Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND II

Wien, 27. Mai 1943

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Kommentar

Gestern habe ich bereits den Bezugschein für das Holz bekommen. Heute habe ich auch einen Brief aus Bregenz von Fannys Schwester bekommen, wo sie mir schreibt, daß am 22. Mai Fannys Verhandlung gewesen ist, und zur größten Überraschung aller Beteiligten lautete das Urteil auf 5 Jahre Gefängnis und drei Jahre Ehrverlust. Niemand hat auf ein so hartes Urteil gerechnet, wo doch ihr Chef und auch der Verteidiger sich so für sie eingesetzt haben. Sie wird jetzt ins Altreich kommen, aber man weiß noch nicht wohin. Ich kann Dir gar nicht beschreiben, wie entsetzt und unglücklich ich bin. Hoffentlich überlebt sie das alles.
Von Lola erhielt ich heute auch wieder einmal ein Lebenszeichen, aber ich kann eigentlich nicht daraus entnehmen, wie es ihr geht. Jedenfalls nicht zum besten, wie man sich denken kann.
Durch eine behördliche Verfügung wurde jetzt angeordnet, daß alte Dachböden absolut zu räumen sind und daß auch die Bretterwände, die die Bodenabteile der einzelnen Parteien trennen, sowie auch die Türen abzumontieren sind. Die Frist ist bis 30. Juni. Die Bretterwände und Türen werden abgeholt und weggeführt. Bei meinen Eltern im Haus wird schon nächste Woche damit begonnen, und zwar müssen das die Parteien selbst machen.
Ich habe keine Ahnung, was ich mit den vielen Sachen, die wir auf dem Boden haben, anfangen soll?


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen