Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND I

Wien, 15. März 1942

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Kommentar

Täglich erfahren wir neue unangenehme Dinge. Bei uns im Büro wird davon geredet, daß viele werden einrücken müssen, und ein noch größerer Teil soll dienstverpflichtet werden. Der Mangel an Personal soll durch eine allgemeine Urlaubssperre für 1942 wettgemacht werden. Außerdem kann uns auch eine Arbeitszeitverlängerung blühen. Die Benützung der Bahn zu allen nur möglichen Reisen und Ausflügen bleibt auch für heuer streng verboten, auch der Osterverkehr wird absolut unterbunden. Die Wiener werden angewiesen, sich in Grinzing und Mauer und den anderen Vororten am Sonntag zu erholen. Aber nicht, daß Du vielleicht glaubst, daß es dort Wein zu trinken gibt. Die Lebensmittelversorgung ist jetzt schon äußerst knapp, die Mutter weiß jetzt meistens schon wirklich nicht mehr, was sie uns hinstellen soll. Es wird aber immer noch offiziell angekündigt, daß die Entbehrungen und Opfer noch größer werden sollen. Wie man unter diesen Umständen länger arbeiten und ohne Urlaub auskommen soll, weiß ich nicht. Dieses Jahr setzt uns schon arg zu, abgesehen davon, daß man auch an sonstigen Gebrauchsgegenständen nichts mehr zu kaufen bekommt, nicht einmal mehr Bücher.
Ich werde jetzt noch ein bißchen Französisch lesen und eine halbe Stunde Russisch lernen und dann wird ja schon Olga kommen.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen