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Ich war gestern, Samstag
nachmittag, in einer Ausstellung von russischen Emigranten. Vorher noch traf
ich Frau Peutl, die
mich vom Büro abgeholt hat und mir von Fini und Karl erzählte. Diese
arme Frau hat wieder geweint, wenn sie an ihre Kinder denkt, die so weit weg
sind und da die Aussicht immer geringer wird, sie im Leben je wiedersehen zu
können. Fini schreibt verzweifelte Briefe und auch die Nachrichten von
Karl sind trostlos. Danach war ich am Flötzersteig bei Hilde. Die
Sache von Roberts
Pension dürfte diese Woche entschieden werden, am Arbeitsamt wird er
sich in der Woche nach dem 15. Dezember melden. Er erzählte verschiedenes
von seinen Erlebnissen in seiner ruhigen unaufdringlichen und angenehmen Art
und fühlt sich überglücklich zu Hause. Seine Nerven haben Gott
sei Dank scheinbar nicht gelitten und er ist nach wie vor bei bestem Appetit,
sodaß er hoffentlich die Gewichtsabnahme auch wieder bald aufholen wird.
Ich werde Dir dann, wenn Du hier bist, alles genau erzählen, wie sich das
ergeben hat, daß er überhaupt nach Hause kam, während seine
anderen Kameraden dieses Glück nicht hatten und einer von ihnen bereits
hinaus in ein Lager kam. Robert und auch ich bin nach all den Ereignissen seit
der Verhandlung der Meinung, daß einzig und allein Hilde es war, die es
zustande brachte. Es ist wirklich so rührend und erinnert beinahe an
Fidelio. Die arme Hilde ist jetzt ganz müde und aufgerieben von all den
Aufregungen und vielleicht momentan schonungsbedürftiger als er. Man kann
von ihr wirklich sagen, daß sie ihre Pflicht erfüllt hat. Sie ist
ein so tapferer Mensch, daß ich sie nicht genug bewundern kann. Der
kleine Herbert ist einfach reizend und man hat das Gefühl eines
vollkommenen Familienglücks, wenn man sie beieinander sieht. Er wird in
der Kasse und bei allen Menschen sehr nett empfangen und von den Freunden
enthusiastisch begrüßt und er sieht sich überall von Liebe und
Freundschaft umgeben, weil er eine harte Lebensprobe gut bestanden hat.
Hier ist alles schon weihnachtlich und der Verkehr in den
Geschäftsstraßen außerordentlich stark und ich erinnere mich
oft daran, daß Du im Vorjahr noch bei
Corso warst und vor
Weihnachten viel zu tun hattest. Heuer wird sich das sehr geändert haben.
Wenn Du jetzt in Wien sein wirst, können wir ja einen Sprung hinmachen.
Man kriegt jetzt hier in Wien Zuckerln und Schokoladesachen auf bestimmte
Abschnitte und nur eine bestimmte Menge. Anny J. hat mir gestern aus Prag
geschrieben. Sie schreibt, daß der Posten, den sie hat, nichts besonderes
ist, die Firma (eine private - Münchner - Krankenversicherung) richtet
sich erst ein, sie haben nicht einmal ein ordentliches Büro, das ganze
Büro besteht aus zwei kleinen Kabinetten ohne Fenster und sie sind eine
Menge Leute, die einer dem anderen im Wege stehen. Von einer Provision, wie man
ihr versprochen hat, kann bei dem Stadium natürlich keine Rede sein und so
bleibt ihr Verdienst herzlich gering (140 Mk. netto). Sie sagt, sie will sich
um etwas anderes umschauen. Warum hast Du denn noch immer kein
Brennmaterial? Was ist denn das für eine schlampige Wirtschaft? Sorgt man
so für seine "geliebten Soldaten"? Was ist denn, wenn Du einmal krank
bist? Du hast mir noch gar nichts darüber geschrieben, wie Du über
meinen Plan denkst, im neuen Jahr auf ein paar Tage zu Dir zu kommen. Wird das
möglich sein und wo werde ich wohnen können? In Deinem Zimmer, aber
das müßte dann geheizt sein, denn zusammen können wir doch
schon gar nicht ein ungeheiztes Zimmer brauchen, dann könnten wir ja gar
nichts miteinander machen. |