Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE ZNAIM

Wien, 13. März 1940

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Kommentar

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Am Mittwoch den 10. April gibt es die Neunte Beethoven unter Leitung Kabastas. Ich kaufte gleich zwei Karten und nun warte ich, ob Du vielleicht mein Partner sein wirst.
Dann traf ich mich mit Herrn Eder in der Wök am Schwarzenbergplatz und wir gingen zu Fuß durch den Stadtpark zu Frau Stärk. Prof. R. war schon da, etwas später kam noch Minnie und wir waren vollzählig. Alle anderen konnten aus irgendwelchen Gründen nicht kommen. Es war ein überaus gelungener Abend. Wir begannen ganz zeitig vor dem Essen zu musizieren und Frau Stärk sang von Hans wunderbar begleitet zunächst drei Strauss-Lieder, zwei von Wolf und zwei von Wagner, dann die Nilarie aus "Aida", die große Arie aus "Fidelio", zwei Arien der Ortrud aus "Lohengrin", Verschiedenes aus dem "Rosenkavalier". Dann setzten wir uns zum Essen, währenddem Herr Eder, Herr Streussler und Hans heftig debattierten über die Zulässigkeit, Texte wie "Ich werde in den Prater fahren und mit dem alten Fürsten Greifenklau essen" usw. (Rosenkavalier) zu vertonen. Bei der Gelegenheit erzählte Hans viel Wissenswertes über Oper und Musik im allgemeinen, er weiß ja darüber wirklich gründlich Bescheid. Nach dem Essen wurde weiter musiziert. Dann war es 11 Uhr, Herr Streussler las einige Gedichte und auch Herr Eder las zum Schluß 3 Gedichte von Wedekind, dann mußten wir rasch aufbrechen. Ich mußte auch von Dir erzählen und alle gaben mir Grüße auf für Dich.
Am Sonntag war mir der Abschied von Dir wieder schwerer gefallen als die Sonntage vorher. Ist es, weil ich Dich an diesem Sonntag nicht und wer weiß wann erst sehen werde oder war es der furchtbare Gedanke daran, wie schwer ich Dich am Samstag gekränkt habe und dabei noch so grundlos! Liebes Spatzilein, ich möchte ja stundenlang und auch in der Kälte auf Dich warten, wenn ich nur weiß, daß ich Dich sehen darf. Denn ich liebe Dich und Du gefällst mir mit jedem Jahr mehr und mehr, so ernst und reif bist Du geworden und gewiß haben Dich die meisten Menschen gern, mit denen Du zu tun hast.
Wie konnte ich nur bei all diesen Überlegungen so lieblos zu Dir sein, wo Du sowieso tagtäglich Dinge einstecken mußt, die Dich unglücklich genug machen.
Ich habe nur eine einzige kleine Entschuldigung, das war der ekelhafte Mann von der Wache, der mir schon das erstemal so unsympathisch war und zweitens, daß ich so erkältet war und dadurch war ich leichter nervös. Also Liebes, bitte schreibe mir, daß Du das vergessen willst.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen