Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND II

Wien, 4. April

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Kommentar

Leider war ich heute Zeuge eines Straßenbahnunfalles in Inzersdorf, als ein junges Mädchen aus dem Zug abspringen wollte, der gerade die Schleife vor der Endstation machte. Als sie aufstand, floß aus einer großen und tiefen Wunde das Blut, und da ich ihr am nächsten stand, half ich ihr ein Tuch auflegen, aber es half alles nichts. Es mußte dann jemand mit ihr aufs Polizeirevier gehen. Es war eine ausländische Arbeiterin, die nicht deutsch sprechen konnte, und es war daher schwer, sich mit ihr zu verständigen. Das habe ich jetzt in Wien schon oft bemerkt, daß gerade diese Leute, und zwar sowohl Burschen als auch Mädchen, sehr oft Unfälle erleiden, weil sie wahrscheinlich aus irgendeinem Dorf in der hintersten Ukraine kommen und plötzlich in den Großstadverkehr hineingestellt werden, wo ihnen niemand behilflich ist. Das sind die Schattenseiten des Umstandes, daß man solche Leute aus den Dörfern massenweise hier losläßt, wo man sie gar nicht genug beaufsichtigen kann. Die Burschen überhaupt machen sich einen Spaß aus dem Aufspringen, daß man sich nur immer erschrecken kann.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen