
Sandwüste, Sanddünen, Sandsturm.
Die gesamte Strecke östlich des Grand Canyon auf der Route 89
north und noch eine Weile auf der Route 160 ist die trostloseste
einsamste unfruchtbarste Gegend, die ich je gesehen habe. Endlose
weiß-graue Wüste, über der ein beige-grauer Vorhang aus Sand
steht. Nichts, absolut nichts wächst hier. Eine Landschaft, bei
der einem klamm ums Herz wird.
Das Gebiet gehört zur Navajo Indian Reservation. Innerhalb dieses
riesigen Gebietes von 67 000 Quadratkilometern liegt die Hopi
Indian Reservation. Sie umfasst zirka 12 700 Quadratkilometer.
Auf diversen Internet-Seiten lese
ich, dass die Navajo Nation Reservation das größte
Indianer-Reservat in den USA ist und in der Steinwüste zwischen
Arizona, Utah und New Mexico liegt. Die Hauptstadt ist Window Rock
in Arizona. Die Armut in der Region gleicht einem Land der Dritten
Welt. Über die Hälfte der Bevölkerung des Reservats lebt unter der
Armutsgrenze, das durchschnittliche Einkommen pro Kopf beträgt
rund ein Drittel der Einwohner der übrigen USA. Die
Arbeitslosenrate liegt bei 40 Prozent.
Und das, obwohl im Reservat zahlreiche Rohstoffvorkommen wie
Erdöl, Ergas und Kohle entdeckt wurden. Diese werden jedoch von
US-Konzernen ausgebeutet. Seit den 40iger Jahren wird auch Uran
abgebaut, was große gesundheitliche Belastungen für die Bewohner
und Schäden an der Umwelt mit sich brachte.
Navajo Nation Reservation
Heute leben viele Navajo von
Schaf-, Rinder- oder Pferdezucht. Weitere Verdienstmöglichkeiten
gibt es im Tourismus und im Bergbau. Auch die Herstellung und der
Verkauf von Decken, Teppichen, Silber- und Türkisschmuck bringen
Einkünfte. Viele junge Menschen verlassen das Reservat aber. 2010
hat die US-Regierung eine größere Geldmenge bereitgestellt, um
Breitbandinternetanschlüsse einzurichten und dadurch neue
Jobmöglichkeiten zu schaffen.
Ein entscheidendes Erlebnis in der Geschichte der Navajos war „The
Long Walk“. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen mit den weißen
Eindringlingen, angefangen von den Spaniern im 16. Jahrhundert bis
zu den weißen Siedlern im 19. Jahrhundert, erhielt Colonel Kit
Carson 1863 den Befehl zu ihrer Unterwerfung. 1864 wurden dann
mehr als 8000 Diné, wie sie in ihrer eigenen Sprache heißen,
Männer, Frauen und Kinder, auf einen 480 Kilometer langen Marsch
von ihrem Reservat im heutigen Arizona nach Fort Summer gezwungen.
Es gelang aber nicht, die Navajos dort menschenwürdig anzusiedeln
und 1868 erhielten die Überlebenden die Erlaubnis, wieder in ihr
früheres Reservatsgebiet zurückzukehren.
Die Navajos sind heute mit fast 300 000 Menschen der
bevölkerungsreichste Stamm Nordamerikas. Die Navajo Nation wird
autonom verwaltet.
Ein interessantes Detail aus der Geschichte ist der „Navajo Code“,
der im Pazifikkrieg gegen die Japaner verwendet wurde. Die
Navajo-Sprache diente als Code, und es gelang den Japanern trotz
heißer Bemühungen nicht, diese zu entschlüsseln.
Mitten im Gebiet des Navajo-Reservates befindet sich das Reservat
der Hopi. Dass es da immer wieder zu Auseinandersetzungen kam,
liegt auf der Hand. Die Hopi sind die westlichste Gruppe der
sesshaften Pueblo Indianer. Die rund 7000 Einwohner des Reservates
ringen dem unwirtlichen Gebiet viele landwirtschaftliche Produkte
ab, vor allem Mais. Die Bodenschätze, die es im gesamten Navajo-
und Hopi-Gebiet gibt, bilden immer wieder Grund für Konflikte, da
weiße Großunternehmer Ansprüche auf diese erheben.
Der Sturm schleudert immer wieder Sandböen über die Straße, die schnurgerade durch die Wüste zieht. Ab und zu tauchen in der absoluten Unfruchtbarkeit ein paar schwarze Kühe auf. Was finden sie hier zum Fressen? In dem grauen Sandvorhang zeichnet sich in der Ferne die dreieckige Form des mystischen Navajo Mountains ab. Ich versuche mehrere Male, den Berg mit der Kamera heranzuzoomen, aber mir gelingt kein scharfes Bild.
Tuba
City
Der erste Ort auf der Route 160
ist Tuba City. Reklametafeln verkünden den Verkauf von „Beads,
Sterling Silver, Gem Stones“ Es gibt eine „Tuba City Veterinary
Clinic“. Sogar eine Reklame für Kentucky Fried Chicken und Burger
King. Aber sonst scheint uns Tuba City nur eine Ansammlung einiger
Hütten in den nun rosa angehauchten Sandünen zu sein.
Wikipedia entnehme ich aber, dass die Stadt mit 8600 Einwohnern,
92 Prozent davon Native americans, die größte Siedlung der Navajo
Nation ist. Der Navajo-Name der Stadt heißt Tó Naneesdizí, etwa
„Verwirrte Wasser“ und bezieht sich möglicherweise auf zahlreiche
Quellen unter der Erdoberfläche. Im Südosten der Stadt liegt
Moenkopi, eine Siedlung der Hopi. Gegründet wurde Tuba City 1872
von Mormonen. Wegen ihrer natürlichen Quellen zog der Ort Navajo,
Hopi und Paiute an. 1956 wurde Tuba City eine „uranium boomtown“
und das regionale Zentrum für die „Rare Metals Corporation“ und
die Atomenergie-Kommission. Ungefähr ein Drittel der Bevölkerung
lebt unter der Armutsgrenze. Eine „local attraction“ ist das
Explore Navajo Interactive Museum, das 2007 eröffnet wurde.
An einer Tankstelle in Tuba City
wollen wir tanken. Da braust ein weißes Auto heran, ein junger
Indio mit langem Rossschwanz beugt sich aus dem Fenster. „This gas
station ist dead,“ sagt er und rät uns um den Hügel zu fahren,
dort befände sich eine, die in Betrieb sei. Sehr nett!
Ursula wird beim Tanken fast weggetragen von dem Sturm. Sand
treibt in die Augen. In der Raststation fragt uns ein älterer
Herr, woher wir kommen. „From Europe, Austria.“ „What are you
doing hier in the desert!“ ist er entgeistert. Er fahre vom Süden
Arizonas nach dem Norden. Wahrscheinlich ein Heimkehrer vom
Winterquartier.
An einer Wandtafel sehen wir die Fotos zweier vermisster Mädchen
und die zweier entsprungener Häftlinge. Jemand drückt uns im
Vorbeigehen ein Pamphlet in die Hand: „You have God´s word on it.“
Die wüstete Wüstenlandschaft setzt sich fort. Dass die Route 160 auf der Karte als „landschaftlich schön“ gekennzeichnet ist, hat seine Gründe, nur ist die Schönheit dieser Gegend ungewohnt und herb. Und für uns sehr aufregend.
Hopi
Villages
Rechts von der Straße ein großes Plakat „Thank you for visiting the Hopi Villages“. Ja, es wäre sicher interessant, die Hopi-Dörfer zu besuchen, die meistens auf hohen Tafelbergen liegen, die aus dem Colorado Plateau aufragen. Dort wohnen viele noch immer in den typischen terrassierten Pueblobauten aus Stein oder Lehm. Nach einer Hopi-eigenen Website gibt es zwölf Dörfer mit matrilinear organisierter Gesellschaft. Besucher seien willkommen. Da es sich aber um „lebende Dörfer“ handle, würden sie gebeten, sich aus Respekt vor der Kultur und der Intimsphäre der Bewohner an gewisse Regeln zu halten wie nicht zu photographieren. Auf einer anderen Internet-Seite lese ich, dass die Hopi ein tief religiöses Volk sind und viele Rituale zelebrieren. Das bekannteste sei der Ende August durchgeführte Schlangentanz, bei dem die Akteure mit lebenden Schlangen im Mund tanzen. Die touristischen Zuschauer könnten aber nur einen kleinen Teil der Zeremonie beobachten, da das meiste geheim in den Kivas – Zeremonien- und Versammlungsräume der Pueblo-Kulturen - zelebriert werde.
Ab und zu tauchen nun hellgrüne
Bäume auf, ab und zu niedriger grüngrauer Bewuchs. Ein paar Pferde
oder Kühe. Vereinzelt Containerhäuser oder Wohnwägen mit ein, zwei
Autos davor. Der Ort Red Lake scheint im Wesentlichen aus einer
Tankstelle zu bestehen. Hier ist der Staub rosa.
Eine Eisenbahnlinie taucht neben der Straße auf. Sie ist auf der
Landkarte nicht eingezeichnet. Natürlich sehen wir auch keinen
Zug. Vielleicht ist das die ehemalige Linie nach Santa Fe.
Ein Schulbusstop zeugt von Besiedlung. Cow Springs, ebenfalls ein
Ort, den man von der Straße aus nicht bemerken würde.
Jetzt eine Schafherde.
„Native Hopi Home Care“ sagt eine Tafel.
Die ganze Strecke läuft neben der Straße rechts und links ein
Zaun. Sind die Reservate eingezäunt? Oder dient der Zaun dem
Schutz der Straße vor Tieren? Oder dem Schutz der Tiere vor den
Autos?
„Watch for water on the road“ und „Do not enter when flooded“,
lesen wir jetzt auf Straßenschildern. Irgendwo hat ein Auto der
“Traffic Patrol” ein anderes Auto angehalten. Bei einem Photostopp
fährt „Police“ an uns vorbei und hupt.
Nun ist die Landschaft ganz anders als vor einer Stunde. Laut Landkarte passieren wir das „Navajo National Monument“, ein archäologisches Schutzgebiet mit Ruinen von Felsenwohnungen der Anasazi. Die Landschaft bestimmt hier ein mächtiges rosa-oranges Felsmassiv mit grünen Bäumen darauf. Wahrscheinlich Nokai Mesa. Rund um das Felsmassiv verstreut Ansiedlungen. An der Straße ein Motel namens „Anasazi-Inn“. Wie überall, wenn etwas wächst, harte, stachelige Gebüsche. Ist das Wacholder hier? Straßenschild „Blowing Dust Area“.
Das
achte
Weltwunder
Wir sind kurz vor dem Ort Kayenta
auf die Route 163 abgezweigt, die zum "achten Weltwunder", dem
Monument Valley führt. Kayenta ist eine 5000-Einwohner-Gemeinde,
Teil der Navajo Nation und bietet Unterkünfte für Besucher des
Monument Valley. Wir fahren aber weiter, denn wir haben ein Zimmer
im View Hotel direkt im Monument Valley gebucht.
Eine furchterregende Steinformation reckt sich aus der Ebene gegen
den Himmel. Sie ist grau und Ursula sagt, sie hat die Assoziation
von Gottes mahnendem Finger. Rundherum hellgrün-orange Steppe. Und
ein Sturm, dass es heult und das Auto wackelt. Wir steigen aus,
weil wir Schafe neben der Straße fotografieren wollen. Schnell
springen wir ins Auto zurück, denn vier Wachhunde tauchen auf.
Zwei verfolgen kläffend das abfahrende Auto.
Nachts. Monument Valley.
Nachmittags so gegen fünf Uhr sind wir im Monument Valley
gelandet. Eine rote Mondlandschaft. Rotgrün gesprenkelte
Wüstenebene, darauf zusammenhanglos vom lieben Gott oder einer
Navajogottheit hingestellte rote Felsen und ganze Felsenzüge in
bizarren Formen. Das gesamte Bild, das sich bietet, ist von so
fremdartiger Schönheit, dass einem die Augen übergehen und der
Mund offen bleibt.
Von unserem Balkon aus sehen wir die drei berühmtesten Felsen, die
in zahllosen Werbungen und Filmen vorgekommen sein sollen. Unter
anderem in der Malboro-Werbung und in Filmen von John Ford und mit
John Wayne. Die Felsen vor uns heißen West Mitten Butte, East
Mitten Butte und Merick Butte. „Butte“ bedeutet laut „Leo“, dem
Internet-Wörterbuch, „Härtling, Probeschüttung“ oder „Spitzkuppe“
und in Zusammensetzungen auch „Berg“.
Als die Sonne sich neigte, gingen plötzlich auf den roten Felsen
und Steinskulpturen helle Lichter auf. Als ob eine überirdische
Autorität Scheinwerfer eingeschalten hätte. Wir glaubten, das
werde noch eine Zeit dauern, bis die Sonne untergegangen sei. Aber
dem war nicht so. Die Felsen traten nur kurz in der starken
Abendsonne aus der Umgebung hervor, dann erlosch das Licht wieder
urplötzlich. Ich hatte gerade ein einziges Foto von dem
Naturschauspiel gemacht! Jetzt war mir auch klar, warum, während
wir beim Abendessen saßen, etliche Leute draußen ihre Stative
postiert hatten …
Im Internet lese ich, dass wir uns auf 1900 Metern über dem Meeresspiegel befinden. Die geologische Geschichte des Monument Valley reicht mehrere hundert Millionen Jahre zurück. Entscheidend für das heutige Bild sind jedoch die letzten 50 Millionen Jahre. Wind, Regen, Hitze und Kälte schürften aus einem 2100 Meter hohen Felsplateau die charakteristischen Nadeln, Kegel, Bögen, Felskuppen und Tafelberge, die bis zu 600 Meter hoch sind. Material ist Kalkstein und Sandstein. Die rote Farbe entsteht durch Eisenoxid, das in den Gesteinsschichten enthalten ist. Monument Valley ist kein staatliches Schutzgebiet, sondern wird von den Navajo selbst verwaltet. Das Gebiet umfasst 91 600 Acre, was soviel wie zirka 376 Quadratkilometer ist.
Das
View
Hotel
Das View Hotel fügt sich in der
gleich roten Farbe wie die Erde in die Landschaft, wirklich sehr
diskret. Aus der Ferne sieht man es kaum, weil es sich schmal und
lang und niedrig an einen Hügelkamm schmiegt. Aber tatsächlich
steht es doch ziemlich knapp vor den drei berühmten „monuments“.
Ist das richtig? Für uns ist es natürlich toll, dieses Weltwunder
mit einem kleinen Schritt auf den Balkon jederzeit verfügbar zu
haben.
Positiv ist auf alle Fälle, dass das Hotel einen der eher raren
Arbeitsplätze im Navajoland bildet. An der Rezeption, im Shop und
vor allem im Restaurant sind eine größere Zahl von jungen Native
americans tätig.
Eigentümerin des View Hotels ist eine Frau, Armanda Ortega. Ihr
Ziel sei es, lese ich in der Geschichte des View Hotels, das
kulturelle Navajo-Erbe ihrer Vorfahren und die wirtschaftlichen
Traditionen ihrer Familie zu kombinieren. Die Ortega-Familie
blickt anscheinend auf eine lange Geschichte der Vermarktung von
Handwerkskunst der Native americans zurück.
Nach der Ankunft begeben wir uns in das Restaurant. Die Mahlzeiten
auf der Speisekarte sind großartig beschrieben, schmecken jedoch
leider nach nichts! Die indianische Küche ist anscheinend sehr
wenig gewürzt. Mein Essen ist eine dünne graue Suppe mit
verkochten Lammbröckchen und Kartoffelstücken. Dazu haben wir uns
„fry bread“ gewünscht – blaue Brotfladen, die ebenfalls nach
nichts schmecken und nass sind.
Beim View-Hotel handelt es sich, wie ich in den Unterlagen lese,
um ein „dry“ Hotel . Später bemerke ich, dass das gesamte
Navajo-Gebiet „dry“ ist. Also gibt es keinen Alkohol, aber
alkoholfreies Bier und alkoholfreier Wein wird angeboten. Wir
haben im Zimmer das Stifterl „white Zierfandel“ – rosa Wein –
ausgetrunken, das wir in Wickenburg erstanden haben. Ursula holte
dafür zwei Gläser im Restaurant, denn es gibt zwar einen
Riesenkübel für potentielle Eiswürfel im Zimmer, aber nur Plastik-
und Pappbecher.
Sonst ist das Hotel wunderschön und die Materialien sind edel.
Alles im Navajo-Stil gehalten. Wunderbare rote gemusterte Decken
auf den Betten, geschnitzte Lampen. An den Wänden der Lobby und
des Restaurants beeindruckende Teppiche in grauen und roten Tönen.
Wir befinden uns hier im Gebiet von Four Corners – wo die Bundesstaaten Utah, Arizona, Colorado und New Mexico zusammenstoßen. Ein winziges Stück sind wir bei der Einfahrt zum Monument Valley schon durch Utah gefahren.
Navajo
Spirit Tours
2. April 2012, Monument Valley
Harry von Navajo Spirit Tours zeigt uns die Hogans, die in der
Nähe des Hotels aufgebaut sind – die traditionellen Behausungen
der Navajos. Sie sind aus Stämmen der pinus edulis und Lehm oder
Erde gebaut. Rötlich wie die Umgebung sind sie rund für die Frauen
und kegelig nach oben spitz zulaufend für die Männer. Aber die
Trennung nach Geschlechtern besteht nur zu zeremoniellen Zwecken,
erzählt Harry. Sonst wohnen alle drin, Mann, Frau und Kinder, bis
zu zwölf Personen in einem Hogan. Der Eingang zeigt immer nach
Osten, um die Morgensonne begrüßen zu können. Heute sind die
Hogans oft nur mehr Orte für religiöse Zeremonien. Neben den zwei
größeren Hogans steht noch ein kleiner, der sei, so Harry, eine
Art Schwitzhaus, ein „sweat lodge“.
Von Harry hören wir auch, wie Navajo ausgesprochen wird. „Navahó“
mit Betonung auf der letzten Silbe. Sie nennen sich und ihre
Sprache selbst Diné. Und dass hier im Gebiet noch neun
Großfamilien wohnen. Leider kann ich nicht mitschreiben, was er
erzählt, denn der Chevriolet mit Vierradantrieb und einer
gesprungenen Windschutzscheibe, wackelt auf den „dirt-roads“
derartig, dass wir uns festhalten müssen. So habe ich natürlich
das Meiste wieder vergessen. Neben Kiefern wächst in der gesamten
Großregion sehr viel Wacholder. Und das traditionelle fry bread,
das wir gestern verschmäht haben, wird unter anderem aus Blättern
dieser Wacholderbäume hergestellt.
Ein
perfekter
Tag
Jetzt ist es Abend. Heute war ein
perfekter Tag, obwohl er grau und kalt war. Und ein Tag mit Harry,
dem Navajo mit deutschem Großvater – oder vielleicht Urgroßvater?
Jedenfalls ist er ein sehr netter gemütlicher humorvoller älterer
Mann, ein Cousin des Mannes von Michelle Holiday von den Navajo
Spirit Tours. Im Internet las ich vor der Reise viel Lob über
diese Agentur, und ich kann es nur bestätigen. Mit Michelle
vereinbarte ich die Tour im Monument Valley und Mystery Valley per
Email, und heute lernten wir sie auch kennen. Sie und ihren Mann
Gerry, ein etwas beleibter Indianer mit Zopf, der eine
intellektuelle Ausstrahlung hat.
Hier in diesem Land des Monument Valley und des Mystery Valley, so
erzählte uns Harry, lebten vor zirka 1500 bis 500 Jahre vor uns
die Anasazi, die vielleicht mit den Navajo kämpften. Niemand weiß,
wohin und warum sie plötzlich verschwunden sind. Man fand ihre
Häuser, Kleider, Keramik, Waffen, Werkzeuge, aber keine Spur von
ihnen selbst. „Ältere Leute sagen, dass sie vielleicht der Wind
davon getragen hat oder dass die `Aliens´ sie geholt haben.“
Sie hatten eine hochstehende Kultur, siehe Mesa Verde und die dort
erhaltenen Riesenbauten. Nach den Anasazi besiedelten die Navajos
diese Gegend, und sie kämpften mit den Spaniern.
Harry war noch nie fort, nicht im wenige hundert Kilometer
entfernten Mesa Verde oder im Grand Canyon. Die jungen Leute aber
bleiben nicht hier, sagte er. Sie ziehen weg, arbeiten in Phoenix
und Santa Fe, in Albuquerque oder sogar in Florida und Hawai.
Vormittags brachen wir also in Harrys Auto auf, um das Monument
Valley zu erkunden. Die drei Formationen vor unserem Fenster sind
zwar die berühmtesten, aber sie sind nur ein schwacher Anfang
dessen, was uns erwartete. Unheimlich schöne Felsenformationen,
rot und vielgestaltig in dieser Wüstenlandschaft mit dem ganz
feinen roten Sand. Ich ließ ihn durch meine Finger rieseln. Und
diese Pflanzenwelt, stachelig und hart im eiskalten Wind. Es
schneite zeitweise sogar leicht. Wacholder und Eichen, Yukkas und
anderes Buschwerk, dessen Namen ich nicht weiß. Diese Landschaft
hat die weißen Besucher oder besser Eroberer angeregt, und sie
haben die Felsen benannt.
Three sisters und Oljato Mesa
Die Navajos geben keine Namen,
sagt Harry. Aber eine Formation heißt „Oljato-Mesa“, „Mond im
Wasser-Plateau“, das ist, glaube ich, schon „indianisch“ und sehr
poetisch.
Harry meint, im Internet fänden wir alle Namen der diversen
Feldkuppen und Spitzen, Säulen und Plateaus. Aber ich war nicht
erfolgreich! Und auf einer Felskuppe hätten sogar die Metal-Band
Metallica ein Konzert gegeben. Die Instrumente und natürlich auch
die Musiker wurden per Hubschrauber eingeflogen. Das finde ich im
You tube!
Die drei Stunden am Vormittag führte uns Harry von einer
Sehenswürdigkeit zur nächsten. Wir starteten bei den Three Sisters
und John Ford´s Point. John Ford zahlte hier so viel wie in
Hollywood, erzählt Harry, und er habe den Leuten hier sehr
geholfen. An diesem Punkt gab es Stände mit schönem und sehr
billigem Silberschmuck mit Türkisen. Die Herstellung und der
Verkauf ist ja ein wichtiger Erwerbszweig der einheimischen
Bevölkerung. Wir dachten, wir kämen noch zu vielen solchen
Standeln – aber gar nicht. Hätten wir das gewusst, hätten wir mehr
gekauft von den filigranen Kettchen und vor allem von den
ungewöhnlichen Lesezeichen, ebenfalls aus Silber mit Edelsteinen.
Das nächste Mal!
Jeder Stopp übertraf den vorherigen noch an Schönheit und
Eigentümlichkeit. An einer Stelle mit vielen kleineren Felsen vor
einer riesigen Felswand, fragte ich Harry nach einer Toilette. Er
deutete hinter die Steine. Als wir auf dem Weg dorthin waren, rief
Harry von seinem Wagen her „There are riders approaching“. Man
kann ja Monument Valley nicht nur mit dem Auto oder zu Fuß
erkunden, sondern auch auf Pferderücken. Eine sehr skurrile
Situation – leider erhaschte ich deswegen nur einen sehr kurzen
Blick auf die vier Reiter, die aussahen, als wären sie direkt
einem Wildwestfilm entsprungen.
Ein anderer Stopp führte uns mitten in ein Panorama aus weitem
Himmel, weiter roter Ebene und einem fernen roten Felsenband rund
um uns. Wie schon öfters auf dieser Reise Glücksgefühl.
Mystery
Valley
Nach einer Pause hatten wir am
Nachmittag ein weiteres Rendezvous mit Harry. Nun ging es ins
benachbarte Mistery Valley. Zuerst am Highway entlang. Wir
passieren knapp außerhalb des Monument Valley den früheren Trading
Post Gouldings, der eine Lodge mit Unterkünften, ein Restaurant und
Busttouren anbietet. Wenn ich mich recht erinnere, hat Harry
gesagt, dass die niederen Gebäude ein Schulzentrum sind – von der
elementary school bis zur high school. Harry erklärt uns auch,
dass rechts vom highway eine fruchtbare Senke liegt, wo Mais und
sogar Pfirsiche wachsen. Er erzählt von einer Quelle, die zu einem
seichten Bächlein wird, aus dem alle Tiere trinken. „Es gibt
extrem wenig Wasser im Navajo-Gebiet.“ Ein Tunnel unter dem
Highway ermögliche den Tieren von der linken Seite zum Wasser
rechts zu kommen (oder umgekehrt).
Dann biegen wir ab in die rote Landschaft auf einen Privatweg, der
vorerst zu ein paar Containerhäusern führt. Mit einem normalen
Auto hätte man auf den Pisten, die wir nun fahren, nach wenigen
Minuten eine Panne. Harry aber führt uns auf den sandüberwehten
löchrigen Bahnen seine Fahrkünste vor und erklimmt sogar mit uns
per Auto einen riesigen Felsrücken. Eine Hochschaubahn ist nichts
dagegen! Harry kommt im Sommer, wenn Hauptsaison ist, täglich
hierher und kennt die Wege und Felsrücken wie seine
Westentasche.
Spuren
der Anasazi
Harry peilt mit uns einen gewisse
Sehenswürdigkeit des Mystery Valley an, deren Namen ich vergessen
habe, und von dort fahren mit zahlreichen Stationen denselben Weg
zurück. Fast alle Orte, die er uns zeigt, tragen Spuren der
geheimnisvollen Anasazi – darum der Name Mystery Valley. Ruinen
von Behausungen weit oben in den Felswänden, Felszeichnungen,
Hände, Tiere, menschliche Gestalten, viele, viele Scherben ihrer
Keramik. Ein „Geburtshaus“, das man über Leitern erklommen hat.
Einen Honeymoon Arch, einen Full Moon Arch und viele andere
geheimnisumwobene Felsformationen. Hier scheint noch vieles
unerforscht zu sein. Im Internet lese ich „Nach Angaben
verschiedener Navajo soll es im Monument Valley Anasaziruinen,
antike Pueblowohnungen geben, die bislang unerforscht sind.“
Unbegreiflich!
Harry nennt einen Autor namens Tony Hillermann, der oft hier
gewesen sei und sich sehr gut ausgekannt habe. In Wikipedia
erfahre ich, dass er ein berühmter Autor von Kriminalromanen war,
die in der Navajo Nation Reservation spielen. Seine Detektive sind
die Diné-Polizisten Joe Leaphorn und Jim Chee.
Dieser Ausflug in die Welt des Mystery Valley ist eigentlich auch
wieder unbeschreiblich. Mir fehlen die Worte, um diese eigenartige
Schönheit, die Weite, die Einsamkeit und gleichzeitig diese
geschichtsgeschwängerte Atmosphäre wiederzugeben. Vor unser
inneres Auge treten die Anasazi-Menschen, die hier lebten,
Landwirtschaft betrieben, ihre Geräte selbst herstellten, eine
hohe Fertigkeit im Töpfern hatten. Und die Navajos. Aber es sind
Klischees, die vor dem inneren Auge erscheinen. „Die Navajo waren
ganz anders als die Indianer in den Wildwestfilmen,“ sagt Harry.
„Sie griffen die Weißen nicht an, sondern versteckten sich vor
ihnen in den Felswohnungen der Anasazi.“
Wir fotografieren viel. Gegen den Sonnenuntergang hin wird es sehr
frostig. Der Wind treibt den roten Sand in die Augen. Als die
Sonne beim Untergehen ist, bricht sie noch einmal kurz aus den
grauen Wolken hervor und beleuchtet einzelne Felswände des weiten
Panoramas. Wir klettern auf einen der Felsen und bewundern von
oben die Weite der Landschaft. Hinter grauen Wolken leuchtendes
rosa Licht.
Der Tag mit Harry kostete jede 150 Dollar, teuer, aber den Preis
wert!
3. 4. 2012, Monument Valley
Es ist acht Uhr. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Die zwei
Fäustlinge und das dazugehörige dritte „monument“ stehen dunkel im
hellen Gegenlicht. Die Sonne ist direkt hinter ihnen aufgegangen.
Auf der „dirt route“, dem 27 Kilometer langen Rundkurs für
Privatautos mit den großen Schlaglöchern am Fuß des Hügels,
kriechen schon Fahrzeuge. Gestern schlich sogar ein riesiger
Wohnwagen im Schneckentempo dahin. Ohne Auto mit hohem Unterboden
und Vierradantrieb würde ich einen privaten Ausflug ins Monument
Valley aber niemandem empfehlen. Ins Mystery Valley kommt man
sowieso nur mit einem Führer.
Quellen: Aus dem Internet
Desert
View
Watchtower
Painted
Desert
Navajo
Mountain (de) , Navajo
Mountain (en)
Kokopelli
Navajo Spirit Tours
Navajo
(Volk)
Navajo
Nation
Reservation
Navajo Nation
Navajo People
Ling
Walk
of the Navajo
Hopi
Reservation
Tuba
City, Arizona
Moenkopi,
Arizona
Experience
Hopi - Hopi villages
Kiva
Navajo
National
Monument
Visit
Monument
Valley
Tribal Park
Monument
Valley (de)
Monument
Valley (youtube)
The
View Hotel
Four Corners
Navajo Homes -
Hogans
Hogan
(Wikipedia)
Pinus edulis
Frybread
Mesa-Verde-Nationalpark
Metallica,
Monument Valley
Goulding´s Lodge
Mystery
Valley, Arizona
Tony
Hillerman
Sonstige verwendete Literatur
Baedeker USA Südwesten, Texte Georg Bareth, Heinz Burger,
Rainer und Rolf Eisenschmid, Carmen Galenschovski, Reinold
Hermanns, Wolfgang Liebermann, Helmut Linde, Axel Pinck, Wolfgang
Rotzinger, Angelika Stehle, Andrea Wurth, Reinhard Zakrzewski,
Karl Baedeker Verlag, Ostfildern 7. Auflage 2011
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