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Jetzt ist mir scbon so
scbrecklich bang nach Dir, daß ich es gar nicbt sagen kann, wie. Diese
Woche war leider eine schwarze Woche, was unsere gegenseitige Korrespondenz
betrifft. Gestern, Samstag, war ich gleich nach dem Büro bei Hilde. In
R.-Angelegenheit
ist noch nichts entschieden, die Verhandlung wurde angeblich auf November
verschoben. Ich war bis zirka ½ 5 Uhr dort und davon fast eine Stunde
mit Herbert spazieren. Ich freue mich sehr, daß Du Gelegenheit hast,
Dich ein bißcben zu vergnügen so wie bei Deinem letzten "Wiener
Abend". Ich bin auch froh, daß Du scheinbar nette Leute dort hast, mit
denen Du sprechen und Dich unterhalten und Sport betreiben kannst. Vergiß
nur nicht, liebes Spatzili, ganz auf unsere Probleme und verliere nicht ganz
das Interesse für die allgemeinen Dinge wie Krieg usw., denn wenn wir auch
für diese Dinge im Moment nichts übrig haben, so beeinflussen sie
doch so sehr unser Leben, daß wir immer achtgeben müssen, was sich
daraus entwickelt. Du wirst ja momentan gar keinen Einblick haben in die
Stimmung der Volksschichten, besonders der unteren, denn Deine zivilen
Bekannten, die Geschäftsleute, werden vielleicht im allgemeinen ganz
zufrieden sein. Aber hier bei uns ist die Stimmung momentan wieder sehr
schlecht und kritisch. Die Leute beklagen sich alle sehr bitter. Wenn jeder so
beginnen wollte, seine Erfahrungen im Betrieb, im Bekanntenkreis und sonstwo zu
schildern, so ergäbe das ein endloses Bild von Enttäuschung,
Bitterkeit, Ärger, Trostlosigkeit und Mutlosigkeit. Deine wohlhabenden
neuen Bekannten dort, die Geschäftsleute mit ihrem sicheren Besitz von
Häusern und Geschäften und einigem Vermögen spüren doch
sicherlich nicht so sehr das Elend der arbeitenden Schichten in der
Großstadt. Du sollst Dich daher immer bemühen, die jetzigen
Verhältnisse nicht aus dem Gesichtswinkel der Münsterberger
Provinzintelligenz zu beurteilen, aber doch Deine Kritik für Dich
behalten. |