Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE POLEN

Wien, 9. April 1941

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Kommentar

Heute habe ich endlich einen Brief von Dir bekommen und eine Karte und ich danke Dir dafür. Ich war heute gerade wieder in einer besonders traurigen Stimmung, als ich am Abend nach Hause kam und wenn ich keine Post von Dir bekommen hätte, so weiß ich gar nicht, was ich vor Traurigkeit angefangen hätte. Heute war ich bei Senghofer und habe ihm die Bücher zurückgetragen. Er war sehr nett und erkundigte sich ausführlich nach Dir und läßt Dich auch sehr schön grüßen.
Er fragte mich, ob ich nicht manchmal mit ihm und seiner Frau Ausflüge machen möchte und ob ich Gesellschaft genug habe. Ich sagte darauf, eigentlich habe ich keine Gesellschaft und meine Ausflüge mache ich immer allein. Aber ich erklärte mich sofort mit Freuden bereit, mit ihm und seiner Frau Ausflüge machen zu wollen, denn er ist mir außerordentlich sympathisch, außerdem weiß er wirklich sehr viel und ist nicht ein Mensch, der viel redet. Ich freue mich wirklich darauf, mit ihm zusammenkommen zu können, denn ich glaube, da kann ich so manche Gespräche führen, die mich interessieren.

Soeben rief mich ein Ing. Richter an, er sagte, er wäre der Vater eines Deiner Kameraden und kenne Dich aus Münsterberg. Er wollte wissen, ob Du schon Nachricht gegeben hättest, denn sein Sohn hätte den Eltern seit der Abreise ans Münsterberg noch nichts geschrieben. Ich sagte ihm also das, was ich aus Deinem heutigen Brief wußte und er bedankte sich schön. Ich werde sehr traurig sein, wenn ich daran denke, daß Du vielleicht nicht genug zu essen hast, aber wir können doch wirklich nicht leicht verderbliche Sachen (Mehlspeisen) an Dich schicken, wenn die meisten Pakete schon bis Münsterberg 10 bis 14 Tage gegangen sind. Schreibe mir, ob ich Dir Geld schicken soll?


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen