Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE MÜNSTERBERG

Wien, 12. Dezember 1940

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Kommentar

Ich habe gestern Gelegenheit gehabt, mit meinem Chef anläßlich eines dienstlichen Gesprächs auch über andere Dinge z. B. über unser kommendes Dienstrecht zu sprechen. Auf einen Teil der Angestellten der Sozialversicherungsträger (Krankenkassen usw.) soll ab jetzt das deutsche Beamtenrecht Anwendung finden, also ein Teil der Angestellten sollen Reichsbeamte werden. Nun erzählte mir der Chef, daß hier die Absicht bestünde, in erster Linie alle schon bisher als unkündbar (also definitiv) geltenden Angestellten in das neue Dienstrecht zu übernehmen. Allerdings ist ein gewisses Mindestalter vorgesehen und zwar für Männer 27 Jahre und für Frauen 35 Jahre, allerdings sollen nur unverheiratete Frauen in Betracht kommen. Für verheiratete Frauen soll weiterhin das bisherige Tarifrecht aufrecht bleiben. Mein Chef, der mir sehr freundlich gesinnt ist, fragte mich darüber aus, wie meine Angelegenheiten in bezug auf die bisherigen verschiedenen Dienstordnungen und erworbenen Rechte liegen und meinte dann, es würden bestimmt fur gewisse langjährige Angestellte sogenannte Übergangsbestimmungen eingeführt werden müssen, d. h. zu deutsch, daß es gar nicht ausgeschlossen ist, daß ich mit einer Pension eventuell in den zeitlichen Ruhestand treten könnte, falls ich freiwillig ausscheiden wollte oder falls es nach dem Krieg zu einem Abbau der verheirateten Frauen käme. Das ist mir insofern eine große Beruhigung, als dadurch doch etwas von meinen erworbenen Rechten gewahrt bliebe. Es ist also, wie Du siehst, in der Sozialversicherung bezüglich des Dienstrechtes immer für Abwechslung gesorgt und ein Provisorium löst das andere ab.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen