|
Ich bin heute in eine isolierte
Stellung hineingezwungen, nicht aus eigenem Trieb und nicht aus
Asozialität, sondern weil ich auch in eine Oppositions-Stellung
hineingezwungen bin. Niemand kann das tiefer bedauern als ich selbst, wo ich
doch seit der Jugendbewegung freiwillig und mit Begeisterung im tätigen
Leben für die Gemeinschaft und für unsere Idee gestanden bin und aus
tiefer Überzeugung die Forderung nach einem sozialen Leben miterhebe. Aber
die jetzt herrschende Ideenrichtung, die alle Begriffe und Gefühle
rnißbraucht, hat auch dieses Ideal verfälscht und den wirklich
sozialen Menschen zwangsisoliert. Das Buch von Max Adler, das ich jetzt
lese, ist so wunderbar und so weit vorausblickend. Ich komme wieder
zurück zu dem Punkt, wo ich einmal ausgegangen bin, als ich angefangen
habe, mich mit dem Sozialismus zu befassen und mir dadurch ein Weltbild ohne
Widersprüche in schönster Harmonie erstanden ist. Viel Zeit ist
seitdem vergangen, gute 17 Jahre, vieles ist dazwischen geschehen und in viele
Dinge habe ich Einblick gewonnen, alles das, was man deutsche Kultur nennt,
habe ich inzwischen, wenn auch leider nur sehr oberflächlich,
kennengelernt, oder besser gesagt eine Ahnung davon bekommen, aber ich glaube
trotzdem, daß es mindestens für unsere jetzigen Bedürfnisse
nichts Besseres und Vollkommeneres gibt als den Marxismus. Er allein ist
imstande, auf die weitaus meisten Fragen und Probleme unserer und wohl auch
noch der nächsten Generation erschöpfende und befriedigende Antwort
zu geben. Gerade Max Adler weist in einer tiefgehenden Betrachtung auf
einen Umstand hin, der mir selbst oft zu denken gegeben hat: Auf die
geistesgeschichtliche Verwandtschaft des modernen Sozialismus und der
klassischen deutschen Philosophie des 18. Jahrhunderts, als da ist Kant, Hegel,
Fichte u.a.m. Dieses war damals die Ideologie des aufstrebenden kämpfenden
Bürgertums, bevor es zur Macht gelangt war. Denn kaum zur Macht gelangt,
hat es alle seine Ideale verleugnet, und daher blieben soviele der damaligen
Forderungen unerfüllt bis zum heutigen Tage. Und heute? Sind wir davon
mehr entfernt als je. Man könnte fast verzweifeln, wenn man sieht, wie
heute mit flatternden Fahnen gerade in die entgegengesetzte Richtung marschiert
wird, in eine Richtung, wo keinerlei Ziel liegt für die vielen
gläubigen und vertrauenden Menschen. Wann wird sich dieser Irrtum so offen
herausstellen, daß alle ihn erkennen? |