Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE POLEN

Wien, 25. April 1941

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Kommentar

Heute war ich bei Ludwig in Behandlung. Mit dem Haus in Laaben haben sie große Sorgen, da es noch immer nicht fertig ist und auch vorläufig gar nicht daran gearbeitet wird, da für reine Privatbauten keine Baubewilligung gegeben wird. Der Architekt, dem sie das ganze übergeben haben, ist auch eingerückt und so geht in der Sache gar nichts weiter.
Ich habe Dir schon in meinem gestrigen Brief geschrieben, daß Hansl für 14 Tage auf Urlaub zu Hause ist. Er ist jetzt als Ingenieur im Range eines Oberleutnants und hat eine sehr schöne Karriere vor sich.
Wenn ich so etwas höre, dann bin ich immer sehr unzufrieden, wenn ich sehe, wie alle anderen vorwärtskommen und es ihnen gut geht, während bei uns immer alles beim alten bleibt und wir trotz unserer Ehrlichkeit und Anständigkeit keinen Schritt weiterkommen, Du bist auf einem toten Posten und ich kann immerzu ins Büro gehen und eine schwere und verantwortungs- volle Arbeit machen, ohne daß derzeit eine große Aussicht besteht, daß sich bei uns bald etwas zum Besseren wendet. Ich habe daher den Entschluß gefaßt, noch mehr zu sparen, sodaß, wenn Du zurückkommst, wir wenigstens etwas erspartes Geld haben und uns ein bißchen rühren können. Aber nach dem Krieg bestehe ich unbedingt darauf, daß Du sehr sehr viel Geld verdienen mußt, denn wir haben schließlich mindestens 10 versäumte Jahre einzuholen und ich habe den Wunsch, daß es uns einmal absolut gut gehen soll.
Und Dich würde ich auch gerne bitten, unbedingt zu trachten, Deine Position doch irgendwie zu verbessern oder zu trachten, woandershin versetzt zu werden, wenn dort gar keine Aussicht auf Beförderung vorhanden ist. Heute, wo es auf allen Seiten von Postenjägern wimmelt, muß auch der Anständige sich auf die Hinterfüße stellen, damit er nicht unter die Räder kommt. Mit den Wölfen muß man eben heulen, sonst wird man gefressen. Wenn ich nur endlich Post von Dir hätte! Aber dieses Ungewisse ist gar zu schrecklich. Wenn in ein bis zwei Tagen noch immer nichts kommt, werde ich zu Frau Zankl fahren und mich dort erkundigen, ob sie von ihrem Mann Post hat.
Von Minnie Schüller ist heute ein langer Brief gekommen. Mit ihrer Stelle ist sie noch immer ganz zufrieden, obwohl sich die Firma am dortigen Platz absolut nicht durchsetzen kann.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen