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Am Mittwoch früh gab es in
Wien eine Schneekatastrophe allergrößten Ausmaßes. Es hatte
die ganze Nacht geschneit, sodaß am nächsten Morgen die Stadt im
Schnee buchstäblich erstickt ist. Der Straßenbahnverkehr war
gänzlich eingestellt. Manche Linien sind auch am Donnerstag noch nicht
gefahren. Donnerstag nachmittag war ich bei Olga und dann im Kurs. Gestern,
Freitag, war ein Tag mit sehr vielen Aufregungen. Begonnen hat es mit einer
Mitteilung von Lola, die mir schrieb, daß sie nicht mehr in der
Ebendorferstraße wohnt, mir aber ihre neue Adresse nicht schreiben
könne und mich auch dort nicht empfangen könne und daß sie mich
nur in meiner Wohnung besuchen kann. Außerdem habe sie sich unter den
gegebenen Umständen entschlossen, die ihr bevorstehende Operation sogleich
vornehmen zu lassen und werde daher in den nächsten Tagen ins Spital
gehen. Sie hinterließ mir eine Adresse, wohin ich ihr schreiben
könne. Ich machte daher am Donnerstag mit Olga aus, daß sie selbst
sowie Lola und auch Hans am Samstag abend zu mir kommen sollten. Am Freitag
vormittag erhielt ich durch eine dritte Person die Mitteilung, Lola sei seit
Freitag im Spital und werde Samstag operiert. Ich wollte nun wenigstens den
Hans einladen und rief einigemale vergeblich bei ihm an, bis ich ihn endlich
erreichte. Bei dieser Gelegenheit erhielt ich von ihm die alarmierendste
Nachricht, daß er nämlich in 1 - 2 Tagen weg müsse und mich
leider nicht mehr sprechen würde können. Es sei etwas ganz
Furchtbares passiert. Die näheren Mitteilungen erhielt ich dann
teilweise von Olga, teils von Lola, die ich heute im Spital besucht habe, teils
auch von anderer Seite. Ich habe heute wieder so viele schreckliche Dinge
erfahren, daß ich leider wieder einige Tage brauchen werde, bis ich das
alles überwunden habe. Olga wird morgen versuchen, irgend etwas über
Hans zu erfahren. Lola wird erst am Dienstag operiert. Ich bin zu der
Erkenntnis gelangt, daß man in solchen Zeiten wie jetzt sich ganz auf
sich selbst zurückziehen und versuchen muß, sich ein Leben und ein
Glück aufzubauen, das nur auf die eigene Familie gegründet ist. In
seinen eigenen vier Mauern ist die einzige Möglichkeit, ruhig und
glücklich zu leben, ohne sich urn etwas anderes zu kümmern. Denn wie
man mit der Außenwelt in Kontakt gerät, da gibt es nichts wie
Aufregungen und man kommt absolut aus dem Gleichgewicht. Deshalb, liebes
Spatzili, bin ich so ganz und gar auf Dich eingestellt und suche bei Dir alles,
was mir Freude machen kann. Ich hätte große Lust, Dir wieder eine
schöne Liebeserklärung zu machen, besonders jetzt, nach Deinem
letzten Hiersein, wo Du so lieb warst zu mir wie niemals zuvor und mir soviel
anvertraut hast, daß ich Dir immer dankbar sein werde. Du wirst Dich
vielleicht manchmal fragen, wieso ich so plötzlich dazugekommen bin, mir
so heiß ein Kind von Dir zu wünschen? Das hat viele Gründe und
einer davon ist der, daß ich nach den Erfahrungen der letzten bitteren
Jahre zur Erkenntnis gelangt bin, daß das Leben heutzutage nicht
auszuhalten ist ohne eine GIücksquelle, aus der man schöpfen kann,
sodaß einem alle die Dinge, die von außen kommen, nichts anhaben
können. In den Tagen und Wochen, wo ich nur ganz der Erwartung auf das
Kind gelebt habe, bin ich wahrhaft glücklich gewesen und die Dinge der
Politik interessierten mich in keiner Weise. Da war mir klar, daß
das Dinge sind, die nur die Männer angehen, die haben eine robustere Natur
und konnen häßliche Erscheinungen leichter überwinden. Wie Du
mich kennst, konnte ich das aber niemals erlernen. Ich fürchte mich immer
wieder maßlos, ja ich fürchte direkt eine Psychose davon. Du
erinnerst Dich doch noch meiner ganz furchtbaren Angst vor dem Radio. Ein Kind
aber könnte mich wieder ganz jung machen, könnte meinem Leben einen
Sinn geben, ich käme mir nicht vor, am Ende meines Lebens zu stehen, wo
ich alles Sinnvolle und Schöne hinter mir habe, sondern am Anfang meines
Lebens, wo ich noch für lange lange Jahre eine wichtige Funktion vor mir
habe und ein Objekt, an das ich meinen großen Vorrat an Liebe und
Gefühlen abgeben kann. Und wenn Du der einzige Abnehmer bliebest für
meine Liebe, so wäre das schließlich für Dich zuviel, denn ein
Mann muß auch etwas anderes im Kopf haben, als immer nur an Liebe und
Gefühle zu denken. |