Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE FRANKREICH

Westfront, 3. Juni 1940

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Kommentar

Freitag abend mußten wir packen und fort ging's in finsterer Nacht. Die Kompanien mußten marschieren und wir fuhren per Lastwagen mit unserem ganzen Kram. Die Kompanien kamen nach 12stündigem Marsch am Samstag vormittag an ihren Bestimmungsorten an. Ich kam erst gegen Mittag, nach einer schlaflosen und kalten Nacht, in Gersbach an, da unser Auto einen Achsbruch hatte und nicht weiter konnte. Die Fahrt ging zum größten Teil durch Gebiete, welche bereits von den Franzosen besetzt waren und jetzt wieder in deutschem Besitz sind. Auch unsere Ortschaft gehört hiezu und wir wohnen in den wenigen nicht zerschossenen Häusern. Genaueres über all das Gesehene und Gehörte könnte man nur in Form von ganz dicken Büchern wiedergeben.
Wir wohnen in einer sehr schönen großen Villa mit Garten, welche weniger abbekommen hat und wir sind dabei, es uns hier gemütlich einzurichten. Licht (elektrisches) haben wir momentan keines, aber es besteht die Aussicht, daß wir in zirka einer Woche welches haben. Bis dahin werde ich in einer anderen Ortschaft, etwas weiter hinten, meine fotografischen Arbeiten erledigen. So im großen und ganzen wäre es ja nicht schlecht. Es ist eine herrliche Gegend, wenig hügelig, Wiesen, Wälder, Bäche und viel Sonne. Die Verpflegung ist sehr gut, ebenso die requirierte Schlafgelegenheit. Weniger angenehm ist halt zu wissen, daß es nur wenige Kilometer bis zur Maginotlinie sind und man den kommenden Dingen machtlos gegenübersteht.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen