Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE MÜNSTERBERG

Wien, 14. Jänner 1941

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Kommentar

Ich habe heute ausnahmsweise ein wenig eingehender die Zeitung studiert und doch allerhand daraus entnommen. Aber es geht halt alles so langsam und ich sage mir selbst, daß sich die Ereignisse auch weiterhin sehr ziehen werden und uns noch so manche harte Geduldprobe auferlegen werden. Aber dafür hoffe ich auf einen guten Ausgang. Ich bin schon sehr froh darüber, daß ich mich über das dumme Geschwätz so mancher Leute nicht mehr so aufrege. Ich beurteile jetzt mehr mit dem Gefühl: es kann uns nix g'schehn.
Und die Menschen, die sich jetzt gar so hervortun, werden sich wieder einmal in alle Winkel verkriechen, weil Bösartigkeit eben doch keine Eigenschaft ist, die etwas Dauerndes und Gutes schaffen kann.
Es gibt gewiß oft Dinge im täglichen Leben, die mich sehr wütend machen können, so z. B. wenn man uns vorige Woche am Freitag verkündet hat, wer in der Betriebsküche weiter essen will, muß ab Montag mehr Fettmarken etc. und zwei Wurstmarken in der Woche abgeben, denn über Anordnung der DAF darf es ab jetzt nur mehr ein Einheitsmenü gegen Abgabe von Fleischmarken geben, während man bis jetzt Gelegenheit hatte, ein fleischloses Menü zu bekommen. Ich gehe daher seit dieser Woche nicht mehr in die Betriebsküche und auch viele andere nicht.
Und heute wurden wir wieder aufgefordert, für ein Wunschkonzert Beträge zu geben, aber nicht Spenden, sondern Opfer, also so hoch, daß man es auch wirklich spürt. Ich habe mich nach der ganzen Sachlage dazu entschließen müssen, dafür 10 Rm zu geben, die morgen bei der Gehaltsauszahlung zu bezahlen sind. Und in vierzehn Tagen ist die Straßensammlung, bei der ich auch sammeln gehen muß. Aber ich bemühe mich trotzdem, bei guter Laune zu bleiben.


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