Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE HINTERLAND

Bad Pyrmont, 16. September 1943

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Kommentar

Heute geht es mir nicht besonders gut. Bei der vormittags stattgefundenen Untersuchung wurde mir, nach Behandlung der Ohren mit Spritzen und verschiedenen Lösungen, ganz fürchterlich schlecht. Ich wurde ganz schwindelig, und mir wurde schwarz vor den Augen, mußte schließlich auf einen Stuhl gesetzt und als es absolut nicht besser werden wollte, im Untersuchungszimmer auf einen Diwan niedergelegt werden. Der Arzt untersuchte Blutdruck, Puls und Temperatur, und nach Einnehmen einer Salzlösung wurde ich von Schüttelfrost überfallen. Ich wurde auf mein Zimmer gebracht und mußte den ganzen Tag mein Bett hüten. ich habe mich aber ziemlich rasch erholt, und außer meinen üblichen Kopfschmerzen und dem ständigen Ohrensausen fühle ich mich wieder ganz wohl. Das Untersuchungsergebnis habe ich mit meinen Ohren nicht hören können, aber meine Kameraden (ich liege mit noch drei Uffz. im Zimmer) sagten mir, der Arzt stellte eine "Psychogene Taubheit beider Ohren" fest, also eine Nervenangelegenheit, deren Heilung eine Frage der Zeit wäre. Mit viel Ruhe und Geduld soll ich also mein Gehör wieder bekommen. Ich werde hier von sehr lieben und netten Krankenschwestern gehegt und gepflegt und von einem genauen und sehr tüchtigen Arzt behandelt und beaufsichtigt. Ich bin also in den besten Händen. Eifersüchtig, glaube ich, wirst Du hoffentlich nicht sein, ich gehe nicht aus, spreche fast mit niemandem und habe für die diversen Späße nichts übrig.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen