BRIEFE MÜNSTERBERG
Wien, 23. September 1940 |
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Spatzili, es ist wirklich allen
Ernstes zum Weinen, daß ich jetzt, wo es möglich wäre, nicht
bei dir sein kann. Ich darf wirklich gar nicht daran denken, wie gut es andere
Frauen haben, sonst werde ich noch mehr verbittert und es hilft doch alles
nichts. Weißt Du, mit der Zeit verliere ich bald das Interesse an allem.
An allem, was mit Politik und Öffentlichkeit zusammenhängt. Ich habe
heute einen sehr netten Brief bekommen von meiner Bekannten aus Bregenz, bei
der ich einmal auf Besuch war, erinnerst Du Dich? Sie war mir immer sehr
sympathisch und ich freue mich, daß wir wieder Kontakt gefunden haben.
Du liebes Spatzi sollst nicht
traurig sein, sondern sollst schauen, auch Deine Zeit so angenehm und
nützlich als möglich zu verbringen. Kümmere Dich nicht viel
darum, was um Dich vorgeht, es ist außer Deinem guten und reibungslosen
Fortkommen beim Militär und außer einem guten Einvernehmen mit
Deinen Vorgesetzten gar nichts so wichtig, daß Du Dich darum kümmern
müßtest. Mit Deinen Kameraden schau, daß Du gut auskommst,
aber ansonsten kümmere Dich nicht viel um sie. Es wird niemand darunter
sein, bei dem es sich lohnen würde, näher mit ihm bekannt zu werden.
Menschen wie wir werden durch die heutigen Zeiten in eine ganz bestimmte
Entwicklung persönlicher Art hineingedrängt. Das Problem ist nur das,
wie kommen wir mit der Umwelt und mit den Mitmenschen am besten aus, ohne
daß wir allzuviel mit ihnen zu tun haben. |