Ruth Linhart | Reisen | Donau Teil 1 | Donau Teil 2 | Donau Teil 3
Sieben Uhr. Ich wachte um fünf Uhr auf. Draußen von rosa Licht übergossene offensichtlich städtische Ufer. Ich stürzte im Trainingsanzug auf das Sonnendeck. Vororte von Belgrad wohl, Lagerhäuser oder Ähnliches an den Ufern, an denen schon Schiffe ankern. Ich machte eine Runde und schlüpfte zurück ins Bett. Jetzt um sieben Uhr stehen wir am „Passenger Terminal“ von Belgrad. Das ist so etwas wie die Landestelle Nussdorf oder Handelskai. in Wien Auf dem Bildschirm in der Kabine, der die Bewegungen des Schiffes wiedergibt, sehe ich, dass wir uns in einem Seitenarm der Donau befinden. Nein, das ist die Save, die hier in die Donau einmündet. Am Ufer eine kleine Kirche auf dem Hügel, eine Betonbrücke, über die Autobusse fahren. Spuren des Krieges der Neunzigerjahre sieht man, zumindest hier und auf diesen ersten Blick, nicht.
Die Donau ist nicht mehr von dieser wunderbaren, ausladenden Schönheit, sondern ein regulierter Fluss mit begradigten Ufern wie in Wien. Nichts mehr von diesen Weiten wie nach dem Delta oder gestern nach dem Eisernen Tor bei Golubac. Schade, dass wir die schöne Strecke von Golubac bis Belgrad im Finstern fuhren. Sie muss auch grandios sein. Nach dem Eisernen Tor weitet sich die Donau auf mehrere Kilometer Breite, schätzt Hans. Jedenfalls wirkt sie wie ein riesiger See, mit Inseln und umrandet von Gebirgen. Um halb ein Uhr nachts öffnen wir noch die Vorhänge unserer Kabine und schauen vom Bett aus auf die schnell vorbei treibenden Ufer und Wasserflächen. Aber wir können dabei nicht schlafen, und so ziehen wir die Vorhänge wieder zu.Nach der Stadtrundfahrt in Belgrad. Leider kalt, grau, Regen.
Zwieta Susurik war eine Dame aus dem 16. Jahrhundert, der man
einen Kulturpavillon im Park der Burganlage Kameledgan gewidmet
hat. So weit ich mich erinnere, war sie eine Kunstmäzenin. Im
Internet finde ich nichts über sie. Aber vielleicht liegt das an
der falschen Schreibweise. Für die Transkription von einer
Schrift in die andere gibt es immer mehrere Möglichkeiten der
Rechtschreibung. Reisebegleiterin Andrea, eine junge sachliche
Frau, hat berichtet, dass die Serben von der kyrillischen
Schrift auf die lateinische übergegangen sind, dass aber die
Kinder in der Schule aus Tradition immer noch die kyrillische
Schrift lernen.
Als erstes bringt uns der Bus die Hügel hinauf zu der riesigen
Festungsanlage über dem Zusammenfluss der Save und der Donau.
Fünf Brücken führen über die Save, sagt Andrea, nur eine über
die Donau. Die mächtige Burganlage reicht, wie alles in dieser
Region, bis in die Römerzeit zurück. Nach der Teilung des
Römischen Reiches gehörte Belgrad zum oströmischen Reich, daher
der orthodoxe Glaube und die kyrillische Schrift. Auch die
Byzantiner und später die Türken legten Hand an die Burganlage
an. Andrea trägt vor, dass die Türken und die Österreicher
Serbien beherrscht hätten. Bei jedem Sieg hätten die Nachfolger
alle Gebäude der Vorgänger dem Erdboden gleich gemacht. Die
Österreicher hätten nur ein kleines türkisches Mausoleum
übergelassen. Ein ganz winziges Gebäude in der Stadt bezeichnete
sie als einzige österreichische Spur. Dabei erinnern viele
Häuser der Stadt an den Baustil um die Wende vom 19. ins 20.
Jahrhundert, wie er für österreichische Städte so typisch ist.
Jedenfalls zogen die Osmanen erst in den sechziger Jahren des
19. Jahrhunderts aus Serbien ab, und 1862 bildete sich das
Königreich Serbien, das im wesentlichen das heutige
Zentralserbien umfasste. Der Kosovo und das heutige Mazedonien
kamen u.a. 1913 nach den Balkankriegen dazu. Ein Ultimatum
Österreichs an Serbien nach der Ermordung des Thronfolgers Franz
Ferdinand am 28. Juni 1914 und die Kriegserklärung Österreichs
an Serbien lösten den Ersten Weltkrieg aus. 1929 wurde aus dem
Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen das Königreich
Jugoslawien. Im Zweiten Weltkrieg eroberten die deutschen
Truppen das Gebiet. Jugoslawien wurde ein Satellitenstaat unter
der Kontrolle des Deutschen Reiches. Am 20. Oktober 1944 wurde
Belgrad gemeinsam von der Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee
unter Josip Broz Tito und der Roten Armee von den Deutschen
befreit. Das Staatsgebilde der Nachkriegszeit, die
Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien, hielt bis 1991
und mündete in die schrecklichen Jugoslawienkriege, die sich bis
1999 hinzogen. Heute ist Serbien ein demokratischer Staat, der
sich um Aufnahme in die EU bemüht.
Knapp vor Novi Sad passierten wir Petrovaradin. Die Festung gehört zu den größten Europas. Hier gefangen war unter anderen Josip Broz, später unter dem Pseudonym Tito bekannt. Unsere Reisebegleiterin in Belgrad hatte übrigens des öfteren „unseren Josip Broz Tito“ erwähnt. Sie hat auch eingeflochten, dass „der Kosovo ein Teil von Serbien ist.“ Für Österreich bedeutsam ist die Tatsache, dass hier bei Petrovaradin Prinz Eugen und seine Soldaten am 5. August 1716 die türkische Übermacht vernichtend schlugen.
Die Fahrt am späten Nachmittag verbringe ich auf Deck. Glattes Wasser, am linken Ufer schöne Ferienhäuser, auch ein paar Mal laute jugendliche Musik. Gartenparties am Samstag. Erstaunlicherweise fahren wir unter mehreren Brücken durch. Das erstaunt mich, denn weite Teile unserer Reisestrecke gab es überhaupt keine Brücken. Eine Weile passieren wir eine große grüne Insel. Kühe, Pferde, Schafe und Ziegen in großer Zahl weiden darauf.Niki verkürzte uns die Zeit bis zum Abendessen mit einem Vortrag über Prinz Eugen, der ihm sehr imponiert, mich aber ziemlich kalt lässt. Zum Dessert kriegte ich wirklich die Vanillespeise. Ich hatte beim Frühstück dem netten Kellner Florin aus Rumänien, der für unseren Tisch zuständig ist und die Bestellung für das Abendessen aufnahm, erklärt, ich wolle am Abend keine Nachspeise. Florin lächelte und sagte: „Ich schreibe die Vanillespeise auf!“ Jetzt bin ich ihm dankbar und freue ich mich über das köstliche Dessert. Der Süßigkeitenkoch des Schiffes ist besonders zu rühmen, denn Kuchen und Desserts sind alle wunderbar. Bei der täglichen Nachmittagsjause in der Panoramabar können eine Vielzahl davon probiert werden. Nach dem Abendessen findet eine Tombola in der Panoramabar statt. Meine Freundin gewinnt eine Donaukarte und ein Fotobuch über die Donau.
Gegen 21 Uhr, vor der Panoramabar im Freien. Vor mir der aufwärts strebende Fluss. Alles ist in rosa und helllblaues Licht getaucht. Die Moldavia, die gestern nach uns in die Schleuse Djerdap Eins einfuhr, überholte uns daraufhin. Heute nachmittags fuhr sie plötzlich stromabwärts an uns vorbei, obwohl ihr Ziel Passau ist. Nun überholte sie uns wieder in der Gegenrichtung!
Heute wachte ich um sechs Uhr auf. Dieses Aufwachen mit
glitzerndem Donauwasser und strahlendem Himmel! In der Nacht
waren Millionen Sterne am schwarzen Himmel. Ich eilte gleich auf
das Sonnendeck. Zwei Schiffsmitarbeiter spritzten es gerade mit
einem Schlauch ab, einer ging jenseits des Geländers und
reinigte die weiße Außenkante des Decks. Am Ufer hörte man
deutlich die Vögel zwitschern. Wir fuhren auf Mohács zu,
freundlich mit einem Kirchturm in einer Biegung der Donau
liegend. Dieses Mohács ist anscheinend für die Ungarn ein
trauriger Ort. Denn 1526 begann mit der verlorenen Schlacht von
Mohács eine 150-jährige Türkenherrschaft in Ungarn. 1687 gab es
eine weitere Schlacht von Mohács: Die Österreicher besiegen die
Osmanen.
In Mohács dockten wir an die Moldavia an. Sie hatte gestern
zurückfahren müssen, um den vergessenen Pass eines Passagiers zu
holen!
In der Nacht waren wir am kroatischen Vukovar vorbeigekommen und
hatten den Naturpark Kopacki rit durchfahren. Das
Naturschutzgebiet gehört zu Kroatien, Ungarn und Serbien. Hier
soll eines der größten und wichtigsten erhaltenen Sumpfgebiete
Europas sein. Auf dieser Strecke mündet auch der dritte große
Zufluss neben der Save und der Theiss, die Drau, in die Donau.
Vukovar ist ein Name, der Assoziationen erweckt. Die bereits in
der Jungsteinzeit besiedelte Gegend um Vukovar war ja während
des 1991 bis 1995 dauernden „Kroatischen Krieges“ gegen Serbien
das am stärksten umkämpfte Gebiet. Vukovar wurde damals
weitgehend zerstört. Ich lese in Wikipedia, dass heute ethnische
Separation die Stadt beherrscht und dass zum Beispiel kroatische
Kinder in kroatischer Sprache unterrichtet werden und sie die
lateinische Schrift lernen, während serbische Kinder serbisch
lernen und die kyrillische Schrift unterrichtet bekommen.
Wieder Nacht. Den ganzen Vormittag war schönes Wetter. Ich suchte auf Deck den Schatten. Anscheinend hatte es 23 Grad. Dann zog es zu, hielt aber ohne Regen durch, bis wir vom Puszta-Ausflug aufs Schiff zurückkehrten. Der Anfang des Ausfluges war hochkulturell. Wir fuhren nach Kalocsa (Kolotscha gesprochen). Es ist eine der ältesten ungarischen Städte und gilt heute als Landwirtschaftsstadt. Es gibt sogar ein Paprikamuseum. Wir werden jedoch als erstes in die Bibliothek des Erzbischofpalastes geführt. Mehr als 100.000 Bücher werden hier verwahrt, ungefähr soviel wie im Stift Melk. Die Rücken der Bände blitzen mit Goldschrift von den zahllosen Regalen, in Schaukästen kann das Publikum die größten Schätze, wie zum Beispiel eine Luther-Bibel, betrachten. Ich studiere auch alte Landkarten. Der Besuch dieser Bibliothek ist für Bücherfreunde ein absolutes Muss!
Gestern und heute begegneten wir gar keinen Lastkähnen, aber
immer wieder Flusskreuzfahrtschiffen, der Alina, Prinzessin
Katharina, Amadeus, Duchess of the Danube und anderen. Mir kommt
vor, wir lebten schon seit jeher an Bord, und trotzdem ist
unsere Reise “nur der Flügelschlag eines Schmetterlings“.
Irgendwo hier soll Nagymaros gewesen sein, bzw. die
ungarischen Spuren vom geplanten Bau des „Staustufensystems“
Gabčikovo-Nagymaros. Die Pläne zu einem Donaukraftwerk an dieser
Stelle gab es schon in den fünfziger Jahren. 1977 schlossen die
damalige Tschechoslowakei und Ungarn einen Vertrag über das
Riesenprojekt. An beiden Orten sollte ein Kraftwerk gebaut
werden. Dazu wären tiefe Eingriffe in die Umwelt nötig gewesen.
Die ökologische Bewegung in Ungarn erreichte dort den Stopp.
Niki verkündete uns gerade zuerst, dass von der Bewegung gegen
Nagymaros die sanfte Revolution in Ungarn 1989 ausgegangen sei.
Inseln in der Donau, am rechten Ufer dicht bewachsene Hügel mit
vielen Häuschen und Villen. In der Flussbiegung ein barocker
Kirchturm, ein Schloss. Der Fluss ist hier wieder sehr breit.
Ein Kreuzfahrtsschiff namens Beethoven nähert sich uns. Links
inmitten unbewohnter Waldhügel ein einziges Haus. Die Donau ist
gerade blassgrün. Helle Sonnenflecken, am Horizont zwei blaue
Streifen im Himmel. Auf der kleinen Sandbank mitten im Fluss
viele Vögel. Jetzt ist der Fluss mattes Silber.
Und nun links über uns eine große Kirche, Esztergom.
Nachts. Unsere Koffer stehen schon gepackt vor der Kabinentür.
Nachmittags gab es in der Bar eine Zusammenkunft über den Ablauf
der Ankunft, über Trinkgelder und Ähnliches. Zum „Galadiner“ am
Abend kamen wir, wie erbeten, ziemlich „aufgemascherlt“. Hans
trug Anzug und Seidenkrawatte. Er war fast overdressed. Das
Galadiner spielte alle Stücke: Vorspeise, dann Tomantenessenz
mit Basilikumnockerln, Meerbarbe mit einem Shrimp „Black tiger“,
Kalbsfilet Wellington. Eine köstliche Torte als Nachspeise und
als Draufgabe handgemachte Pralinées. Zwischendrin wurde uns ein
Sorbet gereicht. Am Ende des Gelages – die Portionen waren aber
so bemessen, dass ein unangenehmes Völlegefühl ausblieb –
stellte Niki im Beisein des Kapitäns das ganze Personal vor,
Küche, Kellner, Putztrupp, Wäscherin, Rezeption, Matrosen. Es
wurde geklascht, alle stießen Gläser und Bestecke aneinander,
dass es klirrte und schepperte. Das sei so üblich, sagte Niki.
Unsere Weingläser klangen wie ein Glockenspiel.
Später standen wir auf Deck am Bug des Schiffes und schauten in
den Abend. Wir bewegten uns mitten auf dem Riesenstausee von
Gabčikovo. Was war vorher hier gewesen? Ein Fluss, Ackerland,
Dörfer. Alles unter der nun dunklen Oberfläche des Wassers. Weit
in der Ferne ein Licht. Die Burg von Bratislava. Als ich schon
im Bett liege und zu müde zum Aufstehen bin, springt Hans mit
der Kamera zum Fenster. Bratislava, nächtlich beleuchtet.
Als ich aufwachte waren wir in der Gegend von Schönau, und ein
Regenbogen hing am Himmel. Was für ein schönes Geschenk! Wieder
versammelten sich die meisten Passagiere sehr früh auf Deck. Die
Einfahrt nach Wien gestaltete sich nicht so prächtig wie in
Budapest, aber die Wolkenkratzer auf der linken Donauseite
(flussabwärts), die UNO_City, der Feng Shui Tower am Horizont,
das beeindruckte auch. Weiter vorne der liebliche Leopoldsberg.
In der Aufregung der Ankunft vergaß Niki uns vor den Wiener
Brücken zu warnen. Die sind so niedrig, dass man auf Deck nicht
aufrecht stehen kann. Zum Glück merkten das alle Passagiere und
gingen rechtzeitig in die Knie.
Unser cruise director organisierte die Ankunft so, dass alle
Passagiere wie am Fließband das Schiff verlassen konnten. Einige
junge Leute vom Personal standen am Ausgang. Auch Flores, unser
rumänischer Tischkellner. Wir drückten ihm noch einmal die Hand.
Auch Niki: „Danke vielmals.“ Und: „Schön war´s.“ Das Taxi
wartet. Als wir mit den Koffern zu Hause aussteigen, kommt
gerade eine Klosterschwester in voller Tracht vorbei. Sie bleibt
lächelnd stehen und gratuliert uns zu dem schönen Urlaub, den
wir hinter uns haben.
Bei der Rechtschreibung halte ich mich an den zitierten Donau-Führer.
Die Reise wurde vom ÖAMTC veranstaltet und kostete 1429 Euro (Schillerdeck) plus 149 Euro für das Ausflugspaket, das fakultativ ist. Der fakultative Ausflug in die Puszta kostete weitere 50 Euro.
http://www.ichbg.com/de/kalemegdan.html
http://www.guides-serbia.com/nemacki/index.php?strana=101
http://de.wikipedia.org/wiki/Belgrad
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Serbiens
http://de.wikipedia.org/wiki/Novi_Sad
http://de.wikipedia.org/wiki/Vojvodina
http://de.wikipedia.org/wiki/Petrovaradin
http://de.wikipedia.org/wiki/Naturpark_Kopacki_rit
http://de.wikipedia.org/wiki/Vukovar
http://de.wikipedia.org/wiki/Mohacs
http://de.wikipedia.org/wiki/Kalocsa
http://de.wikipedia.org/wiki/Halbblut_Pferd
http://de.wikipedia.org/wiki/Szentendre
http://de.wikipedia.org/wiki/Vac
http://de.wikipedia.org/wiki/Visegrad
http://de.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk_Gabcikovo
http://de.wikipedia.org/wiki/Esztergom
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