Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE FRANKREICH

Wien, 2. Mai 1940

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Kommentar

Morgen den 3. Mai muß Herr Binder von unter uns einrücken und denk Dir nur, er kommt auch nach Znaim. Da Frau Binder jetzt jeden Sonntag hinausfahren wird, solange er draußen ist, können wir mit Znaim in Verbindung bleiben. Montag war ich bei Frau Peutl. Sie war ganz glücklich, daß wir sie besuchten und richtete uns direkt ein luxuriöses Nachtmahl: Fleischlaberln mit Gurkengemüse und Suppe, Tee und Butterbrot und Keks. Sie wird sich das alles die ganze Woche vom Mund absparen müssen, aber sie ist so glücklich, daß überhaupt jemand zu ihr kommt und sie endlich einmal vom Herzen weg plaudern kann, daß ihr das kein Opfer bedeutet. Sie tut mir sehr leid, von Karli hört sie jetzt gar nichts mehr und Fini schreibt ja noch immer, aber auch seltener, und dann hat sie doch so große Sorgen. Sie ist mit dem Mann und Kind in keiner beneidenswerten Lage. Frau Peutl ging mit uns bis zur Rudolfsheimer Remise und es war an diesem Abend schon so bitter kalt, wie es seither immer geblieben ist.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen