Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND I

Wien, 14. Dezember 1942

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Kommentar

Ich bin jetzt schon so unruhig, daß ich immer, wenn ich auf der Stiege gehen höre, glaube, Du kommst schon, und gar heute zeitlich früh, als ich noch im Bett lag, aber schon wach war, hörte ich schwere Schritte auf der Straße sich unserem Hause nähern - ich wollte schon aufspringen und zum Fenster gehen und horchte angestrengt, aber leider verloren sich die Schritte immer weiter vom Hause und es war nichts.
Ich habe es mir gestern abend, nachdem ich den Brief an Dich geschrieben habe, noch gut gemacht und dabei sehr stark an Dich gedacht und meinte, ich müsse Dich unbedingt bezaubern. Und dabei freue ich mich doch schon so sehr auf alle unsere schönen Spiele und wie ich Dich lieb haben werde, damit Du nur alles Unangenehme und Fürchterliche vergessen sollst, was Du in einem langen Jahr hast erleben müssen. Ich fürchte fast, ich werde zu zärtlich zu Dir sein, denn Du wirst das nicht mehr gewöhnt sein, und ich weiß gar nicht, wieviel davon Du verträgst. Ich habe mir jetzt zwei sehr hübsche Kleider machen lassen und auch ein Paar sehr schöne Schuhe dazu, auch meinen neuen Wintermantel möchte ich gerne in Deiner Begleitung öfters ausführen und was noch alles dazugehört. Wir werden Dir auch lauter sehr gute Sachen kochen und vor allem Mehlspeisen backen, sodaß Du Dich nach Herzenslust anessen kannst und Dir nichts abgeht. Tante aus Steyr wird uns einen Teil von einem jungen Kitzl schicken, damit wir auch genug Fleisch für unseren "Urlauber" haben. Auch Wein habe ich für Dich schon vorbereitet, ebenso auch Tee und Rum, und ich hoffe, es wird Dir zu Hause sehr gut gefallen. Und daß wir schon alle - nicht nur ich - brennend auf Dich warten, wirst Du ja auch begreifen.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen