Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND II

Wien, 14. August 1943

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Kommentar

Gestern ganz zeitlich früh fuhr ich mit der Bahn nach Neulengbach und von dort mit dem Autobus nach Laaben und besuchte die Lintschi Sperlich in ihrem eigenen Haus. Als ich um zirka 10 Uhr abends zu uns in die Wohnung kam, erfuhr ich von den aufgeregten Hausparteien, daß gestern am Nachmittag Fliegeralarm war und alle Leute in die Luftschutzkeller gehen mußten. Wie noch gestern abends hier bekannt wurde, ist am Nachmittag Wiener Neustadt bombardiert worden.
In Wien ist jetzt alles auf, da allgemein gesprochen wird, daß demnächst auch Wien bombardiert werden wird, und es müssen alle Vorkehrungen allen Ernstes getroffen werden. Ich habe daher gestern noch unsere sämtlichen Koffer mit den notwendigsten Sachen von uns gepackt (Kleider, Wäsche, Wertgegenstände), um im Notfall wenigstens etwas von unseren Sachen zu retten. Hoffentlich erweist sich meine Vorsicht als überflüssig und wir bleiben verschont.
Und heute am Samstag sind alle Leute in Wien in höchster Aufregung, und besonders unangenehm ist es für mich und Herma, weil wir für morgen für drei Tage auf den Wechsel fahren wollten, und nun wissen wir nicht, ob wir es wagen sollen. Auch spricht man davon, daß die Südbahnstrecke überhaupt gesperrt ist oder daß man dann nicht wird zurückfahren können usw. Nur Otto hat mir gesagt, ich solle es auf jeden Fall wagen.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen