Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE MÜNSTERBERG

Wien, 23. Jänner 1941

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Kommentar

Heute habe ich die Nachricht bekommen, daß meine Kollegin (das ist die, von der ich das Geld zur Aufbewahrung übemommen habe) am Sonntag gestorben ist. Sie litt ja an Darmkrebs. Im Zusammenhang mit diesem Todesfall erfuhr ich heute auch, daß Anny Jonak doch wieder in Prag ist. Sie hat den Posten beim Deutschen Ring in Wien doch nicht angetreten.
Die Zeit erscheint mir so leer und ungenützt, wenn ich nichts anderes mache als meine tägliche Büroarbeit, die mir gar wenig Interessantes bieten kann und ich habe immer das Gefühl, ich stehe bereits am Ende meines Lebens, da mit dem, was ich bis jetzt dienstlich erreicht habe, meine Karriere als abgeschlossen gelten kann. Ich kann kaum mit einer besseren Einreihung mehr rechnen und mit einer viel besseren Arbeit, als ich jetzt habe, kann ich eigentlich auch nicht mehr rechnen, denn nach Kriegsende, wenn wieder so viele Männer zurückkehren, werden doch diese auf die besseren Posten gesetzt und die Frauen werden sich mit minderen begnügen müssen. Das sind nicht sehr schöne Aussichten.
Dem Gehalt nach bin ich jetzt seit Jänner wieder um zirka 20 Mark gestiegen und brutto macht mein Gehalt jetzt schon eine beträchtliche Höhe aus. Es ist nur schade, daß man jetzt für sein Geld nichts Richtiges bekommt. Darüber müssen wir unbedingt sprechen, wenn Du nächstens nach Wien kommst.
Zum Wochenende möchte ich einen Besuch am Flötzersteig machen und auch gleichzeitig bei Pipergers.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen