Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE POLEN

O. U. 29. April 1941

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Kommentar

Wenn Du diesen Brief erhalten wirst, wirst Du schon im Besitz meines Briefes vom 27. April 41 sein. Ich mußte leider diesen Brief frühzeitig abbrechen, da mir sowohl die Tinte im Füllhalter als auch das Licht ausging. Mit dem Licht ist es überhaupt sehr schlecht bestellt. Elektrisches Licht gibt es keines, Petroleumlampen sehr wenig und Kerzen sind alle aufgekauft. Wenn also im Zimmer eine Kerze brennt, so gehört sie meistens demjenigen, der dahinter sitzt und ein anderer hat natürlich kein Recht, dieselbe nur ein Stück zu verschieben oder gar wegzunehmen.
Heute haben der Hauptfw. und ich eine Petroleumgaslampe in Schwung gebracht und wir haben bis jetzt 20 Uhr daran gearbeitet. Der Lohn blieb nicht aus und ich sitze jetzt in der hellerleuchteten Stabsschreibstube und werde von allen ob des herrlichen Lichtes beneidet.
Das Wetter ist hier bei uns auch ganz scheußlich. Dabei haben wir nichts zum Heizen und heute mußte leider eine Schulbank daran glauben, daß sie eben bessere Dienste tut, wenn sie in den Ofen wandert, als am kalten Flur herumzustehen.
Unser Dorf ist derart verschmutzt, daß der Major angeordnet hat, die Straßen vom ärgsten Schmutz zu befreien und Schotter hinzuführen. Dabei müssen die Juden beiderlei Geschlechts gemeinsam mit den Soldaten fest zupacken, um ihr Dorf in einen besseren Zustand zu bringen. Am 1. Mai soll ein Maibaum vom Militär aufgestellt werden und die Reg.Musik wird dazu spielen. In Münsterberg ist von uns niemand mehr. Die Bilder für die Ausstellung hat gestern die Division von mir abverlangt. Vom Reg. wurde heute telefonisch durchgegeben, daß ich für "große Verdienste um die Fotoausstellung", welche bis jetzt nicht stattgefunden hat, Rm. 50.- zuerkannt bekommen habe. Im Stab bei uns ist alles in Ordnung und ich habe nach wie vor eine ganz große Nr. Meine Planstelle lautet nun "zur besonderen Verwendung". Mir kann es recht sein, mit Fotoarbeiten will ich nichts mehr zu tun haben.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen