Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE HINTERLAND

Wien, 22. September 1944

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Kommentar

Heute war das Begräbnis von Otto. Es waren schrecklich viele Leute da. Franzi hat viel geweint und ist einige Male zusammengestürzt, der Arzt mußte fortwährend bei ihr sein, aber Helli war brav und ruhig.
Herma ist Dienstag vormittag aus Karlsruhe zurückgekommen. Als sie am Sonntag vormittag hinkamen, stellte sich heraus, daß die Bestattung bereits am Dienstag, den 12. September ohne Verständigung des Lazaretts stattgefunden hat. Der Oberzahlmeister im Lazarett regte sich furchtbar darüber auf, weil er selber ja am 15. noch an Herma telegrafiert hat, daß das Begräbnis in Karlsruhe sein müsse und anfrug, ob jemand teilzunehmen wünsche. Inzwischen war er aber schon längst begraben. Außerdem ist er nicht am 9. gestorben, sondern schon in der Nacht vom 7. zum 8. um 1 Uhr nachts. An demselben Vormittag fand ein schwerer Angriff auf Karlsruhe statt, und in dem Wirbel wurde er aus Versehen mit den anderen Opfern gleichzeitig am Dienstag begraben. Herma konnte daher nichts anderes tun, als Montag vormittag zu seinem Grab am Heldenfriedhof zu gehen, und sie sind dann gleich darauf abgereist. Ich bin sowohl über Hansl als auch über Otto unendlich traurig und erschüttert und konnte trotzdem leider nicht eine Träne weinen, vielleicht weil es für mich zu furchtbar ist, ich kann es auch noch gar nicht fassen.
Denk Dir nur, jetzt ist auch Dein Kamerad Mantsch gefallen, am Sonntag bekam seine Frau die Todesnachricht. Ich werde nächste Woche zu ihr hingehen.


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