Ruth Linhart | Reisen | Fotos | Delhi | Agra | Jaipur | Jaisalmer | Jodhpur | Udaipur | Mumbai |
Rosen sind die Blumen der Moguln, indisch ist die LotusblüteReisenotizen aus Rajasthan - mit Delhi, Agra und MumbaiTeil 2 |
Jaisalmer - Jesselmer sagt man hier (mehr dazu:
http://de.wikipedia.org/wiki/Jaisalmer) Die Zugsfahrt war angenehm. Ein Beamter, der hierher zu einer Konferenz über Tourismus kommt, plauderte mit uns und mit dem Ehepaar mit dem herzigen Kind. Auch darüber, dass Bäume essentiel sind. Die Wüste ist mit Pflanzen durchsetzt, die sie festhalten soll. Er gab Hans seine Visitenkarte und lud uns zu einer Abendveranstaltung ein. Die Ankunft. Ein richtiger Landbahnhof, an dem einmal am Tag ein Zug ankommt. Es war gar nicht so agressiv und lärmend wie im Reiseführer beschrieben, sondern viel stiller als in den anderen Orten. Ein Träger wollte zwar ein überhöhtes Honorar, doch dann waren wir schon beim Jeep des Mr. Ujjwal, in den sich auch drei flämische Belgier hineinpressten. Eltern, die in Singapur leben, ihre Tochter, die in Delhi arbeitet. Sie hatte die Zugskarten besorgt und nur Sitzplätze bekommen, sodass sie eine anstrengende Nacht hinter sich hatten. Die drei planen eine zweitägige Kamel-Safari mit Übernachtung in der Wüste. Sie stiegen beim Hotel Jaisal Castle aus. Uns brachte Mr. Ujjwal aber der Bruder unseres Vermieters - zum Suraya Paying Guest House, ganz oben im Fort von Jaisalmer. Das Zimmer, das wir zugewiesen bekamen, war sicher das größte. "Here is the balcony", sagte der Bruder. Es war aber nur ein Fenster mit Mauervorsprung. Ich inspizierte Bad und Klo, vorhanden, auch Klopapier. In den Fensterläden große Spalten. Ein kalter Wind wehte durch das Zimmer, obwohl draußen die Sonne schien. Das Bett grau schimmerndes Leintuch, ein zweites Leintuch mit gelben Flecken und eine Decke, die aussah wie ein alter Plüschteppich. "A little bit basic", gab Inder Ujjwal, der Hausherr zu. Kostet aber auch nur sechzehn Euro die Nacht. Hans freute sich über die Frischluft und über den Blick. Tatsächlich befanden wir uns vielleicht am höchsten Punkt der Stadt und über den balcony bot sich eine grandiose Aussicht auf die Dächer von Jaisalmer. Aber ich war ... "a little bit unhappy", wie Mr. Inder Ujjwal es formulierte. Das heißt, ich dachte mir: "Hier kann ich nicht bleiben!" Inmitten all des Schmutzes auf der Straße und der Menschen, die uns als Beute betrachten, brauche ich eine Rückzugsoase, in der ich mich entspannen kann. Und hier kann ich das nicht. Ich wollte gerade Hans um sein Handy bitten, um Mr. Ujjwal anzurufen, als er an die Tür klopfte und für das Einchecken um unsere Pässe bat. "Ich zahle Ihnen die drei Nächte hier, wenn Sie uns ein besseres Hotel besorgen können." Mr. Ujjwal war nicht überrascht und nicht beleidigt und nahm auch nur Geld für eine Nacht. "Ich werde sicher Gäste finden, manche sind froh über dieses Quartier", was ich gar nicht bezweifle, denn es hat auch seinen Charme, abgesehen vom Charme des vernünftigen Preises. Aber ich bin für "basic" Unterkünfte einfach zu verwöhnt .Mr. Ujjwal führte uns ins Dachrestaurant, wir bekamen Tee, und er entwickelte sofort den Plan einer desert-tour mit Jeep für uns, zirka 100 Dollar pro Person, drei Mahlzeiten, sunset und sunrise, a bit touristic und ein Stück nicht touristische Wüste und eine Übernachtung "Ja, ja, if you want, im Zelt, obwohl die meisten lieber unter den Sternen schlafen." Wir waren einverstanden und blätterten auch gleich die 200 Dollar hin. Daraufhin hängte er sich ans Telefon. "Aber übermorgen ist alles voll", beteuerte der Hotelmanager bei unserer Ankunft in diesem Fünfsternpalast Rang Mahal. "Dann wird es ein anderes gutes Hotel sein", versichert uns Mr. Ujjwal. Wir sollen das seine Sorge sein lassen. "Wir betrachten unsere Kunden als unsere Familie". Ich schaue etwas mißtrauisch. Als er den Reise Know How-Führer in meinen Händen sieht, blättert er darin und schlägt folgende Seite auf: "Einen seit Jahren guten Ruf in der Traveller-Szene hat der so genannte, allerdings auch etwas teurere `Mr. Desert´ (Adventure Travel Agency , Tel.: +91-2992-252558, 254260 (O), www.adventurecamels.com ), der meist in der Nähe des Eingangstores zum Fort auf Kunden wartet." Mr. Inder Ujjwal oder Mr. Desert mit Goldringen und Goldarmband, gut genährt und Besitzer eines Bikes wie Mr. Singh in Jaipur. Ein gut aussehender Mann, der sich dessen bewusst ist, eloquent und professionell. Er fragt mich, was wir beruflich machen. "I am a free lance journalist" , sage ich, "And Hans is in the computer branche." Überrascht merke ich, dass er das Wort "journalist" sehr wohl registriert. Kann nichts schaden! Er lieferte uns selbst mit dem Jeep hier ab. "Das Zimmer kostet 4100 Rupien, aber für uns gibt es a little discount", sagt er. Um fünf Uhr will er uns mit Jeep abholen, um uns die schönen Havelis, die berühmten Kaufmannshäuser von Jaisalmer zu zeigen. Wir trauen uns nicht abzulehnen, obwohl wir nach der Nacht im Zug sehr müde sind. Ich habe noch nicht geschrieben, dass sich hier
viele dunkelrote Bougainvilleas über Bäume und Büsche ranken.
Auch gestern sahen wir viele, besonders bei Amber und auf der Fahrt
dorthin.
9. Februar 2005, Mittwoch, JaisalmerWas anscheinend in Indien einmal kommen musste,
kam. Hans ist krank. "D´ Scheisserei", auf gut mühlviertlerisch. Ich
rufe um sieben Uhr früh Mr. Inder Ujjwal an. Er beruhigt mich, dass wir
sicher im Hotel bleiben können. An sich war ja geplant, dass wir heute in
der Wüste übernachten. Im Hotelgewerbe bzw. im Tourismus sehe ich fast
nur Männer. Einzig an den Rezeptionen in Agra und Jaipur waren Frauen
beschäftigt. Die beiden Rezeptionistinnen in Agra hatten kurze Haare, was
auch selten ist. Die meisten tragen ihre langen prächtigen Haare
zusammengebunden, geflochten oder aufgesteckt. Heute geht leichter Wind, das Fort von Jaisalmer
ist zu sehen. Gestern nachmittags kam plötzlich solcher Wind auf, dass die
Sandwolken Jaisalmer völlig zum Verschwinden brachten. "Im weichen und leicht zu bearbeitenden Sandstein Jaisalmers haben die muslimischen Handwerker wahre Wunderwerke filigraner Baukunst hervorgebracht, und man muss schon zweimal hinschauen, um zu erkennen, dass es sich tatsächlich um Steinmetzarbeiten und nicht um Holzschnitzkunst handelt." Jaisalmers Geschichte geht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Durch die zunehmende muslimische Bedrohung wurde 1156 der Rajputenfürst Jaisal gezwungen, seine bisherige Hauptstadt zu verlassen. Er errichtete auf einem steil aus der Wüste aufragenden Felsen seine neue Hauptstadt, und die wurde bald zu einem bedeutenden Stützpunkt an der Karawanen-Route zwischen Indien und dem Vorderen Orient. Immer wieder wurde die Stadt von muslimischen Eroberern überfallen. Eine Weile versank die Stadt in Bedeutungslosigkeit, aber gegen Ende des 16. Jahrhunderts konsolidierte sich das Verhältnis der Rajputen mit dem Mogul-Hof und die meisten der heute zu bewundernden Havelis stammen aus der Epoche des Wohlstands und des Friedens, die dann folgte. Bevor die Briten nach Indien kamen, war Jaisalmer reiche Handelsstadt. Die Engländer bauten ein Schienennetz aus, die Seewege wurden für den Handel wichtig und der Niedergang Jaisalmers war besiegelt. Zwei Faktoren verhalfen Jaisalmer in den letzten Jahrzehnten zu neuem Aufschwung: der Tourismus und seine strategische Lage zirka 200 km von der pakistanischen Grenze entfernt. Im Zuge der indisch-pakistanischen Auseinandersetzungen wurde Jaisalmer zu einem militärischen Vorposten. Das Schienennetz der Eisenbahn wurde in den letzten Jahren verbreitert. Ein weiterer Wirtschaftsfaktor ist, wenn ich Mr. Ujjwal richtig verstanden habe (das indische Englisch lässt immer Zweifel offen), dass Wüstensandstein von hier exportiert wird. Mrs. Gandhi sei da gewesen (ich glaube, die Rede war eher von Sonia als von Indira), und seither gibt es einen Abbruchstop für die wertvollen alten Gebäude. Inder führte uns auch in das Innere zweier solcher Prachtbauten, die sich rasch als Antiquitätenläden und Stoffhandlungen entpuppten. Wir kauften einen bunt bemalten hölzernen Ganesha, und schon jetzt tut es mir leid, dass ich den größeren ebenso gold- und bunt bemalten Krishna nicht erstanden habe. Gerade rief Inder an: "Hey Lin Heart, here is Inder. Do you need a doctor...?" Er könne uns kein Geld für den abgesagten Wüstenausflug zurückgeben, aber wir könnten "any tool" von ihm haben, das wir wollen, und wir können ihn "at any time" anrufen. Wir können heute im Hotel bleiben, und er hofft, morgen auch. Er habe den Hotelmanager noch nicht erwischt. Sonne hinter Wolken. Der Wind wird etwas heftiger. Unser Zimmernachbar kam auf die Veranda heraus, im weißen "Pyjama" (das ist ja angeblich ein indisches Wort).Vor unserem Hotel, das sich auch "Fort" nennt, verläuft eine verhältnismäßig gepflegte Strasse. In der Früh tobten in den Büschen und Bäumen die Vogelstimmen. Heute werde ich lesen und Post erledigen. Aha, aufgrund der indisch-pakistanischen Bruderkriege wurde Jaisalmer erst 1968 an das indische Eisenbahnnetz angeschlossen. Und eine Militärbasis wurde in der Nähe der Stadt stationiert. Dorthin flogen also die Düsenjäger, die gestern nachmittags über die Gegend dröhnten. Es ist mittags. Weil die benachbarte Inderin mit frisch gewaschenen Haaren auf die Veranda trat, machte ich es ihr nach. Jetzt fahren diese indischen Gäste ab. Alle sind in Jeans, auch die Frauen. Ein kleines Mädchen ist dabei. Sie fotographierten sich gegenseitig vor dem Hotel. Haikuversuch: Fort von Jaisalmer - Gelber Himmel, gelber Wind. - Ein anderer Stern. Gestern stürmte ins Suraya guest house, als wir gerade über unsere Wüstentour verhandelten, eine hübsche schlanke Frau herein, schwarz eingehüllt, mit blitzblauen Augen. Sie und andere Gästinnen schienen mit Inder sehr vertraut zu sein. Diese junge Frau war jedenfalls von einem Kamel heruntergefallen und hatte sich an der Hand verletzt. "Ich bin galoppiert und der Sattel ist verrutscht!" Sie zeigte uns ihre verbundene Hand. Inder besorgte mit seinem Handy die Bestätigung ihres Fluges von Delhi nach Paris. "Ich komme seit ein paar Jahren jeden Winter her!" Fragen, welche uns von den Indern
wirklich nur von männlichen Indern, ich kann mich außer in den
Hotelrezeptionen bisher an keinen Wortwechsel mit Inderinnen erinnern -
ständig gestellt werden Als ich den guide fragte, ob in dem Hotel, das
früher ein Palast des Königs gewesen war, heute auch "normale Leute"
wohnen, sagte er: "The king is also a normal person!" Nach einer Pause: "Today
the money is the king." Die Spannungen zwischen Pakistan und Indien um 2000 haben sich auf den Ort stark ausgewirkt, erklärt mir der junge Reiseführer. "Seither fliegen Jaisalmer keine Passagierflugzeuge mehr an, nur mehr einmal die Woche landet ein Flugzeug einer kleinen privaten Linie. Sonst nur Militärflugzeuge." Heute landeten diese zwischen vier Uhr und fünf Uhr am Nachmittag und flogen ganz niedrig an unserem Hotel vorbei. Gestern stiegen sie um diese Zeit auf. Rang Mahal und der Flughafen, das seien zwei Eckpunkte von Jaisalmer, sagte der guide heute nachmittag. Das Rang Mahal dürfte im äußersten Westen liegen. Jaisalmer hat zirka 40 000 Einwohner, 70 Prozent
seien Hindus, 30 Prozent Moslems. "Aber es werden immer mehr Moslems, weil aus
Pakistan auch Moslems nach Indien flüchten." Das erklärte mir mein
guide, als wir an einer Gruppe Männer im Kaftan und weißen
Käppchen, also Moslems, vorbeifuhren. Als die Engländer kamen, musste der Palast vom König geräumt werden, glaube ich. Der Palast türmt sich sehr hoch in die Luft, er hat sieben Stöcke, und besteht aus dem Harem der Queens mit glatter Fassade und wenig Fenstern - und dem Palast des Kings, mit zahlreichen reich verzierten Fenstern und Balkonen. "Aus politischen Gründen mussten die Könige immer viele Frauen heiraten", sagt mein guide. Im Palast ist heute ein Museum, das um sechs Uhr schließt. Daher haben wir es ziemlich eilig. Beim Eingang des Museums gibt es Schaukästen mit Zeitungsartikeln, unter anderem mit der "Ikone des Bollywood-Films" Amitabh Bachchan (Er gilt innerhalb und außerhalb Indiens als der größte Bollywood-Star überhaupt; oft wird auch behauptet, dass er mehr Fans auf der ganzen Welt habe als jeder andere Schauspieler, einschließlich der Hollywood-Größen. Seine Position und vielfältige Reisetätigkeit haben ihn im Ausland zu einem kulturellen Botschafter für das indische Kino gemacht. Ich habe ihn in dem Film "Kabhi khushi kabhie gham" gesehen). Man sieht ihn mit seiner Frau, die aus dem nepalesischen Königshaus stammen soll und sogar der König oder war es der chief-minister? begrüßte ihn. Die Dynastie von Jaisalmer existiert ununterbrochen seit 1156. Wo der König heute lebt, habe ich vergessen. Jedenfalls gab es im 14., 15. und 16. Jahrhundert große Kämpfe gegen muslimische Eroberer, zweimal Schlachten, vor denen sich alle queens im Rahmen des sogenannten Jauhar-Selbstmord-Rituals töteten bzw. von ihren Männern getötet wurden. Ich glaube, beim zweiten großen Angriff siegten die Leute aus Jaisalmer sogar. Aber die Frauen hatten sich schon umgebracht bzw. waren aus Zeitgründen umgebracht worden - aus Sorge, was ihnen die Moslems im Falle eines Sieges antun würden. In der Folge vertrugen sich die Moslems mit den Hindus, und ein Mittel, das dazu führte, waren gegenseitige Heiraten der Herrscherhäuser. Dann kamen die Engländer. Sie ließen die Kings an der Macht, aber nur als "Marionettenkönige", denn die Engländer bestimmten alles Wichtige. Jede politische Macht verloren die Kings dann mit der Unabhängigkeit Indiens 1947. Aber auch heute noch sind sie zum Teil sehr reich. Jaisalmer sei ein eher armes Königreich. Zuerst waren wir in der Waffen-Abteilung des
Museums, ich habe die Erklärungen vergessen. Beeindruckt hat mich der
Thronsessel des Maharaja aus reinem Silber. Der König von Jaisalmer komme
aus der Mond-Dynastie. Der Gott Krishna und die Göttin Durga
beschützen den König. Der schirmartige Baldachin über dem
Thronsessel symbolisiert Krishna. Zum Schluss, es war schon fast finster, noch kurz in die Königsvilla, die jetzt ein Nobelhotel ist. Hans geht es schon besser, zum Glück.
10. Februar 2005, Donnerstag, Wüste TharHeute war der Wüstentag die Fahrt mit Teju und dem
Chauffeur. "My younger son" - ich glaube, so hat sich Teju
Ujjwal einmal mir gegenüber bezeichnet, der Neffe des Inder Ujjwal, der
mir gestern den Königsplast gezeigt hat. Er führte uns auch heute
sehr ernsthaft und sehr nett. Er studiert Geschichte, Politikwissenschaft und
englische Literatur, zuerst in einem College in Jaisalmer, dann in Ajmer, zirka
500 km entfernt. Er hat die staatliche Fremdenführer-Prüfung, sagt
er, aber er macht diese Arbeit nur in den Ferien. Im April, wenn der
Fremdenverkehr in der Region sowieso zum Erliegen kommt, weil es zu heiß
wird, will er das College abschließen. Und sich dann in einer weiteren
Sprache, Spanisch oder Italienisch, eventuell in Gujarat oder in Bangalore,
weiterbilden. Sein Wunsch ist es, in den Staatsdienst einzutreten, zum Beispiel
als Lehrer. Aber 50 000 (?) junge Leute warten bereits auf einen Posten im
Staatsdienst. Derzeit stellt der öffentliche Dienst auf Computer um und
baut Beamte ab und/oder nimmt keine neuen mehr auf. Wenn der Staatsdienst nicht
möglich ist, will er vielleicht hauptberuflich Fremdenführer
werden. Mamiji ist in Hindi die Tante mütterlicherseits. Mamaji wäre der Onkel mütterlicherseits. "Ji" ist eine Höflichkeitsform, die man bei älteren Personen und Respektspersonen an den Namen anhängt. Normalerweise bin ich ja "Maam", und dieses "Mamiji" hat mich sehr familiär angerührt. Es hat mich gefreut, dass er mich mit einer solch indischen Anrede angesprochen hat. Im Deutschen gibt es eigentlich keine familiären Begriffe, die auch für Fremde angewendet werden, wie etwa im Japanischen, ich glaube auch im Russischen und eben in Hindi, Sprachen, in denen diese sprachliche Angewohntheit existiert, die irgendwie herzerwärmend ist. "Uncle rides Prime minister", sagte Teju. "Prime Minister" ist der Name des Kamels. Kamele werden zirka sechzig Jahre alt, erzählt mir Teju (haben also ungefähr dieselbe Lebenserwartung wie die Menschen in Indien, siehe http://www.ipicture.de/daten/demographie_indien.html Prime Minister und seine Kollegen sind zirka dreißig Jahre alt. Wenn sie jung sind (zehn Jahre), sind sie stürmischer, nervöser als im erwachsenen Alter. Unter einem Alter von fünf Jahren soll man sie nicht reiten, denn sonst bricht etwas was, verstand ich nicht. Ich musste zwei Kamele streicheln, unter anderem das Junge. "Der Chauffeur", sagte Teju, "kann die Kamelsprache. Wenn es ein Problem gibt, versteht er immer, was die Kamele wollen." Der Höhepunkt des Tages war, als es ums Kamelreiten ging. Da war die Stimmung am lockersten. Ich ließ mich trotzdem nicht zum Aufsteigen überreden, aber Hans ritt, und es gefiel ihm ganz gut. Allerdings bekam er nach zirka zwanzig Minuten einen Krampf in den Oberschenkeln. Es gibt keine Steigbügel, in die man die Füße einhängen und dadurch stützen könnte. Davor gab es das Essen. Es war gegen drei Uhr
nachmittags. Zwei oder drei Männer hatten es schon vorbereitet, als wir
ankamen. Sie kochten praktisch im Wüstensand. Auf einer Aluminiumplatte
wurden uns ein "milder" Eintopf mit Kartoffeln, Karfiol und anderen
Gemüsen und frisch gebratenes Nan, das herrliche Fladenbrot, serviert.
Alles schmeckte köstlich, vielleicht das beste Essen in Indien bisher. Das
scharfe Linsengericht und eine zweite Portion mussten wir aber ablehnen, obwohl
uns Teju fast inständig bat, noch mehr zu essen. Zum Abschluss gab es den
süßen indischen Milchtee. Das Geschirr rieben die Köche mit
Sand aus, beobachtete Hans. Wheat, also Weizen, wächst in der Wüste nicht. Im ersten Dorf, in dem wir waren, wurde gerade Weizen angeliefert und verteilt bzw. verkauft. Wir konnten die Szene nicht fotographieren, weil die Dorfkinder sich ins Bild drängten. Ein alter Mann mit Turban saß mit überkreuzten Beinen am Boden, hatte ein Heft in der Hand, in das er schrieb, und eine altmodische Wage vor sich. Rund um ihn scharten sich die Dorfbewohner. In dem ersten Dorf, in das wir vor dem Essen geführt wurden, bedrängten uns eine rasch zunehmende Anzahl von Kindern, die von uns "choklit" oder "pen" oder "rupies" forderten.Was die Frauen anlangt, so herrsche hier noch das "indoor-system", sagte Teju also das Purdah-System. Deswegen gebe es bei den Anwesen auch ein Gästehaus, in das fremde Männer geführt werden. Frauen bedecken ihr Gesicht nach der Heirat mit dem Schleier. Frauen müssen sehr hart arbeiten, von
fünf Uhr früh bis zehn Uhr, elf Uhr nachts. Männer machen
ich glaube, Teju sagte agriculture bis elf Uhr vormittags oder so. Dann
sitzen sie, spielen, nehmen Opium zu sich. Ob sie das rauchen, trinken oder
essen, weiß ich nicht. Die Frauen machen alles, vom Wasser und Brennholz
beschaffen für das Haus bis zum Wäschewaschen, und arbeiten
zusätzlich auch in der Landwirtschaft. Hier in der Wüste Thar wohnen die Rajputen, die Angehörigen der früheren Kriegerkaste. Vor dem Gesetz gibt es das Kastenwesen nicht mehr, aber in der Realität ist es noch wirksam. Die Rajputen betreiben heute Landwirtschaft. Ihnen und den "untouchables", die wir aber nicht zu Gesicht bekamen, wurde das Wüstenland hier zugeteilt. "Wollen Sie die Schule sehen?" fragte Teju. Ja. Die Schule ist ein neues ebenerdiges Ziegelgebäude in der Form einer länglichen Schachtel. Es gibt fünf Klassen. "Mädchen besuchen meist nur die Pflichtschule, Buben gehen öfters noch weiter zur Schule." Die Kinder hatten gerade Mathematik-Unterricht, Englisch und das dritte war vielleicht Hindi. Sie saßen alle am Boden. Für Lehrerinnen und Lehrer wir sahen zwei Frauen und einen Mann ist jeweils ein Stuhl bereit gestellt. "Die Lehrer kommen jeden Tag von Jaisalmer hierher." In jeder Klasse gab es eine Tafel an der Wand. "Die Schulsachen kriegen die Kinder vom Staat", sagte Teju. Und auch das Essen. Hinter einer Tür standen Schüsseln mit einem Getreidebrei. "Das ist gut für das Gehirn", sagte Teju. "Was sollen wir den Kindern geben, Geld?" "No, sweets." Wir hatten keine Süßigkeiten oder andere Geschenke mit, aber eine Lehrerin beschämte uns, indem sie uns "goodsies" anbot. Am beeindruckendsten war für mich das Bauernhaus mit den bunt gekleideten Frauen. Hans ritt auf dem Kamel mit seinem Führer dorthin und erwartete uns schon, aber wieder abgestiegen. Wir kamen mit dem Jeep. Die ältere Frau hatte die Arme voll mit den hier üblichen Armreifen - früher anscheinend Elfenbein, heute Plastik, doch das weiß ich nur aus dem Buch von Hans Silvester, ich fragte nicht. Die ältere hatte ihren gelben Schleier über das Gesicht gezogen, die jüngere, orange gekleidete, zeigte ihr Gesicht freimütig. Um die jüngere Frau scharten sich sieben Kinder. Wir bekamen nicht heraus, ob die alle von ihr waren.Wieder große Aufregung der Kinder. Mr. Ujjwal schickt sicher oft Touristen zu diesen Leuten, aber am Grad der Aufregung hätte man meinen können, wir wären die ersten. Wir wurden in die kreisrunde Hütte aus Lehm mit Strohdach geführt. Sogar am Tag war es fast finster drinnen. Eine Feuerstelle, Gerätschaften. Wo schlafen all diese Leute? In dieser Hütte. Das Anwesen bestand aber aus mehreren Hütten und Dächern, unter denen Liegeplätze zu sein schienen. Ein kreisrunder Metallrost wurde aufgehoben, einige schwarze Zicklein sprangen heraus. "Das Kalb ist erst heute geboren", erklärte Teju und zeigte auf ein Kälbchen, das wackelig an seiner Mutter Milch zutzelte. Sogar eine kleine graue Katze lief herum und setzte sich unter den Jeep. Katzen als Haustiere seien aber eigentlich ungewöhnlich, erfuhren wir. Fotos aller Zusammenstellungen wurden gemacht, die beiden Frauen im knallgelben und im knallorangen Gewand, ich mit meiner knallblauen Windjacke in ihrer Mitte. Die Frau ohne Gesichtsschleier wies mich auf ihren Schmuck hin, Nasenschmuck, Stirnschmuck, Ohrschmuck, und sie zog aus ihrem Ausschitt einen riesigen prächtigen Anhänger. Ich bewunderte alles sprachlos. Dann drängten sich alle - die jüngere Frau und die Kinder - zu Teju und mir hinten in den Jeep. Hans saß immer neben dem Fahrer. Teju hatte uns gefragt, ob es ok sei, wenn die Leute ein Stückchen mitfahren. Wir ruckelten über die Sandpiste zum nächsten Dorf, wo die Frau und die Kinder zu einer Hochzeit gingen, die morgen stattfinden sollte. In dieses Dorf führt bereits eine Stromleitung. Wieder wurden wir in einen Hof hineingeführt. Hier saß ein geschmückter junger Mann, der morgen heiraten sollte, umgeben von seinen Freunden. Mit uns strömten ungezügelt Kinder herein, die uns körperlich dicht bedrängten. Ein Mädchen versuchte mir meinen Ehering vom Finger zu ziehen. Ich wollte die Kinder nicht ungerecht verdächtigen, aber ich hatte Angst um die Geldbörse in Hans´ Hosentasche. Hans wurden sofort Bidis angeboten, wieder sollten wir Tee trinken und entkamen dem irgendwie. Fotos wurden gemacht und ich strebte hinaus. In den Wüsten-Dörfern liegen die
ebenerdigen Häuser weit auseinander, sie sind entweder aus Lehmziegeln und
Kuhdung in surrealistischen weichen Formen oder zackig schachtelartig aus
gebrannten Ziegeln gebaut. Im Hof neben dem mit den Männern drängten
sich rotgekleidete Frauen und viele Augenpaare verfolgten uns über eine
Mauer hinweg mit den Blicken. Es war mir nicht mehr angenehm. Eine schwarze Kuh
geriet aus der Fassung. Ich bekam mit, dass Teju uns in noch ein dicht
bevölkertes Haus führen wollte. "Ich möchte zurückfahren",
sagte ich. "Die Wüste ist ein Nationalpark", sagte
Teju. Oder ein Naturreservat. Tiere: Wüstenfuchs, Gazelle,
Streifenhörnchen, Mäuse, Vögel, Hühner. "Im Frühling
und Sommer gibt es auch Reptilien. Die Schlangen sind jetzt unter der Erde",
erfuhren wir. "Nur manchmal kommen sie herauf, am Nachmittag, wenn es warm
ist." Wir saßen gerade beim Essen auf einer blauen Decke, und eine
sandgetrübte Nachmittagssonne wärmte die Luft. Die Jain-Tempel, die wir besuchten, sind aus Sandstein und mit herrlichsten Reliefs und Zierraten versehen. Offensichtlich werden in diesen Jain-Tempeln auch Hindugötter verehrt. Aber an sich kennt der Jainismus keine Götter, sondern verehrt "teachers". "Es gibt weiße und schwarze Lehrer." Darunter sind auch einige Frauen. Um den Kopf der schwarzen winden sich 1000 Kobras. Teju erklärte uns immer wieder den Unterschied zwischen der Moslem- und der Hinduarchitektur. Die Jain-Tempel vermischten die Elemente. Hindu-Bauwerke haben die Reliefs aus dem Stein gehauen, die islamischen in den Stein, die Moslems haben nur Pflanzenornamente, die Hindus Tier-, Menschen- und Götterdarstellungen. Halbrund sind die moslemischen Torbögen, während die hinduistischen in einer Art Dreieck zusammenfinden. Auch in Bada Bagh, bei den Kenotaphen der Herrscher von Jaisalmer, begegneten wir einer Hochzeitsgesellschaft. "Für die Leute ist der König immer noch ein Gott, obwohl er das eigentlich nur bis 1950 war", erklärte Teju. "Mit der Unabhängigkeit Indiens ist der König ein normaler Mensch geworden. Aber Hochzeitspaare kommen noch immer hierher und bitten um Glück für ihre Zukunft." Die bunte Gruppe ließ sich bereitwillig fotografieren. Die Kenotaphe für die Maharaja-Familie bestanden jeweils aus einem großen Pavillon für den König und kleinen Pavillons für die Königinnen. "He was a happy man, he had only one queen", bemerkte Teju bei einem Grabmal. Der älteste Sohn der Hauptfrau organisierte jeweils die Denkmäler für die toten Eltern, und naturgemäß stellte er oft seine Mutter besonders heraus. Von den Kenotaphen aus schweift der Blick über eine Windfarm mir 100 Windrädern. Eine Schweizer Firma hat den windmills-plant (Windfarm) zur Stromerzeugung in der Wüste Thar eingerichtet. Auch die Firma ENRON und eine holländische Firma betätigten sich hier auf diese Weise. Es sah eigenartig aus, die Growiane als Hintergrund für die Grabmäler der Herrscher von Jaisalmer. Heute müssen wir in einer Suite um 7000
Rupien schlafen, weil "unser" Zimmer vorbestellt war! Viel zu groß,
ungemütlich, und für Hans ist das Bett zu kurz. Aber das Personal ist
ausgesprochen nett. Es erfüllt jeden Wunsch, zum Beispiel bürsteten
die Buben die sandverpickte Barbourjacke von Hans. Kellner und Boys erkundigten
sich mehrmals, ob es Hans schon wieder besser geht. Und einer der Kellner, der
uns beim Abendessen am ersten Abend betreute, entschuldigte sich am zweiten
Abend: "Es sind so viele Gäste hier, ich konnte mich Ihnen nicht so widmen
wie ich sollte." Heute scherzte und plauderte er wieder mit uns und gab Hans
Ratschläge für magenfreundliche Speisen. Wir haben Teju versprochen, uns darum zu kümmern, wie der Baum mit kleinen lila Blüten und einer giftigen weißen Milch heißt. Vielleicht weiß das einer der Experten in unserem Waldforschungszentrum. 11. Februar 2005, Freitag - Fahrt von Jaisalmer nach JodhpurI left my heart in Jaisalmer ... Gibt es Öl in Indien? Ein Ort - verschleierte Frauen, ein Markt,
Schmutz. Schwarze Öffnungen zu den Geschäften, Tuktuks, Kühe.
Viele Moslems, jedenfalls Männer mit weißen Kappen. Jausenstation. Eine indische Familie rastet ebenfalls hier, zwei Söhne und zwei Töchter, Saris in blau und in rot. Sie fahren auch mit Chauffeur. Wie es bei uns Fasane oder Rebhühner gibt, so gibt es hier Pfaue.Eigentlich ist das Waldweide, was die Tiere hier machen. Sie ernähren sich alle von den Büschen der Wüste. Lustig schaut es aus, wenn schwarze Ziegen sich stehend an dem Blattwerk von Büschen gütlich tun. Frauen schöpfen Wasser bei einem Brunnen in
der Nähe der Straße, ein buntes Bild. "Busstation": Eine Art Jeep, voll mit stehenden Leuten, hält. Zwei Männer im Sakko erheben sich vom Straßenrand auf und versuchen, einzusteigen. Eine große Menge Frauen in schönster bunter Kleidung graben rechts von der Straße in der Erde. "Here dam, water dam, working", sagt unser Fahrer. Ein Esel überquerte die Straße. Es geht jetzt schon die längste Zeit bergab. Liegt die Wüste Thar so hoch? Sind das die Aravalli-Berge? Gerade sahen wir am Straßenrad "deer", kleine Tiere, wie Rehe, mit zwei steilen geraden Hörnern. "Indian animal", sagt der Fahrer. Jetzt sind schon Bäume an der Straße. Und es gibt vulkanische aussehende Berggupfe. Kleine Dörfer mit blauen Häusern. "Bharat Petroleum" stand auf dieser Tankstelle. "Bharat" heißt wie schon gesagt Indien. Auf einem Auto stand zu lesen: Safe oil, safe India. Der Kaylana-See. Der Fahrer setzt uns hier ab. Ein Restaurant, junge Leute. Endlich ein See, in dem Wasser ist. Jodhpur nimmt das Trinkwasser von diesem See.Jodhpur(mehr dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Jodhpur) Abends. Wir sitzen jetzt im Hotel Shree Ram
International im Restaurant. Hans hat soeben seine Suppe
bekommen. Rückblick auf den heutigen Tag. Während ich auf der Toilette war, dokumentierte Hans den Kampf zweier Bullen mit seiner Kamera. Um Jodhpur herum recken sich wilde Felsen in den
Himmel. Auf solch einem steht das Meherangarh Fort. Unser Fahrer, der in Jodhpur zu Hause ist, beschwor uns, vor dem Fort das Jaswant Thada, das Grabmal des 1895 verstorbenen Maharajas Jaswant Singh II, zu besuchen., Die Sonne schien, die Bougainvilleas leuchteten rot, der Himmel war blau und die Häuser der Stadt schimmerten blau herauf. Die Welt war in Ordnung. Übrigens hat das romantische Blau der Altstadthäuser von Jodhpur profane Gründe. Ursprünglich waren die Häuser mit Kalk geweißt, bis man entdeckte, dass ein Zusatz aus giftigem Kupfersulfat die allgegenwärtigen Termiten fernhält, und dass die so entstandene Blautönung die Hitze erträglicher macht (Indien. Die schönsten Bilder, Herausgeber Peter-Matthias Gaede, Geo im Verlag Gruner + Jahr & Co KG, Hamburg, 2004). Das Meherangarh-Fort ist sagenhaft. Riesig türmt es sich auf einem zirka 500 Meter hohen steilen Felsen auf. Anscheinend vermarktet es die Maharaja-Familie selbst, und die macht das mustergültig. Lift, Audioguides in verschiedenen Sprachen. Leider musste Hans dafür seine Visakarte einsetzen, weil unsere Pässe im Hotel waren. Das Museum im Fort erstreckt sich über sieben Stockwerke. Fürstliche Sänften und fürstliche Wiegen, mit Elefanten und Löwendarstellungen. Wunderhübsche Miniaturmalereien wurden ausgestellt. Rajasthan ist ein Eldorado der Miniaturmalerei. Jede Gegend hat ihre eigene Spezialität. (Miniaturmalerei: http://www.aeiou.at) Höhepunkt waren die Säle, in denen sich der Maharaja und seine Freunde vergnügten, wo Musik, Dichtung und Malerei zusammengeführt wurden und eine Pracht ohnegleichen herrschte. Durch die großen Fenster freier Blick auf das weit weit unten liegende Jodhpur. Woher das Geld für den Luxus kam, wird nicht angeführt. Schließlich erfuhr man auch einiges über das Purdah-System, das Einsperren der fürstlichen Frauen. Sie durften ihren Teil des Palastes nie verlassen. Im Audioguide erzählte die alte Fürstin, wie sie mit 16 Jahren in dieses System eintrat, das dann abgeschafft wurde. Auch ihre Schwiegertochter kam zu Wort. Heute hat die königliche Familie unter anderem einen Verlag, mit dem die Schätze des Forts ans Publikum gebracht werden, berichtete die Schwiegertochter. 12. Februar 2005, Samstag - Fahrt von Jodhpur nach UdaipurEin Liter Benzin kostet 28,43 Rupies, also zirka
einen halben Euro. Nachtrag zu "Jesselmer": Dort waren gerade
Gemeinderatswahlen. Teju sagte, es gebe praktisch nur zwei Parteien, die
Kongreßpartei und die nationalistische hinduistische Partei, die Bhartiya
Janta Party (BJP). Anscheinend war das letzte Wahlergebnis sehr knapp und man
wartete mit Spannung auf das Ergebnis dieser Wahl. Gestern abends ging es noch zu in unserem Hotel. Rechts und links vom Hotel wurde auf den Rasenflächen je eine Hochzeit ausgerichtet. Ein Augenschmaus für Westler. Als wir nach dem Abendessen auf den Platz vor das Hotel traten, war dort alles in Bewegung. Die Bäume mit Lichterflor versehen, Lichtergirlanden überall. Elegante Privatautos und Taxis fuhren vor und luden wunderschön gekleidete Damen und elegant gekleidete Herren aus. Zu Festen tragen die Inderinnen offensichtlich einfärbige Saris in leuchtendem Blau, Grün, Rot oder Violett mit breitem goldenen Saum. Hans holte seine Kamera. Wir kamen uns aber etwas deplaziert vor, in unseren Jeans und mit unseren neugierigen Blicken. Auch viele Kinder waren anwesend, und drei Buben kamen bald auf uns zu und fragten, woher wir seien. Wir mußten sie fotografieren und fragten, wie alt sie seien: 14 und 15 Jahre alt. Dann zogen wir uns zurück. Jetzt sind wir in einer Stadt namens Pali (im Internet lese ich, dass es sich um "die Färberstadt Pali" handelt). Sehr viele Lastwägen. Im Auto ist es heiß, aber leider: "The AC is broken", konstatierte der Fahrer. Das heißt, dass die Klimananlage des Autos kaputt ist. Für dieses Auto mit AC (ausgesprochen "äischi") haben wir einen speziell hohen Preis gezahlt! UdaipurIn Udaipur (mehr dazu:
http://de.wikipedia.org/wiki/Udaipur). Im ausgetrockneten See weiden Kühe, Hunde laufen herum, Bewohner kürzen den Weg in die Altstadt ab. Hier scheint es viel wärmer zu sein als bisher. Den ganzen Tag hatten wir einen blauen Himmel, eine Novität. Nach der Ankunft tranken wir auf der DachterrasseTee. Das war sehr schön. Wieder einmal das auf dieser Reise nur punktuell auftretende Gefühl, im Urlaub zu sein. In unserem Zimmer hängt ein sibirisch aussehender Tiger an der Wand. Ich ließ die Betten frisch überziehen. Die Boys legten sich mit ihren schwarzen Straßenschuhen auf die Matratze, die den Balkon ausfüllt und breiteten auch dort ein frisches Leintuch drauf. Der Strom flackert. Wir duschten und ich musste an den Wassermangel in der Stadt denken! Von draußen kommt Gesang herein - es scheint, dass eine Konkurrenz zwischen Moschee und Tempel herrscht, wir hören die hallende Stimme des Muezzin und hinduistische Gebete. Seit unserer Ankunft begleiten uns Lieder und Gesang wie eine bestellte Hintergrundmusik. Auch in Delhi am Connaught Place und in Jaipur im Hotel Mansingh Palace nahe der Hauptverkehrsader, der Mirza Ismail Road, wurde uns dieses Lokalkolorit als musikalisches Service geliefert. Was war sonst heute? Der Fahrer holte uns mit einer halbstündigen Verspätung im Hotel Shree Ram ab. Ich überlegte schon wieder einmal Alternativpläne für den Fall, er würde gar nicht auftauchen. Nach zirka zwei Stunden Fahrt Jause mit Spinatkartoffeln und Chapati. Ein Hochzeitspaar rastete ebenfalls hier, sie kamen in einem weißen Auto. Der Bräutigam in dunkelrotem Seidenhemd und weißem Anzug, die Braut in einem roten Crepe-Sari. Zwei, drei Burschen begleiteten sie auf ihrer Hochzeitsreise. Die Braut sah bedrückt aus und schwieg. Die nächste Station war Ranakpur (mehr dazu) "Zusammen mit dem Dilwara-Tempel in Mount Abu gehören die Tempel von Ranakpur zum Schönsten, was die Jain-Kunst je hervorgebracht hat und damit zu den beeindruckendsten Sakralbauten Nordindiens. Bereits der erste Eindruck der Marmorbauten vor der Bergkulisse, zusammen mit den großen schattenspendenden Bäumen, den lilafarbenen Bougainvilleas, den frechen Affen und den umherstolzierenden Pfauen, nimmt einen sofort für den Ort ein" (Reise Know How-Rajasthan).Bei unserem Besuch fehlten nur die Pfauen aus diesem Bild. Der Jain-Tempel ist aus weißem Marmor, aber dessen Weiß ist nicht so weiß wie der Marmor des Taj Mahals (vor einer Woche!). Alles ist voll Reliefschnitzereien, und der Tempel ist riesig groß. Eingang und Decken sind mit Weihnachtskugeln bespannt, auf der Stirnseite der Stufen ist buntes Staniolpapier angebracht. Es gab nur wenige Bettler, außer den Mönchen, die einem eine orange Paste als Begrüßungssegen auf die Stirn knallen und dafür wenn möglich Euro einheimsen wollen. Beim ersten ließ ich das über mich ergehen, dann aber wehrte ich immer entschiedener ab. Insgesamt war der Stop in Ranakpur schön, geruhsam und die Stimmung dort trotz vieler Touristen ruhig und gelassen. Dann ging es weiter, auf einer schönen bis
"entrischen" Bergstraße über die Aravalli-Berge neunzig
Kilometer bis Udaipur. Wir fuhren durch viele Dörfer und an vielen
Bauernhäusern vorbei. Wieder einmal hätte allein diese
zweistündige Fahrt Material für einen ganzen Bildband hergegeben,
aber wir machten kaum ein Foto. Hans sagt, die Landschaft habe ihn stark ans
Mühlviertel erinnert, weil sie hinter jedem Eck anders ausschaute. Die
Frauen arbeiteten wie überall in ihren prächtigen farbenfrohen
Gewändern. Unter anderem sahen wir, wie ein Mann auf altertümliche
Weise Wasser schöpfte, indem er mit einem Ochsen im Kreis ging. Nach dem Abendessen saßen wir noch auf der Dachterrasse. Im Buch "Zeit für Indien", das für meine Sehnsucht nach Udaipur hauptverantwortlich ist, liest man: "Doch von den Balkongalerien des `Lake Pichola Hotel´, die jedem Gast seinen eigenen kleinen Aussichtsplatz bieten, ist der Ausblick zur Nachtzeit vielleicht am schönsten? Längst haben die Wäscherinnen direkt gegenüber am Gangaur-Ghat ihre Arbeit eingestellt, das rhythmische Geräusch der auf die Stufen geschlagenen Wäsche ist verstummt. Nur manchmal läutet stattdessen ein Tempelglöckchen, heftig und unmelodisch. Lackschwarz glänzt der See, spiegelt blinkend die Lichter der Altstadt, und kleine Boote bringen die Gäste heim zum Landeplatz des `Lake-Palace´ Hotel." Romantisch blinkten die Lichter des City Palace auch ohne See zu uns herüber. Aber die Moskitos, die vom Seeboden heraufschwärmten, vertrieben uns. Direkt gegenüber vom Hotel fanden wir ein Internet-Büro, von dem aus wir unsere Emails versandten. Der Abendspaziergang endete schneller als geplant. In der Nachbarschaft befinden sich zwei Hotels. Rikschafahrer, Bettler und Andenkenhändler versammeln sich bei dieser Hotel-Agglomeration und überfallen einen, sobald man ins Freie tritt. Die Straßen in der Hotelumgebung sind nicht sauberer als sonstwo, bevölkert mit streunenden Kühen, streunenden Hunden und streunenden Bettlerkindern, und die engen Gassen schauen im Dunklen nicht sehr vertrauenserweckend aus. Allerdings aßen sehr wenige Hotelgäste im Hotel, das bedeutet, dass ein Spaziergang in ein anderes Restaurant sehr wohl möglich sein muss. Den ersten wirklichen untouristischen Lastelefanten haben wir übrigens hier gesehen, knapp vor Udaipur. Hans sagt, er habe in freundlicher Grußmanier den Rüssel gehoben. Leider schaute ich gerade auf die andere Straßenseite. |
Ruth Linhart | Reisen | Anfang | Fotos | Email: ruth.linhart(a)chello.at |