Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE MÜNSTERBERG

Münsterberg, 25. September 1940

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Kommentar

Wir sollen jedenfalls noch einige Zeit hierbleiben und man spricht auch davon, daß wir hier über Winter bleiben sollen. Spatzilein, ich habe eine herrliche Idee. Wenn Du mit mir sprechen willst, so könntest Du einmal nach dem Büro zu meinem Vater gehen und ich würde von hier anrufen. Du mußt nur den Tag so bestimmen, daß Du mindestens drei Tage Spielraum läßt, damit ich mich danach richten kann. Es ist so furchtbar traurig, immer so allein zu sein.
An Ereignissen gibt es ja hier nicht viel. Ein Kino, ein paar Gasthöfe und Cafes und wir sind schon fertig. Ich gehe fast nie fort, nur an schönen Tagen mache ich kleine Spaziergänge. Ins Kino gehe ich nur, wenn man einen halbwegs gescheiten Film spielt. Allzu wählerisch darf man allerdings nicht sein. Das Kino ist sehr scbön und ganz neu.
Schicke mir übrigens alle Filme, welche ich jetzt im Urlaub zu Hause gelassen habe. Wir sitzen alle herum und schauen uns gegenseitig an. Wir haben hier im Hotel eine sehr nette Frau Wirtin und sie kocht uns immer sehr feine Sachen. Essen tun wir den Tag fünf- und sechsmal. Täglich gibt's im Hotel außerdem Eisbein, gebratenes Huhn oder Enten (alles ohne Marken). Die Preise sind angemessen. So schlemmen wir also dahin und schlagen die Zeit tot.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen