Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND I

Im Felde, 23. Februar 1942

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Kommentar

Jetzt gehöre ich endlich auch zu jenen Glücklichen, welche Post erhalten, bis jetzt war ich nämlich ausgenommen davon. Ich kann nämlich so viel leichter das viele Unangenehme und Häßliche im Dienste bewältigen und ertragen. Du wirst Dich zum Beispiel wundern, wieso auf einmal hinter der Feldpostnummer ein E statt einem A ist. Das kam so: Vor drei Tagen kam ein Uffz. des Stabes zu mir und sagte, er hätte Befehl von Herrn Lt. Czermak, alles von mir sofort zu übernehmen. Ich war darüber sehr erstaunt und handelte befehlsgemäß. Nach der Übergabe meldeten wir beide den Vollzug des Befehls. Ich wartete nun einige aufklärende Worte des Lt. Doch umsonst. Er sagte nur: "Gut, alles in Ordnung?", was wir beide bejahten. Ich stand vor einem Rätsel. Vorgestern stand nun im Btl.-Befehl: "Gefr. Kittel ist mit sofortiger Wirkung zur 8. Kp. versetzt." Nun, ärger konnte ja die Sache nicht mehr werden. Der Gipfelpunkt der Ungerechtigkeit und des Sadismus eines Menschen war erreicht. Obwohl ich mit Lt. Cz. nie eine Auseinandersetzung oder sonst irgend etwas hatte, benahm er sich doch immer etwas komisch gegen mich. Nun war sein Werk vollbracht und ich konnte gehen. Mit einer schlechten schriftlichen Beurteilung und der falschen, feigen Ausrede: "Ich habe Sie zur 8. Kp. versetzt, damit Sie in Bälde Uffz. werden können, im Stab ist keine Stelle frei und Sie müßten deshalb noch warten." In Bälde kann ich natürlich nicht Uffz. werden, denn ich habe weder vom s.M.G. noch vom s.Gr.Werfer eine Ahnung noch in den letzten zwei Jahren damit etwas zu tun gehabt. Und meine Stelle im Stab ist eine Uffz.-Stelle und bleibt auch eine, nur daß sie momentan unbesetzt bleibt, da ja der andere Uffz. sowieso in der Verpflegung tätig ist. Ich kann also sowohl über meine Stelle beim Stab als auch über meine Beförderung das Kreuz machen. Von der Kp. kenne ich nur ein paar Leute von früher, und ich werde behandelt wie einer, der nicht zum Haufen gehört. Ich bin auch bereits zum 1. s.M.G.-Zug eingeteilt, und morgen geht's bereits in die vordersten Stellungen. Es sind dies primitiv eingerichtete Erdlöcher, von welchen wir alle 48 Stunden abgelöst werden, um uns zu reinigen und ein bißchen zu erholen. Wieder also eine neue Epoche in meinem Soldatenleben. Hoffentlich ist es mir vergönnt, auch diese zu überleben. Ich wollte Dir das alles nicht schreiben, weil ich weiß, wie Du mich liebst und wie besorgt Du um mich bist. Aber Kopf hoch, es wird schon wieder anders werden.
Ich lege diesem Brief auch den seinerzeit mir zugesandten Zeitungsausschnitt "An Mozart" bei. Es ist ein herrlicher Prolog von Weinheber und ich habe denselben oft und immer wieder gelesen.
Meine Füße machen mir wieder einige Beschwerden, aber ich trage jetzt wieder einen Verband, und da geht es wieder etwas besser.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen