Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND I

Wien, 22. November 1942

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Kommentar

Von Mimi Pollak erhielt ich einen sehr lieben Brief vom 11. November, wo sie mir folgendes schreibt:
"Liebe Frau Kittel! Leider kam ich nicht dazu, Ihnen früher zu antworten. Ich wollte Sie eigentlich mit einer freudigen Geburtsanzeige unseres Stammhalters überraschen, aber leider hat es das Schicksal anders mit mir gewollt. Denken Sie nur, am 8. September habe ich einen kleinen Sohn geboren. Das Schrecklichste kam nun jetzt, er ist während der Geburt gestorben.
Sehr oft denken wir an die schönen Stunden mit den Wiener Soldaten. Ach, das waren noch bessere Zeiten bei uns, es gab doch noch viel mehr zu kaufen. Heute sieht es eben ganz anders aus. Mein Mann hat seit 14 Tagen auch den Bereitstellungsschein. Hoffentlich bekommt er nicht bald den Order. Sonst ist alles beim alten."
Auch einen zweiten Brief muß ich beantworten, und zwar aus Bregenz von der Schwester meiner Freundin Fanny. In dem Brief schreibt sie mir:
"Unser lieber Papa ist am 11. 11. gestorben. Die Sorgen und das Leid, das schwere, das er zu tragen hatte, es ist ihm zuviel geworden. Er hat seinem Leben selber ein Ende gemacht."
Wenn Du Dich noch an die ganze Geschichte und an die besonderen Verhältnisse dieser Familie erinnern kannst, so wirst Du begreifen, welch eine Tragödie da einen vorläufigen Abschluß gefunden hat. Nun handelt es sich um Fanny, um die man jetzt in höchster Angst sein muß.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen