Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND I

Wien, 8. September 1942

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Kommentar

Ich bin leider momentan nicht in guter Stimmung, und ich fange an, mich sehr zu fürchten. Ich fürchte mich jetzt schon vor der Finsternis und habe immer ein leises Grauen, am Abend allein schlafen zu gehen. Seit dem letzten Fliegeralarm ist das bei mir so arg. Ich kann am Abend vor lauter Angst nicht einmal einschlafen.
Du fragst mich, was ich immer für Kleider und Schuhe anziehe und ob ich auch Holzpantoffeln habe und gar keine Strümpfe oder gemalte? Nun, Holzschuhe habe ich nicht, ich habe mich für heuer noch um keine beworben, aber nächstes Jahr werde ich mich wohl auch darum bewerben müssen. Ich bin heuer wegen der großen Hitze sehr oft ohne Strümpfe gegangen, schon auch, um Strümpfe zu sparen, aber die Füße habe ich mir doch nicht angemalt. Es hat auch Nachteile, sich die Füße zu bemalen, wie viele Frauen berichten. Bei Regenwetter und Nässe bewährt sich diese Methode überhaupt nicht. Ich habe jetzt noch vier Paar halbwegs gute Kniestrümpfe von früher (man bekommt nämlich jetzt keine solchen mehr), und so bin ich ganz gut ausgekommen. Einige Male hatte ich mein rotes Dirndlkleid mit der weißen Bluse und dazu trug ich ein Paar knallrote Socken. Die Kleider trage ich ebenfalls sehr kurz, wie es eben jetzt Mode ist. Am meisten trug ich heuer das lichtblaue Leinenkleid und weiter das dunkle Imprimeekleid, welches ich mir heuer von meiner Freundin Grete habe ändern lassen. Es wurde kürzer gemacht, bekam einen anderen Kragen, und die lange Jacke, die dabei war, wurde umgeändert auf ein ganz kurzes Bolero. Außerdem trug ich häufig das weiße Leinenkostüm und das mittelblaue Seidenleinenkostüm. Ich habe jetzt seit zirka 3 Monaten eine andere Frisur, und zwar die Haare hinten hinauf zu einem Schopf, was besonders in den heißen Wochen sehr angenehm war. Otto hat mich vorige Woche fotografiert, und so lege ich Dir eines von den Bildern bei, damit Du mich bewundern kannst.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen