Tiefblauer Himmel, sattrosa Häuser,
grüne Palmen, das ist Marrakesch. Ich stehe wieder früh auf, wir
packen. Abschied von dieser Stadt, Abschied von Marokko.
Doch bevor wir
nach Casablanca aufbrechen noch ein Ausflug in den Süden, Richtung Hoher
Atlas. Der Besuch eines Marktes wird uns versprochen und eines Berberhauses mit
Tee und frisch gebackenem Brot.
Es ist 9 Uhr und die Cafes sind voller
Männer. Der Supermarkt gegenüber unserem Hotel war schon vor 9 Uhr
offen. Auf der Avenue Mohammed V. europäische (oder amerikanische oder
chinesische) Markengeschäfte, wie Zara. Überall elektronische
Werbetafeln, aber auch traditionelle Werbeplakate.
"Frauen gehen nicht in
Cafes, in denen Männer sitzen. Bei uns, wenn eine Frau im Cafe sitzt,
heißt es, sie ist eine Prostituierte", vernehme ich Said. "Wenn eine Frau
jeden Tag im Cafe sitzt, hat sie keine Chance , einen Mann zum Heiraten zu
finden. Und die Jungen lassen ihnen keine Ruhe. Darum sind Frauen lieber zu
Hause und reden über Männer, Kinder, Schmuck und Leben
"
Dann bereitet uns Said auf den Besuch des Marktes vor. Er wird von 5.30
früh bis 2 Uhr nachmittags abgehalten. "Frühmorgens kaufen die
Händler die Tiere von den Bauern. Um 7 Uhr werden sie geschächtet. Um
8 Uhr kommt der Veterinär. Ab 8.30 Uhr können die Leute frisches
Fleisch kaufen. Das Fleisch kostet 2 bis 3,5 Dirham pro Kilo."
Nachdem wir
noch einmal durch die schönen Straßen von Marrakesch gefahren sind,
gleiten wir nun durch die südlichen Ausläufer der Stadt. "Die Gegend
ist hier sehr teuer geworden. Hier sind Villen von Anwälten und Reichen.
Auch viele Hotels sind hier." Wie Said sagt, möchte Marokko 2010 die Zahl
von 10 Millionen Touristen erreichen. Marrakesch ist eine der
Hauptattraktionen.
Wir fahren in Richtung Hoher Atlas. Zu Füßen
der duftigen Wellen von Bergketten eine weite, grün bewachsene Ebene.
Einer der Gipfel ist der Djebel Toubkal, der höchste Berg Marokkos.
In einer kleinen Stadt oder einem größeren Dorf lädt uns
der Bus auf der Hauptstraße mitten im Ort aus. Viele Mopeds mit Lasten,
auch mit Tieren beladen, kleine Lastwägen, Esel, einer transportiert einen
Reiter samt Schaf, viele Fußgänger, vorwiegend männlichen
Geschlechts.
Wir überqueren ein Rinnsal in einem Flussbett voller
Geröll. Das ist anscheinend der Eselparkplatz für die Bauern, die
ihre Waren zum Markt bringen. Am Markt führt uns Said als erstes in den
Schlachthof, wo ich streike. Mitten auf dem Weg liegt auf dem Boden der blutige
Kopf einer Schafs oder einer Ziege. Später erklärt man mir, dass das
mit Absicht passiert. An den Augen erkennen die Kunden, ob das Tier erst vor
kurzem geschlachtet wurde oder das Fleisch womöglich schon alt ist. Ich
warte auf der Straße auf die Gruppe.
Auf dem Markt wird alles
verkauft, was man sich nur vorstellen kann, nicht nur Fleisch, Obst und
Gemüse, sondern auch alle Güter des täglichen Bedarfs, bis zu
den geflochtenen Badehütten. Sie sind wabenförmig gebaut, etwa
mannshoch, mit kleinem Eingang, durch den man offensichtlich in das Innere
hineinkriechen muss.

Später in einem Berberhaus sehen wir solche eine
Badehütte in Aktion. Sie wird außen und innen mit Lehm verkleidet
und von unten beheizt. Interessant ist, dass in diesem Berberhaus nebenan eine
moderne verflieste Dusche eingebaut ist. Von dem "Berberhaus", das
offensichtlich für den Tourismus zur Verfügung gestellt wurde - die
Familie wohnt in einem Haus nebenan - überblickt man das wunderschöne
Tal, das sich in der Ferne zur Ebene von Marrakesch weitet und im Süden zu
rot-grünen Hügeln ansteigt, die schließlich in graue
Bergwände münden. Nach der Führung durch die Lehmarchitektur des
Hauses sitzen wir in einem der Gästeräume des Etablissements auf
Sofas an der Wand entlang. Eine junge Frau bereitet vor unseren Augen den
Pfefferminztee. Basis ist grüner Tee, dessen zweiter Aufguss weg
geschüttet wird.

Zum dritten Aufguss gibt die junge Frau die
Pfefferminzblätter und außerdem große Mengen von Zuckerbruch.
Dann hält sie die Kanne hoch und gießt die hellgrüne
Flüssigkeit in einem dünnen langen Strahl in die Gläser. Der Tee
schmeckt mild und köstlich. Die Hausfrau gibt uns ebenfalls die Ehre. Sie
ist in ein prächtiges rot schimmerndes Gewand gekleidet und bringt Teller
mit frisch gebackenem Fladenbrot, Honig und Olivenöl. Schließlich
trägt eine weitere junge Frau einen kleinen Buben herein, es ist der Sohn
der Teeköchin. Said will dem Baby einen 200 Dirham-Schein in die Hand
drücken, aber das Kindchen will ihn nicht nehmen und verzieht das Gesicht
zum Weinen. Ganz anders die kleine Prinzessin, die hereintanzt, sich zu der
Gruppe gesellt und Süßigkeiten und Geldstücke erwartet. Ein
besonders schönes Kind mit prächtigen Haaren und feinen
Gesichtszügen.
Auf dem Weg zum Bus sprechen uns zwei halbwüchsige
Burschen auf Französisch an. Das Übliche, woher wir kommen, wohin wir
wollen. Sie bieten uns an, uns zu den "Cascades", den Wasserfällen in den
Bergen zu bringen. Leider müssen wir ablehnen. Aber dann bekomme ich noch
einen guten Tipp. Zu unliebsamen Händlern - hier werden vor allem billige
Ketten angeboten - soll ich sagen "La shukran", das heißt "Nein danke".
Und das funktioniert, wie ich im weiteren Verlauf des Tages feststelle. Auf "La
shukran" treten die jungen Burschen zurück, die uns etwas andrehen wollen
und lassen mit den erstaunten Worten "Vous parlez arabe" von uns ab.


Noch
ein bisschen weiter fahren wir gegen die Berge, in eine Schlucht mit
rauschendem Bach, einer Mühle und Restaurants am anderen Ufer, zu denen
schmale Schwindel erregende Hängebrücken führen. Said lässt
uns hier bei einem Spaziergang etwas Bewegung machen, denn nach dem Essen liegt
die lange Fahrt im Bus nach Casablanca vor uns. Von der Terrasse des
Restaurants noch einmal ein herrlicher Blick. Die Ketten der hohen Berge im
Talschluss blaugrau, davor steile rotgrüne Hänge - rot die Erde,
grün der Bewuchs - und eine mit Zinnen bewehrte rosa Villa im
marokkanischen Stil.
"Fast zweitausend Kilometer sind wir auf unserer
Rundreise gefahren", sagt Said, als wir auf der Nationalstraße Richtung
Flughafen von Casablanca brausen. Der Hohe Atlas, die roten Häuser von
Marrakesch versinken hinter uns. Wir durchqueren eine braune Ebene mit
abgeernteten Feldern.
Vor uns fährt ein Lastwagen. Verschleierte Frauen,
vielleicht Landarbeiterinnen, die von der Arbeit heimkehren, winken uns von der
Ladefläche aus. Wieder ein unwirkliches schönes Abendrot. Dann wird
es dunkel. Am Flughafen drückt Said jedem von uns die Hand und
wünscht uns alles Gute. Unser Flugzeug fliegt kurz nach Mitternacht.