Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND I

Wien, 26. Jänner 1942

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Kommentar

Endlich bringt mir die Post heute Deine Karte aus Orel, ich habe es schon gar nicht mehr erwarten können. In diesen Wochen, in denen auch bei uns eine furchtbare Kälte herrschte (täglich zwischen 15 und 20°) hatte ich ununterbrochen ein bedrücktes Gefühl.
Was machen Deine Füße? Hast Du gar keine Beschwerden gehabt bei dem Fußmarsch? Wie lange glaubst Du, daß es dauern kann, bis Du wieder einmal nach Hause kommen wirst? Daß Dr. Zankl hier ist, habe ich am Samstag von Frau Richter erfahren. Von Karl und Anny muß ich Dir auch noch etwas Wichtiges mitteilen, nämlich, daß sie für dieses Jahr ein Baby erwarten. Mich hat diese Nachricht sehr getroffen, denn ich fürchtete immer, daß mir Anny zuvorkommen könnte. Und nun ist es auch wirklich eingetroffen. Aber ich gönne es ihr von Herzen, zumal, wo sie sich beide sehr darauf freuen und besonders die Eltern, das kannst Du Dir ja denken.
Ich war jetzt schon an zwei Sonntagen hintereinander bei Herma und habe immer von Samstag auf Sonntag dort geschlafen. Herma und ich verstehen uns ja sehr gut miteinander und Fritzerl ist eine sehr große Freude für mich. Zu dritt sind wir wie ein Ehepaar mit einem Kind. Ich lerne jetzt auch Klavierspielen und Fritzerl ist mein Lehrer. Auch Herma lernt bei ihm. Wir haben alle drei daran großen Spaß. Liebes Spatzerl, ich will für heute schließen und morgen werde ich Dir noch ausführlicher schreiben. Heute kann ich mich nicht genug konzentrieren, weil ich Besuch habe (Lola ist bei mir).


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen