Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND II

Wien, 25. März 1943

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Kommentar

Leider habe ich niemanden unter allen meinen Bekannten, mit dem ich auch nur annähernd über das sprechen könnte, was mich so beschäftigt. Es ist wirklich wahr, seit das jüdische Element aus unserer Stadt beseitigt ist, hat auch die Zahl der geistigen Menschen erschreckend abgenommen, und was mir früher ohne weitere Schwierigkeiten möglich gewesen wäre, nämlich in einen Zirkel von wirklich geistigen und doch nicht hochmütigen Menschen hineinzukommen, ist jetzt ein Ding absoluter Unmöglichkeit. Mit Herma habe ich noch immer nicht sprechen können. Du kannst Dir denken, wie schwer es bei ihr ist bei ihrer Verschlossenheit. Ansonsten verstehe ich mich mit ihr wunderbar, am besten noch von allen meinen Bekannten und Freundinnen, da sie mir auch geistig sehr ähnlich ist. Ich sehe auch an ihr ein Streben nach Wissen und Erkenntnissen. Sie beschäftigt sich jetzt sehr viel mit Musik, besonders mit Musiktheorie.
Ich bin sehr glücklich, daß ich mit ihr so gut harmoniere, das erinnert mich so sehr an unsere Jugend, wo wir auch in sehr vielen geistigen Bestrebungen eines Sinnes waren.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen