Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE FRANKREICH

Im Felde, 21. Juni 1940

Bild klickbar



Kommentar

Nach der gestrigen Marschleistung von über 40 km sind wir von Bliesbrück nach Bütten über Saargemünd, Saaralben gekommen. Ich will nichts darüber erzählen und jammern, sondern lege Dir nur einen kurzen Bericht unserer Zeitung bei. Die Anstrengungen waren umso großer, als der Weg nicht auf schönen Straßen sondern auf gesprengten Straßen und durch Flüsse und schlechte Feldwege ging. Ich war dabei laut Befehl meines Oberleutnants bzw. Majors als Bataillons-Melder zu Rad eingeteilt und hatte die anstrengende Aufgabe, die Befehle von vorn nach rückwarts zu den Kompanien zu bringen. Ich fuhr also den Weg doppelt und dreifach. Trotzdem überstand ich alles ganz gut und befinde mich heute wieder ganz wohl, obwohl ich heute erst um 3 Uhr früh ins Stroh kam. Heute ist Ruhetag, also Reinigung, und morgen geht's wieder um 5 Uhr früh weiter.
Heute war bereits Auszahlung, in neuem Papiergeld, wohl Reichsmark, aber solche, die auch im besetzten Frankreich gelten und nicht bei Euch. Wir können uns aber jederzeit neues in altes Geld und umgekehrt umtauschen. Unsere Löhnung von Rm. 20.- für zehn Tage entspricht einem Betrag von Frs. 400.-, was natürlich sehr viel ist und wir kaufen daher ungeheuer billig. Viele Sachen bekommt man auch hier nicht, z.B. Zucker, Hefe und Gewürze. Auch mangelt es wegen des Krieges an Zufuhrmitteln und daher ist auch da in bestimmten Artikeln Mangel.

Nachdem heute schon der 23. Juni ist, kann ich Dir gleich weitererzählen. Wir sind also gestern von Bütten weitermarschiert bis Schalbach. Dies gehört bereits zu Lothringen. Wir waren mittags bereits hier und ich wohne privat mit meinem Kollegen Schreiner aus Wels bei einem Bauern in einem sehr schönen netten Zimmer. Wir werden wahrscheinlich morgen weitermarschieren. Wohin, wissen wir noch nicht.
Wir haben uns also heute gründlich gereinigt und frische Wäsche angezogen. Vormittag waren wir in der Kirche beim Gottesdienst. Die Leute hier sind sehr fromm und nicht sehr gut auf uns zu sprechen. Die jungen Männer des Ortes sind bei den Franzosen eingerückt und nicht hier. Ich bin nun sehr froh, endlich aus dem Kampfgebiet und dem geräumten Gebiet heraußen zu sein, um wieder in bewohnte Ortschaften zu kommen. Die Leute hier sprechen alle deutsch, können aber auch französisch. So die Ortschaft ist sehr nett, nur ein bißchen schmutzig. Heute haben wir bis 9 Uhr geschlafen und uns so ein bißchen von den Strapazen ausgeruht. Das Wetter ist schön, die Sonne brennt herab und wir sind schon schwarz wie die Neger. Zu essen und trinken haben wir genug, jetzt überhaupt, wir trinken herrliche französische Weine.
Mit Plänen für die Zukunft tu ich mich nicht belasten, das wird sich alles an Ort und Stelle ergeben. Ich habe noch wenig Hoffnung, auch wenn Friede mit Frankreich ist, daß ich in Bälde nach Hause komme, da ja bis zum endgültigen Frieden noch einige Zeit verstreichen wird.
Bezüglich Deiner Frage, ob wir auf dem Gebiet der Weltanschauung auch durch eine längere Trennung zusammenstimmen werden, kann ich Dir nur schreiben, daß ich Dir volles Vertrauen entgegenbringe.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen