Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE POLEN

Makau i. Oberschl., 6. April 1941

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Kommentar

Heute sind es genau drei Tage, seit wir von Münsterberg weg sind und ich kann es noch immer nicht glauben, daß es Wirklichkeit ist, wenn mich nicht der immer größer werdende Schmutz auf den Straßen und in den Quartieren daran erinnern würde.
Den ersten Tag ging es bis Neisse, den zweiten Tag bis Neustadt i. Oberschl. und gestern bis Neudörfl. Die ersten zwei Tage waren wir in Kasernen untergebracht und gestern und heute liegen wir in Privatquartieren bei Bauern. Die Unterkunftsmöglichkeiten sind derart schlecht, daß sie kaum zu beschreiben sind. Die Strohsäcke in den Kasernen waren so schmutzig, daß ich mir überlegte, ob ich mich niederlegen soll oder nicht. Statt des gestrigen Quartiers zog ich es vor, in dem einzigen Gasthof auf der Bank zu schlafen. Heute graut mir schon vorm Schlafengehen, denn ich muß mit zwei schmutzigen Jungens, die in einem Bett Iiegen, in einem anderen schmutzigen Bett in einem Zimmer schlafen. Morgen, Sonntag, ist Ruhetag und Montag früh geht es weiter. Über Ratibor nach einem noch nicht festgelegten Ziel. Landen sollen wir in zirka einer Woche in Neumarkt an der polnisch-slowakischen Grenze. Ob wir dort länger bleiben, steht noch nicht fest. Ich sehe mit Bangen in die nächsten Monate, denn, Du weißt, ich kann mich an vieles gewöhnen, nur Schmutz macht mir ganz große Schwierigkeiten. Wir denken momentan alle nur an eines und das ist unser schönes, reines Münsterberg mit den uns besser vertrauten Menschen.
Wie ich Dir ja schon mitgeteilt habe, bin ich provisorisch als Rechnungsführer des Stabes eingeteilt und habe mich um die Bezahlung der Unterkünfte und sonstige Geldangelegenheiten während des Marsches zu kümmern. Ich fahre immer mit dem Gepäckstroß, zu diesem gehört auch Uffz. Zankl und Nemecek, sowie dem Verpflegungstroß per Lastauto der Truppe voraus und bin meistens schon in den Vormittagsstunden am Übernachtungsplatz. Da noch zwei Feldw. und ein Uffz. mitfahren, wir fahren auf vier Lastautos, muß ich leider rückwärts am Auto sitzen. Das ist auch nicht das Angenehmste. Sind die Straßen naß, kommt der ganze Schmutz herein und sind die Straßen trocken, so kommen wir als Mehlsäcke an, von oben bis unten weiß. Ich fühle mich schon so schmutzig, ich würde ein Königreich für ein warmes Bad geben. So etwas gibt es in dieser Gegend überhaupt nicht. Unser Major ist auch schon ganz böse.
Weiters sind wir alle, da wir doch der Truppe ständig vorausfahren, Selbstverpfleger, d.h. wir bekommen Geld und Marken ausgefolgt und können uns selbst vepflegen. Jetzt sind wir immer in so kleinen Nestern, wo es nur einen Gasthof gibt und in diesen nichts als Schnaps und Bier. Die Quartierleute laden mich wohl zum Essen ein, aber ich bringe vor lauter Unsauberkeit keinen Bissen hinunter.
Heute hat unser Zahlmeister in Ratibor für uns schon Zloty ausbezahlt bekommen und wir können unsere Mark bereits umtauschen. 1 Mark = 2 Zloty. Wie wir damit auskommen, weiß ich noch nicht, angeblich soll es ziemlich teuer sein und Lebensmittelmarken gibt es auch. Wir werden aber schon morgen nach Polen kommen, d.h. die ehemalige poln. Grenze überschreiten. Es sind doch die Randgebiete Deutschlands eingegliedert worden und es gibt dort die Rm.
Erst im Gouvernement werden die Zloty ihre Gültigkeit haben und wir dürfen dort keine Rm. mehr ausgeben, wo aber die Grenze ist zwischen dem ehemaligen Polen und dem Gouvernement, weiß ich momentan nicht.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen