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"Ich bin kein Held. Ich sag
mir, überleben ist alles. Mein Vater ist im Ersten Weltkrieg nicht
eingerückt, mein Bruder ist im Zweiten Weltkrieg nicht eingerückt,
und ich hab auch ein rosa Papierl bekommen. Einen Schein, daß ich in
kriegswichtiger Tätigkeit bin. Ich war ursprünglich städtischer
Horterzieher, bin ein 'Schönbrunner', einer von den zwei Buben, die die
Schule ganz gemacht haben. 1934 hat man keine roten Erzieher mehr brauchen
können, man hat mich in die Straßenbauabteilung ins Rathaus
versetzt. Ich hab die politischen Entwicklungen
genauestens beobachtet. Wie die Schwarzen gekommen sind, hab ich sofort die
'Reichspost' abonniert, und wie der Hitler gekommen ist war ich der erste, der
den "Völkischen Beobachter" genommen hat. Dort hat man zwischen den Zeilen
lesen können, wie und was. Nicht nur, wenn man im Radio Wagner gehört
hat. Da hat man immer gewußt, jetzt kriegt er wieder was drauf.
In der schwarzen Zeit hab ich noch im Haus gegen die Nazi
gearbeitet, Wandzeitungen, noch dazu mit einer Jüdin verheiratet war ich
auch. Und dann kommen die Nazi - na und wie jetzt?! Wie jetzt? Die Jüdin
war weg, es war ja eine andere da, die andere war blond, hat ja niemand
gewußt daß sie eine 'Viertel' ist. Deutschbewußt war sie
auch. Vierteljüdin, aber eine Nazisse. Die Olga hatte auch nicht wie eine
Jüdin ausgeschaut, kastanienbraun war sie, eine Brillenträgerin,
niemand hätte das geglaubt. Ihre Schwester Hedy auch nicht.
1938 war also die Abstimmung, die keine war. Da sind wir
städtische Beamte in der Kommission gesessen, und natürlich waren
sonst alles Nazi dort. Als Beamter mußte man da mitschreiben. Die haben
zählen können, was sie wollten. Die haben das einfach untereinander
ausgemacht. Aber kein Zweifel, daß die Österreicher damals ... ich
bitte, wir kennen die Österreicher doch von den letzten
Bundespräsidentenwahlen
her..., das Ende der Not, der Arbeitslosigkeit war den Leuten doch wichtig.
Zuwider? Mir persönlich war nichts zuwider. Denn ich
habe mir gesagt, Widerstand kostet dich die Freiheit oder gleich den Kopf. In
Kärnten haben ein Dutzend Eisenbahner in die Lager der Waggons
Schmirgelpulver hineingeschüttet. Irgendeiner hats verraten - sind alle
geköpft worden. Und im Haus ist man bespitzelt worden hinten und vorne.
Man hat nur gewußt, wem gegenüber man sich äußern darf,
das war ein ganz kleiner Kreis, und mit dem hab ich vermieden,
zusammenzukommen, schon auch aus Zeitmangel, aber auch, weil ich mir gedacht
hab, die werden beobachtet und dann kommen's auf mich.
Ja, es ist sogar so weit gegangen, daß ich mich
getarnt hab. Und zwar bei der Rathaus-SA. 1938 war die SA ja schon ohne
Bedeutung, das war ein Veteranen-Verein. Im Rathaus haben sich alle, die eine
Angst gehabt haben oder geglaubt haben, sich schützen zu müssen, zur
SA gemeldet. Da haben wir Stiefel, eine Hose, ein Kappl und einen Gürtel
bekommen und sind zweimal in der Woche ins Rathaus bestellt worden, und da
haben wir im Hof exerziert. Eines Tages, es sind zwei
Kompanien angetreten, 250 Leute insgesamt, da wurden wir gefragt: 'Wer von euch
war illegal?' Ein einziger hat die Hand gehoben?. Es waren also lauter
Angstmeier, genauso wie ich. Nach dem Exerzieren haben wir in der Volkshalle
dieselben Lieder gelernt wie die Soldaten draußen. Man hat sich dazu
gemeldet, weil dann war man nicht mehr gefährdet, dann hat man
dazugehört zu dem Gesindel. Ich hab fest damit spekuliert, daß ich,
wenn man mich irgendwo einsetzt, einen politischen Gefangenen oder Juden helfen
kann. Aber so weit haben die uns nicht vertraut. Dann ist
die Rathaus-SA aufgelöst worden. Zur Bezirks-SA wollte ich nicht, da waren
lauter Nazis. Also schön, weiter zur Reiter-SA. Da ist im Prater eine
Reitschule gewesen. Die haben zehn verhungerte Pferde gehabt. Dort haben wir
aufsteigen gelernt, haben reiten gelernt, Schritt, Galopp, Trab, eine Stunde,
dann hat man dem Pferderl ein altes Stückl Brot gegeben und ist nach Hause
gegangen. Es waren ja alle Vereine aufgelöst, wenn einer Motorradfahrer
war, musste er zur NSKK, wenn einer ein
Boot auf der Donau hatte, zur SS-Marine gehen. Eines Tages hat mich ein Pferd
runtergeschmissen, dann bin ich nicht mehr hingegangen.
Und jetzt ist die Sache brenzlig geworden. Ich wollte
Minnie heiraten, eine Vierteljüdin. Ich bin nach Hernals zu dem Beamten
gegangen. Er hat gesagt: 'Das kannst du unmöglich,
einen jüdischen Mischling heiraten, als öffentlicher Bediensteter.'
Ich hab alles Mögliche gejammert, jeden Augenblick hab ich gedacht, jetzt
drückt er auf den Knopf und ich komm ins KZ. Es sind ja auch Leute
deswegen ins KZ gekommen. Aber irgendwie hab ich mich vielleicht so fromm
gestellt, daß ich ihm doch leid getan habe. Er sagt: 'Hau ab. Uniform,
alles abgeben!' Sogar das Sportehrenzeichen. Also hab die Bagage losgehabt.
Vom Marktamt bin ich entlassen worden, ich bin dann als
Finanzbuchhalter zu einer Firma, die Verstärker, Lautsprecher, Mikrofone
machte, aber jetzt im Krieg Zielgeräte, Störgeräte für
Flugzeuge und Verstärker für Panzer und auch diese gemeinen,
großen Bomben, über die zehn Schiffe fahren, und beim neunten
explodiert es. Mein Chef hat gesagt: 'Ich kann Ihnen garantieren, daß Sie
den ganzen Krieg nicht einrücken werden.' Und so war es.
Im NSV war ich dabei. Bei irgendwas mußte man dabei
sein. Auffallen kann man doch nicht. Ich war dagegen, aber ich hab keinen
Finger gerührt in der Widerstandsbewegung. Ich hab mir gesagt, das kann ja
nicht ewig dauern, der Blödsinn, das hält sich ja nicht. Aber
natürlich hat man nicht gewußt, wie lange es dauern wird. Einmal
krieg ich eine Vorladung. Sitzt dort ein Mann, sagt: 'Ja es sind wohl keine
guten Aussichten im Krieg ...' Ich: 'Der Führer wird gewinnen!' Ich hab
meinen völkischen Beobachter auswendig gelernt gehabt. Man hat doch
Fachleute fürs KZ gesucht, ich war Mechaniker und so wollte man mich
hineinlegen. In Gasthäusern hat man Leute betrunken gemacht, bis sie eine
Äußerung fallengelassen haben und dann ab ins KZ.
'Heil Hitler' hab ich immer gesagt. Mein Chef hat immer
mit 'Guten Tag' gegrüßt. Aber ich hab immer brav, bis zum letzten
Tag in Gmunden, wohin unser Betrieb verlagert wurde, da sind schon alle, die
ganzen Nazi geduckt in den Büros gesessen, und ich bin noch
hineingekommen: 'Heil Hitler!' Ich hab bis zum letzten Tag den Nazi gespielt.
Nein, ich habe mich nicht angepaßt. Ich hab mich
getarnt. Im Inneren war ich immer dagegen, daheim hab ich geschimpft. Ich hab
mich nicht gefreut über die Siege. Bei der SA, das war nur die erste Zeit.
Danach sind wir Leute im Haus, die beim NSV waren, gewesen, die mit 'Heil
Hitler' gegrüßt und die Hausmeisterin geschmiert haben. Aber
trotzdem ist sie einmal gekommen und hat in allen Kästen geschaut, ob wir
die Olga drin versteckt haben. Nach Kriegsende hab ich in Gmunden begonnen, mit
anderen sofort die Gewerkschaft und die Partei aufzubauen. Wieder in Wien,
haben sie mich als Nazi eingestuft. Bei der
Novemberwahl
konnte ich nicht wählen. Später haben sie das aber
zurückgenommen und mich wegen meiner SA-Zeit als minderbelastet
eingestuft. |