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Durchs Radio wurde heute gesagt,
daß an der Saar ein Frontalangriff gegen die Maginotlinie begonnen wurde.
Liebes Spatzili, ich bitte Gott, daß er Dich schützen möge! Ich
bin so traurig, daß mir die Tränen manchmal nahe sind. Haben die
Menschen, die allerorten meistens unschuldig sind, nicht endlich den Frieden
verdient? Überall sind die Menschen gut und bereit, das Gute zu tun. Und
trotzdem ist soviel Unglück über alle Menschen gekommen. Es ist
meiner Ansicht nach ganz müßig, nach den Verantwortlichen zu suchen,
denn soviel Unglück können selbst hunderttausend Verantwortliche
nicht verschuldet haben. Außer ganz oberflächlichen Menschen leidet
heute jeder. Und jeder hat gewiß einen wunden Punkt. Mein wundester Punkt
ist Dein Schicksal und Wohlergehen an so entscheidenden Tagen. Habe ich da
das Recht, von Heldentum zu reden? Und ich sage Dir, auch die anderen meiner
Mitmenschen, wenn sie auch noch soviel von Heldentum reden, haben dieses Recht
nicht, denn wie wenig ich auch mit Menschen rede, so sagt mir doch jede ihrer
Äußerungen deutlich, daß sie das Ende des ganzen nicht
erwarten können! Sie stürzen sich jeden Tag über die Nachrichten
in der geheimen Hoffnung, das so heiß ersehnte siegreiche Ende endlich
bestätigt zu hören - wo es doch ohnehin in unheimlicher und
unvorstellbarer Schnelligkeit vor sich geht - und haben die innere Kraft nicht,
sich wirkliches Heldentum vorzustellen, an ein solches zu glauben und es
mitzuerleben, denn wann gäbe es eine bessere Gelegenheit zu wirklichem
Heldentum als die heutige Tatsache, daß ein großes und
mächtiges Land, ein ausgezeichnetes und hochgemutes Volk wie z. B. die
Franzosen in ihrer heutigen wahrhaft verzweifelten Lage durch die Verteidigung
ihrer Sache bis zum letzten Mann eine Probe wahren Heldentums liefern
könnten. Aber wer will denn wirklich dieses Heldentum? Von den Franzosen
muß ich schweigen, aber ich rede von mir und von allen meinen
Volksgenossen. Jeder weiß mit hundert überzeugenden Argumenten
zu beweisen, daß es das beste und gescheiteste wäre, jene da
drüben würden ihre unhaltbare Lage einsehen und den Widerstand
einstellen. Armes Heldentum, wenn man nicht einmal die Kraft hat, fremdes
Heldentum abzuwarten und mitzuerleben. Meiner Meinung nach hat damit der ganze
Begriff von Heldentum seinen inneren Sinn verloren. |