Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND I

Wien, 20. Juli 1942

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Kommentar

Heute früh ist Herma mit Fritzerl weggefahren, und meine Mutter hat sie zum Bahnhof begleitet. Noch am Nachmittag, als sie mir davon erzählte, war sie ganz außer sich über die Aufregungen, die heute mit einer Abreise mit der Bahn verbunden sind. Mit der ersten Stadtbahn um 5 Uhr früh sind sie schon zum Bahnhof gefahren, und als sie hinkamen, war alles schwarz von Menschen. Die Szenen, die sich dann abspielten, waren einfach unbeschreiblich.
Mutter ist nicht imstande zu sagen, ob Herma mit dem Buben in den Zug hineingekommen ist und ob sie ihr Gepäck untergebracht haben. Also das Reisen ist heute wirklich kein Vergnügen, und das geschieht mit voller Absicht, um den Leuten das Reisen abzugewöhnen.
Erinnerst Du Dich noch an unseren alten Obmann Feldbauer von der Kasse? Er ist vorige Woche tot ins Rothschildspital eingeliefert worden. Er dürfte Selbstmord begangen haben, weil er nach Polen kommen sollte. Also wieder einer!


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