Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE POLEN

O.U., 2. Juni 1941

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Kommentar

Ich schreibe Dir diesen Brief durch jemanden Bekannten und bin deswegen ausführlicher. Morgen geht es also wieder weg von hier und wir marschieren über Rszesow, Sokolon, Harasinki, Smolskow in das Waldlager Josefow. Es sind das zirka 150 km Marschleistung und zwar wird nur nachts marschiert. An die Grenze sollen es nur mehr zirka 20 km sein. Was mit uns dort geschieht und ob wir dort bleiben, ist noch gänzlich unbestimmt. Ich fahre jedenfalls per Rad und zwar in meiner neuen Stellung als Verpflegungs-Uffz. Wenn morgen niemand ins Reich fahren würde, könnte ich Dir von unserem Marsch gar nichts schreiben. Ich habe nämlich unser Wort für Stellunggehen vergessen.
Bitte schreibe es mir im nächsten Brief und zwar mit der Maschine unterstrichen. Die Dienstmädchen mit den Krampfadern habe ich mir noch gemerkt. Schade, daß wir uns kein besseres System ausgedacht haben, aber wenn Du sehr neugierig bist, so gehe zu Fr. Zankl, die haben das gut gemacht. Das gilt natürlich für die nächsten Wochen. Aber wenn wir am Marsch sind, so werde ich von nun an die Briefnummer nicht einringeln, sondern unterstreichen. Dann weißt Du immer, ob wir am Marsch 3 sind oder in Ruhe.
Wegen Hans habe ich mich erkundigt, es ist also möglich und ich werde morgen die besprochene Summe aufgeben. Jetzt vor dem Abmarsch habe ich überhaupt keine Zeit, da ich mich um hundert verschiedene Sachen bez. Verpflegung des Btl. kümmern muß. Ich gehe jeden Tag spät schlafen und stehe zeitlich, ständig um 6 Uhr, manchmal um 3 Uhr und 4 Uhr auf. Diesen Brief schreibe ich in allergrößter Eile, es ist nämlich schon ½ 23 Uhr und um 22 Uhr soll alles in den Betten sein.
Es ist heute bereits der 3. Juni. Bei uns herrscht schon große Aufregung, da alles packt. Der Verkehr auf der Straße ist ein wahnsinniger und es ist Tag und Nacht keine Ruhe. Bin neugierig, was wieder los ist.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen