Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND I

An der Front, 26. Jänner 1942

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Kommentar

Mir geht es ganz gut und wir sind seit zehn Tagen von der vordersten Linie abgelöst und befinden uns jetzt in der sogenannten "Ruhe". Der Russe greift jeden Tag heftig an und unsere Komp. haben Mühe, diese Angriffe erfolgreich abzuwehren. Diesen Winter werden wir also hier verbringen müssen, um im Frühjahr den Russen doch über den Don hinübertreiben zu können.
Beim Rückmarsch hierher ist mir mein Tornister weggekommen und es besteht wenig Aussicht, daß ich noch in den Besitz desselben gelange. Es waren mein Rasierzeug, Schuhputzzeug, Drillichanzug, Ersatzschuhe, Zeltbahn und Ersatzwäsche darin. Wäsche habe ich, da ich keine habe, seit Mistelbach nicht gewechselt. Du kannst Dir vorstellen, wie schwarz dieselbe ist, aber ich habe deswegen noch immer die reinste Wäsche von allen an. Hoffentlich kommen wir jetzt zum Reinigen. Die Läuse bringen uns fast um.
Jetzt ist es ½ 2Uhr nachts und ich sitze in unserer Keusche bei Kerzenlicht. Beim Stab sind jetzt sehr wenig Leute, die meisten mußten aus begreiflichen Gründen zu den Schützenkompanien und so habe ich außer meinen Verpflegungsangelegenheiten noch die Kantinenwaren, die Bekleidung und die Post dazubekommen. Außerdem muß jeder täglich seine zwei Stunden Wache schieben. Gestern hatten wir beispielsweise eine Temperatur von 42° Celsius, das ist aber nichts Außergewöhnliches. Wenn Du mir gelegentlich ein kleines Außenthermometer schicken könntest, wäre ich Dir sehr dankbar. Hauptfeldw. Wagner von der Baumgartnerstraße hat sich auf dem Hermarsch eine Gesichtshälfte erfroren.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen