Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE MÜNSTERBERG

Wien, 16. Oktober 1940

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Kommentar

Ich war gestem abend bei Deinen Eltem, um von Vater einen genauen Bericht zu hören. Er hat mich am Montag gleich urn ½ 9 Uhr früh angerufen und gesagt, daß er wieder gut hier angekommen ist und als wichtigste Nachricht, daß Du zu Weihnachten bestimmt kommen wirst. Du kannst Dir vorstellen, wie mich das gefreut hat. Also war ich gestem bei Deinen Eltem und es war eine große Versammlung dort und sie feierten alle Mutters Namenstag. Mutter hatte ein paar Brötchen gemacht mit Wurst und Käse und eine von Deinen Fischkonserven aufgemacht, dazu gab es Bier. Vater erzählte von seiner Reise und von Dir und ich bin jetzt sehr beruhigt, da ich wirklich sehe, wie gut Du aufgehoben bist. Vater ist ganz voll des Lobes von Deiner Frau Wirtin und sagte mir, daß sie mich auch eingeladen hat und ich möchte ja ganz schrecklich gern einmal kommen, aber vorläufig ist ja keine Möglichkeit. Wenn ich jetzt was von gutem Essen höre, so bekomme ich direkt einen Appetit. Bei uns in Wien scheint es wirklich in der Beziehung am allerschlechtesten von ganz Deutschland zu sein, was man so hört.
Vater hat Dein Zimmer so nett geschildert und daß Du täglich beim Nachhausekommen einen Teller mit Bäckereien und mit Obst vorfindest und daß das Bett so schön weiß überzogen ist. Auch daß Dich Dein Vorgesetzter gelobt hat und gesagt, daß Du demnächst vielleicht befördert wirst.
Vater sagte mir auch, daß täglich bei Euch Leute abrüsten und neue kommen. Wer sind denn die Leute, die abrüsten können? Könntest Du Dich nicht darum bewerben? Gibt es dort keine Heeresentlassungsstelle?


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen