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Du schreibst, welches die Ansicht
hier über Italien ist und was ich darüber denke. Nun, gerade diese
Tatsache hat mich eigentlich wenig aufgeregt. Ich habe die ganzen Radioberichte
und Reden darüber nicht gehört und erfuhr es nur zufällig und
dadurch habe ich mich in Gedanken eigentlich wenig damit beschäftigt. Den
Grund dafür weiß ich ja nicht und es ist auch für einen
Außenstehenden schwer, sich das richtige Motiv auszudenken. Entweder es
ist die Sucht, in letzter Minute sich einzuschalten, um etwas zu ergattern, da
ja die Niederlage Frankreichs schon offensichtlich war, oder es war die Angst,
daß er als Außenstehender von Deutschland nicht berücksichtigt
werden würde oder irgend etwas sonst. Vom nationalegoistischen Standpunkt
gewiß begreiflich, vom allgemeinen und charakterlichen Standpunkt aber
schäbig und verächtlich. Ansonsten kann ich nur sagen, daß
ich mich wundere, wieviel Sympathie allerorten für Frankreich herrscht, in
allen Kreisen eigentlich, von mir gar nicht zu reden. Nun scheint doch
endgültig eine neue Epoche in Europa und auch sonst in der Welt
anzubrechen und man kann nur gespannt sein, was für ein Gesicht diese
Epoche haben wird, es gibt auch von unserem Standpunkt aus Möglichkeiten,
daß dies alles doch noch erträglich wird, wenn Haß und
Rachegefühle in Schranken gehalten werden und nicht eine
unvernünftige und unhaltbare Ausrottungspolitik betrieben wird. Ich
hege eigentlich die Hoffnung - es kann auch nur eine vorübergehende
Stimmung sein -, daß doch etwas Gutes und Vernünftiges herauskommt,
aber man hat ja schon manche Überraschungen erlebt. Was bleibt uns jetzt
übrig als abzuwarten? Ich bin eigentlich froh, daß es mir immer
wieder gelingt, wenn auch unter schweren Kämpfen, einen Anschluß an
die Tatsachen zu finden, der keinen Verrat an unveräußerlichen
persönlichen Idealen und Ansichten bedeutet. Zu den Ewiggestrigen
gehöre ich wahrlich nicht, aber auch nicht zu jenen, die sich ihre Ideale
um ein Nichts oder um weniger als ein Nichts abkaufen lassen. Theorien haben
heute keinen Sinn, heute geht es wirklich nur um Anständigkeit und Kultur.
Und diese beiden Dinge werde ich mir unter allen Umständen bewahren.
Es wäre mir sehr erwünscht, mit Dir über alle diese Dinge
lange und gründlich mich auszusprechen und es ist so schade, daß wir
so entscheidende Dinge erleben und nie darüber sprechen können. Aber
Du kannst Dich darauf verlassen, daß ich mich im Geiste umso ofter mit
Dir darüber unterhalte und meine Einstellung immer erst dann fasse, wenn
ich glaube, daß auch Du damit einverstanden sein könntest. Ich
hoffe, daß unsere lange Trennung und die außergewöhnlichen
Ereignisse, die sich während dieser Zeit abgespielt haben, keine
Entfremdung auf diesem Gebiet, auf dem Gebiet der Weltanschauung,
herbeigeführt haben und daß wir, wie immer in der Vergangenheit,
zusammenstimmen werden. Sonst möchte ich Dir noch berichten, daß
ich Sonntag einen sehr schönen Ausflug gemacht habe und zwar mit Minnie
Schüller. Ich habe den Ausflug deswegen gemacht, urn mich von meiner mir
schon unerträglichen Stimmung herauszureißen und auch Dir zuliebe,
damit ich wieder imstande sei, Dir einen frohen und angenehmen Brief zu
schreiben, damit Du Dir nicht immer mein Gejammer anhören mußt.
Also, der Zweck wurde wirklich hundertprozentig erreicht. |