Ruth Linhart | Reisen | Donau Teil 1 | Donau Teil 2 | Donau Teil 3

die
        Donau in Rumänien

Die Donau, vom Delta nach Wien


Belgrad

Sieben Uhr. Ich wachte um fünf Uhr auf. Draußen von rosa Licht übergossene offensichtlich städtische Ufer. Ich stürzte im Trainingsanzug auf das Sonnendeck. Vororte von Belgrad wohl, Lagerhäuser oder Ähnliches an den Ufern, an denen schon Schiffe ankern. Ich machte eine Runde und schlüpfte zurück ins Bett. Jetzt um sieben Uhr stehen wir am „Passenger Terminal“ von Belgrad. Das ist so etwas wie die Landestelle Nussdorf oder Handelskai. in Wien Auf dem Bildschirm in der Kabine, der die Bewegungen des Schiffes wiedergibt, sehe ich, dass wir uns in einem Seitenarm der Donau befinden. Nein, das ist die Save, die hier in die Donau einmündet. Am Ufer eine kleine Kirche auf dem Hügel, eine Betonbrücke, über die Autobusse fahren. Spuren des Krieges der Neunzigerjahre sieht man, zumindest hier und auf diesen ersten Blick, nicht.

bei Golubac
Die Donau ist nicht mehr von dieser wunderbaren, ausladenden Schönheit, sondern ein regulierter Fluss mit begradigten Ufern wie in Wien. Nichts mehr von diesen Weiten wie nach dem Delta oder gestern nach dem Eisernen Tor bei Golubac. Schade, dass wir die schöne Strecke von Golubac bis Belgrad im Finstern fuhren. Sie muss auch grandios sein. Nach dem Eisernen Tor weitet sich die Donau auf mehrere Kilometer Breite, schätzt Hans. Jedenfalls wirkt sie wie ein riesiger See, mit Inseln und umrandet von Gebirgen. Um halb ein Uhr nachts öffnen wir noch die Vorhänge unserer Kabine und schauen vom Bett aus auf die schnell vorbei treibenden Ufer und Wasserflächen. Aber wir können dabei nicht schlafen, und so ziehen wir die Vorhänge wieder zu.

Nach der Stadtrundfahrt in Belgrad. Leider kalt, grau, Regen.
Zwieta Susurik war eine Dame aus dem 16. Jahrhundert, der man einen Kulturpavillon im Park der Burganlage Kameledgan gewidmet hat. So weit ich mich erinnere, war sie eine Kunstmäzenin. Im Internet finde ich nichts über sie. Aber vielleicht liegt das an der falschen Schreibweise. Für die Transkription von einer Schrift in die andere gibt es immer mehrere Möglichkeiten der Rechtschreibung. Reisebegleiterin Andrea, eine junge sachliche Frau, hat berichtet, dass die Serben von der kyrillischen Schrift auf die lateinische übergegangen sind, dass aber die Kinder in der Schule aus Tradition immer noch die kyrillische Schrift lernen.
Als erstes bringt uns der Bus die Hügel hinauf zu der riesigen Festungsanlage über dem Zusammenfluss der Save und der Donau. Fünf Brücken führen über die Save, sagt Andrea, nur eine über die Donau. Die mächtige Burganlage reicht, wie alles in dieser Region, bis in die Römerzeit zurück. Nach der Teilung des Römischen Reiches gehörte Belgrad zum oströmischen Reich, daher der orthodoxe Glaube und die kyrillische Schrift. Auch die Byzantiner und später die Türken legten Hand an die Burganlage an. Andrea trägt vor, dass die Türken und die Österreicher Serbien beherrscht hätten. Bei jedem Sieg hätten die Nachfolger alle Gebäude der Vorgänger dem Erdboden gleich gemacht. Die Österreicher hätten nur ein kleines türkisches Mausoleum übergelassen. Ein ganz winziges Gebäude in der Stadt bezeichnete sie als einzige österreichische Spur. Dabei erinnern viele Häuser der Stadt an den Baustil um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert, wie er für österreichische Städte so typisch ist.
Jedenfalls zogen die Osmanen erst in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts aus Serbien ab, und 1862 bildete sich das Königreich Serbien, das im wesentlichen das heutige Zentralserbien umfasste. Der Kosovo und das heutige Mazedonien kamen u.a. 1913 nach den Balkankriegen dazu. Ein Ultimatum Österreichs an Serbien nach der Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 und die Kriegserklärung Österreichs an Serbien lösten den Ersten Weltkrieg aus. 1929 wurde aus dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen das Königreich Jugoslawien. Im Zweiten Weltkrieg eroberten die deutschen Truppen das Gebiet. Jugoslawien wurde ein Satellitenstaat unter der Kontrolle des Deutschen Reiches. Am 20. Oktober 1944 wurde Belgrad gemeinsam von der Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee unter Josip Broz Tito und der Roten Armee von den Deutschen befreit. Das Staatsgebilde der Nachkriegszeit, die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien, hielt bis 1991 und mündete in die schrecklichen Jugoslawienkriege, die sich bis 1999 hinzogen. Heute ist Serbien ein demokratischer Staat, der sich um Aufnahme in die EU bemüht.

am
            Burgberg von Belgrad
Savemündung
Einen weiten Blick auf Belgrad, den Zusammenfluss von Save und Donau und auf eine große grüne Insel hat man vom Siegerdenkmal. Ein nackter Mann steht auf einer Säule. Es wurde nach dem Ersten Weltkrieg von einem kroatischen Künstler geschaffen, und die damalige vor allem Damenwelt hätte sich von der Nacktheit des Mannes brüskiert gefühlt, berichtet Andrea.
Danach werden wir zu einer Fußgängerzone mündend in einen großen Platz gekarrt. Ich nehme an, es handelte sich um die denkmalgeschützte Knez Mihajlova, eine ehemalige Römerstraße, jetzt eine Fußgängerzone und Einkaufsstraße. Als „lebhaft“ wird sie im Reiseführer geschildert. Aber es ist zirka 9 Uhr, Samstag vormittag. Keine Menschenseele außer uns lustwandelt hier bei Regen und geschlossenen Geschäften. Andrea hat gesagt, in Serbien nehme man keine Euro. Also verzichten wir auf den Kaffeehausbesuch, denn wir haben nur Euro. Es erschien uns zu aufwendig, Geld in die Währungen aller Länder zu wechseln, die wir besuchen. Wir hatten auch keine Ahnung, wie viel Geld wir bei unseren Landausflügen ausgeben würden. Also wählten wir die einfachste Lösung und wechselten gar nicht. Übrigens tranken Mitreisende Kaffee und zahlten mit Euro!
Wir hingegen wandern im leichten Regen auf und ab und entdecken eine Filiale der Hypo Alpe Adria-Bank.
Weiters folgte eine Stadtrundfahrt mit dem Bus. In Erinnerung sind mir zwei zerbombte große Gebäude in einer Hauptstraße, die als Mahnmal und in Erinnerung an den Jugoslawischen Krieg stehen bleiben sollen. Ich nehme an, so ähnlich wie die Atombombenkuppel in Hiroshima.
Savemündung
Zum Abschluss werden wir in die St. Sava-Kathedrale geführt. An eine riesige Moschee erinnernd thront sie auf einem Hügel und ist fast von überall her zu sehen. Mit ihrem Bau wurde 1935 begonnen, sie ist aber im Inneren immer noch nicht fertig gestellt. Mit einer Fasskraft von 11 000 Gläubigen ist sie eine der größten orthodoxen Kirchen der Welt. Das Schönste an der Kirche ist die Musik, die diskret den riesigen Innenraum erfüllt. Ein Chor singt geistliche Lieder. Wir kaufen die CD mit der Musik, aber der Text darauf ist kyrillisch geschrieben. Das können wir nicht lesen. 

Kriege

Jetzt scheint die Sonne wieder. Das Schiff rauscht leise, das Wasser unterhalb des geöffneten Fensters lauter. Es glitzert, und das Ufer zieht sich grün bewaldet dahin. Darüber hellblauer Himmel mit weißen Wolken. Aus der Ferne schaut es immer aus, als wachse das Ufer rund um den Fluss, wahrscheinlich biegt sich die Donau vor uns gerade wieder. Von Belgrad verläuft die Donau  - in unserer Fahrtrichtung - eine Weile nach Westen, dann, etwa bei Vukovar, wendet sie sich bis zum „Donauknie“ oberhalb von Budapest steil gegen Norden. Wir sind auf dem 44. Breitengrad. Derzeit befinden wir uns etwas oberhalb der Mündung der Theiss, also etwa bei Flusskilometer 1220. Noch rund 650 Kilometer liegen vor uns. Der Zufluss der Theiss bringt sehr viel Wasser in die Donau. Folgerichtig wird die Donau jetzt schmäler. Niki macht uns darauf aufmerksam, dass Tokaj und Szeged an der Theiss liegen.
Novi Sad
Auf der Strecke, die wir jetzt in Muße und entspannter Laune auf Deck des Schiffes verbringen, tobte vor nicht langer Zeit der Krieg. Auf Novi Sad warf die Nato Bomben und zerstörte die drei Brücken der Stadt. Novi Sad war das „serbische Athen“ schreibt Magris (383), „Ausgangspunkt einer kulturellen und politischen Renaissance.“ Heute ist es die Hauptstadt der Voivodina. Amtssprachen samt den jeweiligen Schriftsystemen sind Serbisch, Kroatisch, Ungarisch, Slowakisch, Rumänisch und Ruthenisch. Mit seiner mächtigen Burganlage soll Novi Sad eine wunderschöne lebendige Stadt sein. Die Sonne schien, als wir vorbei- und unter den wieder aufgebauten Brücken hindurch glitten.

Knapp vor Novi Sad passierten wir Petrovaradin. Die Festung gehört zu den größten Europas. Hier gefangen war unter anderen Josip Broz, später unter dem Pseudonym Tito bekannt. Unsere Reisebegleiterin in Belgrad hatte übrigens des öfteren „unseren Josip Broz Tito“ erwähnt. Sie hat auch eingeflochten, dass „der Kosovo ein Teil von Serbien ist.“ Für Österreich bedeutsam ist die Tatsache, dass hier bei Petrovaradin Prinz Eugen und seine Soldaten am 5. August 1716 die türkische Übermacht vernichtend schlugen. 

Viehhaltung auf einer
            Donauinsel in Serbien
Die Fahrt am späten Nachmittag verbringe ich auf Deck. Glattes Wasser, am linken Ufer schöne Ferienhäuser, auch ein paar Mal laute jugendliche Musik. Gartenparties am Samstag. Erstaunlicherweise fahren wir unter mehreren Brücken durch. Das erstaunt mich, denn weite Teile unserer Reisestrecke gab es überhaupt keine Brücken. Eine Weile passieren wir eine große grüne Insel. Kühe, Pferde, Schafe und Ziegen in großer Zahl weiden darauf.

Niki verkürzte uns die Zeit bis zum Abendessen mit einem Vortrag über Prinz Eugen, der ihm sehr imponiert, mich aber ziemlich kalt lässt. Zum Dessert kriegte ich wirklich die Vanillespeise. Ich hatte beim Frühstück dem netten Kellner Florin aus Rumänien, der für unseren Tisch zuständig ist und die Bestellung für das Abendessen aufnahm, erklärt, ich wolle am Abend keine Nachspeise. Florin lächelte und sagte: „Ich schreibe die Vanillespeise auf!“ Jetzt bin ich ihm dankbar und freue ich mich über das köstliche Dessert. Der Süßigkeitenkoch des Schiffes ist besonders zu rühmen, denn Kuchen und Desserts sind alle wunderbar. Bei der täglichen Nachmittagsjause in der Panoramabar können eine Vielzahl davon probiert werden. Nach dem Abendessen findet eine Tombola in der Panoramabar statt. Meine Freundin gewinnt eine Donaukarte und ein Fotobuch über die Donau.

Gegen 21 Uhr, vor der Panoramabar im Freien. Vor mir der aufwärts strebende Fluss. Alles ist in rosa und helllblaues Licht getaucht. Die Moldavia, die gestern nach uns in die Schleuse Djerdap Eins einfuhr, überholte uns daraufhin. Heute nachmittags fuhr sie plötzlich stromabwärts an uns vorbei, obwohl ihr Ziel Passau ist. Nun überholte sie uns wieder in der Gegenrichtung!

3.7.2011 Mohács, Kalocsa und die Puszta

Mohács
            Schengen-Außengrenze
Wir sind hier an einer „Schengen-Außengrenze“, und in der Panoramabar fand eine „Gesichtskontrolle“ statt. Eine Zollbeamtin sitzt bei einem Tisch am Eingang, und vergleicht aufmerksam Foto und Originalgesicht. Aller Passagiere. Solche Kontrollen werden nur stichprobenweise durchgeführt, erfahren wir. Damit sich niemand aufregt, erinnert Niki daran, dass auch wir in Österreich wollen, dass keine unerwünschten Personen in die EU einreisen. Und deshalb sei die Zeit kostende Kontrolle nötig.

Heute wachte ich um sechs Uhr auf. Dieses Aufwachen mit glitzerndem Donauwasser und strahlendem Himmel! In der Nacht waren Millionen Sterne am schwarzen Himmel. Ich eilte gleich auf das Sonnendeck. Zwei Schiffsmitarbeiter spritzten es gerade mit einem Schlauch ab, einer ging jenseits des Geländers und reinigte die weiße Außenkante des Decks. Am Ufer hörte man deutlich die Vögel zwitschern. Wir fuhren auf Mohács zu, freundlich mit einem Kirchturm in einer Biegung der Donau liegend. Dieses Mohács ist anscheinend für die Ungarn ein trauriger Ort. Denn 1526 begann mit der verlorenen Schlacht von Mohács eine 150-jährige Türkenherrschaft in Ungarn. 1687 gab es eine weitere Schlacht von Mohács: Die Österreicher besiegen die Osmanen.
In Mohács dockten wir an die Moldavia an. Sie hatte gestern zurückfahren müssen, um den vergessenen Pass eines Passagiers zu holen!
In der Nacht waren wir am kroatischen Vukovar vorbeigekommen und hatten den Naturpark Kopacki rit durchfahren. Das Naturschutzgebiet gehört zu Kroatien, Ungarn und Serbien. Hier soll eines der größten und wichtigsten erhaltenen Sumpfgebiete Europas sein. Auf dieser Strecke mündet auch der dritte große Zufluss neben der Save und der Theiss, die Drau, in die Donau.
Vukovar ist ein Name, der Assoziationen erweckt. Die bereits in der Jungsteinzeit besiedelte Gegend um Vukovar war ja während des 1991 bis 1995 dauernden „Kroatischen Krieges“ gegen Serbien das am stärksten umkämpfte Gebiet. Vukovar wurde damals weitgehend zerstört. Ich lese in Wikipedia, dass heute ethnische Separation die Stadt beherrscht und dass zum Beispiel kroatische Kinder in kroatischer Sprache unterrichtet werden und sie die lateinische Schrift lernen, während serbische Kinder serbisch lernen und die kyrillische Schrift unterrichtet bekommen.

Handschrift in der Bibliothek
            von Kalocsa
Wieder Nacht. Den ganzen Vormittag war schönes Wetter. Ich suchte auf Deck den Schatten. Anscheinend hatte es 23 Grad. Dann zog es zu, hielt aber ohne Regen durch, bis wir vom Puszta-Ausflug aufs Schiff zurückkehrten. Der Anfang des Ausfluges war hochkulturell. Wir fuhren nach Kalocsa (Kolotscha gesprochen). Es ist eine der ältesten ungarischen Städte und gilt heute als Landwirtschaftsstadt. Es gibt sogar ein Paprikamuseum. Wir werden jedoch als erstes in die Bibliothek des Erzbischofpalastes geführt. Mehr als 100.000 Bücher werden hier verwahrt, ungefähr soviel wie im Stift Melk. Die Rücken der Bände blitzen mit Goldschrift von den zahllosen Regalen, in Schaukästen kann das Publikum die größten Schätze, wie zum Beispiel eine Luther-Bibel, betrachten. Ich studiere auch alte Landkarten. Der Besuch dieser Bibliothek ist für Bücherfreunde ein absolutes Muss!
Die
            Basilika von Kalocsa
Anschließend hören wir im von rosa Farbe erfüllten barocken Dom ein Orgelkonzert. Der Dom aus dem 18. Jahrhundert hat Vorgänger bis ins 11. Jahrhundert. Die Orgel ist vielleicht die größte von Ungarn und auf ihr hat auch Liszt schon gespielt, erzählt die etwas schüchterne Reisebegleiterin. Sie heißt diesmal „Niki“, wie unser cruise director, der auch mit von der Partie ist.
Dann geht es ab zur Puszta Csárda – etwa Puszta-Ranch. Wir hatten uns von dem ganzen Ausflug eher eine Art Sauftour erwartet, aber auch diese Puszta Ranch bot uns ein anspruchsvolles Programm. Ich war erst einmal überrascht, denn ich hatte mir ein wüstes sandiges Gebiet vorgestellt, stattdessen erwartet uns eine Art grün bewachsene Steppe mit hohen Gräsern und anderen Pflanzen. Wir erleben eine Begrüßung mit Barack, dann Verkostung von Wein und ungarischen Lángos, die ganz anders ausschauen und schmecken als etwa im Wiener Prater. Und volkskünstlerische Einkaufsmöglichkeiten. Anschließend geht es zu den Tieren. Mangalitzaschweine, ungarische Graurinder, Schafe – hier gibt es noch Schafherden mit Schäfern und Schäferhunden, Puli genannt.
Mangalitzaschwein
Wir besichtigen ein traditionelles Bauernhaus, klein und dunkel. Kutschen mit jeweils zwei Pferden vorgespannt ziehen mit uns eine weite holprige Runde durch die Umgebung der Puszta Carda. Als Höhepunkt und Abschluss die Reitervorführung auf ungarischen Halbblutpferden. Sie gelten, lese ich, als besonders temperamentvoll, und dies bestätigt sich mit Galopp und aufgewirbelten Staub. Die Csikós, die Pferdehirten, blau gekleidet, betätigen sich zirkusreif. Als absolutem Klimax jagt ein Reiter, mit beiden Beinen auf je einem weißen Pferd stehend
Schnelle
            Runde mit 5 Pferden
und vor sich drei Schimmel am Zügel haltend – also insgesamt fünf Pferde regulierend – durch die Manege. Diese „Zirkusnummer“ gab es anscheinend früher nicht. Ein Maler träumte die Konstellation und setzte sie in ein Bild um. Dieses sah ein Pferdehirt, der den Ehrgeiz hatte, die Vorstellung zu realisieren. Und seither ist sie fester Bestandteil der Reitervorführungen. Der Ausflug gehörte übrigens nicht zum in Wien bereits gebuchten Paket, sondern kostete zusätzlich 50 Euro pro Person, was angemessen war. 

4. 7. 2011 Budapest und das Donauknie

Parlament in Budapest
Budapest:
            der Burgberg
Anders als sonst bevölkerten nicht nur ich und zwei, drei Frühaufsteher heute um sechs Uhr das Sonnendeck, sondern ein großer Teil der Mitreisenden. Niki hatte uns aufgefordert, die Einfahrt nach Budapest mitzuerleben. In Budapest liegen ja bekanntlich die schönsten Prachtbauten direkt an der Donau, Parlament, Fischerbastei, Mathiaskirche, der Burgberg mit dem Schloss, imposante Brücken. Vorerst gab es die einzige Gereiztheit des Personals auf der ganzen Reise (eine wortlose Gereiztheit), als sich ungewohnt viele Menschen zum Frühkaffee drängten. Aber dann waren alle beeindruckt von der großartigen Kulisse, die sich uns zur Morgenstunde bot.
Die Kettenbrücke in Budapest
Wir entschieden uns, den Ausflug in die Stadt nicht mitzumachen, da wir schon einige Male in Budapest waren, sondern gemütlich auf dem Schiff um das Donauknie zu fahren.
Und da sitzen wir nun auf Deck, starker Wind, blasse Sonne. Ich habe zusätzlich zu Wolljacke und Anorak noch einen Wollumhang geholt. Wir passieren die Margareteninsel und im Norden von Budapest eine Gegend mit vielen Villen, wahrscheinlich eine Ausflugs- und Wochenendhäuser-Gegend für die Großstädter. Berge und dicht bewachsene Hügel, blaugrüne Ufer.
im
            Donauknie
Dann wieder schmiegen sich ans Ufer zu einem Besuch einladende Städtchen. Von Budapest bis hierher reicht die Szentendre-Insel in der Donau. Vom Ort Szentendre sehe ich in Reih und Glied fünf Kirchtürme, im Reiseführer lese ich, dass sogar sieben Kirchen den Horizont beherrschen. Szentendre wird als „bezauberndes Städtchen“ und „touristisches Mekka des Donauknies“ bezeichnet. Dann folgen Vác und Visegrad. Vác hat Textilfabriken und Zementwerke am Stadtrand, aber eine Kathedrale aus dem 18. Jahrhundert liefert mit ihrem Kirchturm einen mildernden Punkt im Uferbild. Visegrad sieht auf eine bedeutende Geschichte zurück. Im 14. Jahrhundert verlegte Karl I seine Residenz nach Visegrad. Niki erzählt uns von Mathias Corvinus, der mit seiner Frau Beatrix von Aragon, die er liebte, im 15. Jahrhundert von hier aus herrschte. Niki bezeichnet ihn als rundum glücklichen König. In weiterer Folge zerstörten die Türken die Burg fast vollständig und die Habsburger siedelten hier deutsche Familien an.

Gestern und heute begegneten wir gar keinen Lastkähnen, aber immer wieder Flusskreuzfahrtschiffen, der Alina, Prinzessin Katharina, Amadeus, Duchess of the Danube und anderen. Mir kommt vor, wir lebten schon seit jeher an Bord, und trotzdem ist unsere Reise “nur der Flügelschlag eines Schmetterlings“.

Das einzige Negative ist der Mangel an Bewegung. Heute bin ich schon zehnmal rund um das Deck geeilt.
Hängebrücke nördlich von
            Budapest
Was unsere Unterhaltung anlangt, so meinte es unser „cruise director“ fast zu gut. Dass jeden Abend in der Panoramabar Tanzmusik angeboten wird, freute uns sehr, aber meistens begann Einmannunterhalter Lazi erst nach einem Programm zu spielen, und dann war der Abend schon ziemlich fortgeschritten. Niki hat uns nicht nur über die Donau, über Bukarest, über das Eiserne Tor und ausführlich über Belgrad und Prinz Eugen informiert. Er hat für uns auch einen Abend mit heiteren Gedichten gestaltet. Morgenstern, Erich Kästner, Eugen Roth und andere kamen zum Zug. Einmal, in Russe, tanzten uns bulgarische Volkstänzer vor. Bei der Tombola gewann meine Freundin, wie erwähnt. Nachdem wir das Eiserne Tor passiert hatten, versuchte uns Niki in große Aufregung zu versetzen, weil Piraten das Schiff gekapert hätten. Wir sollten uns alle etwas einfallen lassen, um uns zu Piraten umzugestalten. Unser Freund band sich ein Halstuch um die Stirn, was viele machten. Hans setzte nur seine dunkle Sonnenbrille auf. Jeder wurde am Eingang zum Speisesaal fotografiert, und das Besteck und die Gläser auf dem Tisch lagen  von Piratenhand wild durcheinander gewirbelt. Gestern gab es die „Crew-Show“. Hoffentlich haben alle Mitwirkenden aus den verschiedensten Arbeitsbereichen der MS Nestroy sich auch gerne vor dem Gästepublikum exponiert. Unser Niki-Tausendsassa eröffnete die Show mit „Cabaret, Cabaret“. Seine Stimme ist wirklich sein größtes Kapital, scheint mir.
Wenn das Wetter wärmer gewesen wäre, hätte ich mich sicher an dem einen oder anderen Abend aufs Deck gesetzt, dem leisen Brummen den Schiffes und dem zarten Plätschern der Wellen gelauscht. Da dies aber nicht der Fall war, fanden auch wir uns jeden Abend in der gerammelt vollen Panoramabar ein.

Irgendwo hier soll Nagymaros gewesen sein, bzw. die ungarischen Spuren vom geplanten Bau des „Staustufensystems“ Gabčikovo-Nagymaros. Die Pläne zu einem Donaukraftwerk an dieser Stelle gab es schon in den fünfziger Jahren. 1977 schlossen die damalige Tschechoslowakei und Ungarn einen Vertrag über das Riesenprojekt. An beiden Orten sollte ein Kraftwerk gebaut werden. Dazu wären tiefe Eingriffe in die Umwelt nötig gewesen. Die ökologische Bewegung in Ungarn erreichte dort den Stopp. Niki verkündete uns gerade zuerst, dass von der Bewegung gegen Nagymaros die sanfte Revolution in Ungarn 1989 ausgegangen sei.
Inseln in der Donau, am rechten Ufer dicht bewachsene Hügel mit vielen Häuschen und Villen. In der Flussbiegung ein barocker Kirchturm, ein Schloss. Der Fluss ist hier wieder sehr breit. Ein Kreuzfahrtsschiff namens Beethoven nähert sich uns. Links inmitten unbewohnter Waldhügel ein einziges Haus. Die Donau ist gerade blassgrün. Helle Sonnenflecken, am Horizont zwei blaue Streifen im Himmel. Auf der kleinen Sandbank mitten im Fluss viele Vögel. Jetzt ist der Fluss mattes Silber.
Und nun links über uns eine große Kirche, Esztergom.

Esztergom
Esztergom, Ungarns erste Hauptstadt und Königssitz, lese ich. König Stephan gründete die Kathedrale 1010. Zerstörung durch die Türken und Verfolgung des Klerus im Kommunismus änderten nichts daran, dass die Stadt das Zentrum der ungarischen Katholiken blieb. In der Krypta ist Kardinal Mindszenty begraben, der von den Kommunisten eingesperrt wurde, 1956 beim Ungarnaufstand frei kam und dann bis zu seinem Tod 1975 in der Botschaft der USA lebte. Wir sehen nicht mehr von Esztergom als die Riesenkuppel der klassizistischen Basilika über uns aufragen. Von ihr soll man einen herrlichen Blick in die Gegend haben.
Wir legen an. Alle, die Budapest anschauten, kehren jetzt auf das Schiff zurück. Wir sind eine Stunde verspätet, das Schiff konnte nicht schneller fahren. 

Nachts. Unsere Koffer stehen schon gepackt vor der Kabinentür. Nachmittags gab es in der Bar eine Zusammenkunft über den Ablauf der Ankunft, über Trinkgelder und Ähnliches. Zum „Galadiner“ am Abend kamen wir, wie erbeten, ziemlich „aufgemascherlt“. Hans trug Anzug und Seidenkrawatte. Er war fast overdressed. Das Galadiner spielte alle Stücke: Vorspeise, dann Tomantenessenz mit Basilikumnockerln, Meerbarbe mit einem Shrimp „Black tiger“, Kalbsfilet Wellington. Eine köstliche Torte als Nachspeise und als Draufgabe handgemachte Pralinées. Zwischendrin wurde uns ein Sorbet gereicht. Am Ende des Gelages – die Portionen waren aber so bemessen, dass ein unangenehmes Völlegefühl ausblieb – stellte Niki im Beisein des Kapitäns das ganze Personal vor, Küche, Kellner, Putztrupp, Wäscherin, Rezeption, Matrosen. Es wurde geklascht, alle stießen Gläser und Bestecke aneinander, dass es klirrte und schepperte. Das sei so üblich, sagte Niki. Unsere Weingläser klangen wie ein Glockenspiel.
Später standen wir auf Deck am Bug des Schiffes und schauten in den Abend. Wir bewegten uns mitten auf dem Riesenstausee von Gabčikovo. Was war vorher hier gewesen? Ein Fluss, Ackerland, Dörfer. Alles unter der nun dunklen Oberfläche des Wassers. Weit in der Ferne ein Licht. Die Burg von Bratislava. Als ich schon im Bett liege und zu müde zum Aufstehen bin, springt Hans mit der Kamera zum Fenster. Bratislava, nächtlich beleuchtet.

5. Juli 2011 Wien

Als ich aufwachte waren wir in der Gegend von Schönau, und ein Regenbogen hing am Himmel. Was für ein schönes Geschenk! Wieder versammelten sich die meisten Passagiere sehr früh auf Deck. Die Einfahrt nach Wien gestaltete sich nicht so prächtig wie in Budapest, aber die Wolkenkratzer auf der linken Donauseite (flussabwärts), die UNO_City, der Feng Shui Tower am Horizont, das beeindruckte auch. Weiter vorne der liebliche Leopoldsberg. In der Aufregung der Ankunft vergaß Niki uns vor den Wiener Brücken zu warnen. Die sind so niedrig, dass man auf Deck nicht aufrecht stehen kann. Zum Glück merkten das alle Passagiere und gingen rechtzeitig in die Knie.
Unser cruise director organisierte die Ankunft so, dass alle Passagiere wie am Fließband das Schiff verlassen konnten. Einige junge Leute vom Personal standen am Ausgang. Auch Flores, unser rumänischer Tischkellner. Wir drückten ihm noch einmal die Hand. Auch Niki: „Danke vielmals.“ Und: „Schön war´s.“ Das Taxi wartet. Als wir mit den Koffern zu Hause aussteigen, kommt gerade eine Klosterschwester in voller Tracht vorbei. Sie bleibt lächelnd stehen und gratuliert uns zu dem schönen Urlaub, den wir hinter uns haben.

Bei der Rechtschreibung halte ich mich an den zitierten Donau-Führer.

Die Reise wurde vom ÖAMTC veranstaltet und kostete 1429 Euro (Schillerdeck) plus 149 Euro für das Ausflugspaket, das fakultativ ist. Der fakultative Ausflug in die Puszta kostete weitere 50 Euro.


Quellen:

Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen, Serie Piper 308, München, Neuausgabe 1986
Martin Gostelow und Elke Frey, Die Donau, JPM Guides, Lausanne, Ausgabe 2011
Claudio Magris, Donau – Biographie eines Flusses, erstmals 1986 in italienischer Sprache in Mailand erschienen, die verwendete Taschenbuchausgabe, Deutscher Taschenbuchverlag, München, 7. Auflage 2010
F.W. Putzger, Historischer Weltatlas zur allgemeinen und österreichischen Geschichte, 49. Auflage, Wien 1974

http://www.ichbg.com/de/kalemegdan.html

http://www.guides-serbia.com/nemacki/index.php?strana=101

http://de.wikipedia.org/wiki/Belgrad

http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Serbiens

http://de.wikipedia.org/wiki/Novi_Sad

http://de.wikipedia.org/wiki/Vojvodina

http://de.wikipedia.org/wiki/Petrovaradin

http://de.wikipedia.org/wiki/Naturpark_Kopacki_rit

http://de.wikipedia.org/wiki/Vukovar

http://de.wikipedia.org/wiki/Mohacs

http://de.wikipedia.org/wiki/Kalocsa

http://de.wikipedia.org/wiki/Halbblut_Pferd

http://de.wikipedia.org/wiki/Szentendre

http://de.wikipedia.org/wiki/Vac

http://de.wikipedia.org/wiki/Visegrad

http://de.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk_Gabcikovo

http://de.wikipedia.org/wiki/Esztergom


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