Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE MÜNSTERBERG

Wien, 28. Februar 1941

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Kommentar

Vater verständigte mich am Telefon, daß Du ihn angerufen hast und Dich bei der Gelegenheit äußertest, als ob Du mich für morgen, Samstag, bestimmt erwarten würdest. So dringend ist die Sache, glaube ich, doch nicht. Es bleibt dabei, daß ich unbedingt und auf alle Falle komme und zwar dann, wenn Du mich rufst - wobei ich mich auf Dich verlasse, daß Du meinen Herzenswunsch, wenn irgend möglich - berücksichtigst. Ansonsten kann ich zu jedem Zeitpunkt kommen und Bürorücksichten nehme ich diesmal nicht.
Und nun zu Deinen sonstigen Fragen: Die Aussicht, durch Dich Mohn zu 1 Mark das Kilo zu bekommen, hat bei meiner Mutter und Herma helle Begeisterung erweckt. Wenn Du ihn also bekommst, dann kaufe unbedingt 5 kg oder noch mehr. An Seidensachen habe ich Interesse für Strümpfe, Größe 9, gangbare Farben und zwar höchstens 3 Paare, aber wirklich nicht mehr und eventuell eine fertige hübsche Bluse aus Seide oder Waschstoff und vielleicht Lederhandschuhe, wenn dazu Gelegenheit besteht. Für Kleider brauche ich keinen Stoff, eher für eine Art Dirndlkleid. Waren Schuhe oder Überschuhe auch zu haben? Aber bitte das alles nur, wenn Du damit niemandem, am wenigsten Dir selber, irgendeine Unannehmlichkeit machst.
Ansonsten, liebes Spatzili, bin ich schon sehr traurig, wenn ich an Dein Wegkommen denke. Wenn ich nur noch die Möglichkeit hätte, das Kind von Dir zu empfangen, dann wäre ich mit einem Trost und einer innerlichen Erwartung ausgefüllt, daß mir die äußeren Dinge nichts anhaben könnten.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen