BRIEFE RUSSLAND I
Wien, 8. März 1942 |
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Täglich liest und hört
man von soviel Vernichtung und Menschenleid, die Anzahl der vernichteten
Menschenleben beträgt täglich viele Tausende, darunter auch Frauen
und Kinder und das geht nun schon seit Monaten so weiter. Ganze Völker
werden vernichtet und ausgerottet, andere in die moderne Sklaverei verschleppt,
ich wundere mich nur, daß die Menschen den Mut aufbringen, solche Taten
noch zu besingen. Noch niemals hat es in der Geschichte soviel Grausamkeit und
Unmenschlichkeit gegeben, und das alles ins Vielfache gesteigert, weil zum
erstenmal in der Geschichte die ganze Welt gleichzeitig davon betroffen wird.
Der Mensch von heute kann wahrhaftig auf diese größte Errungenschaft
der Gegenwart stolz sein, die darin besteht, daß es für niemanden
aus diesem Grauen einen Ausweg gibt. Aber die Hauptsache ist, daß wieder
eine Unmenge Stoff für Heldenlieder und Heldenepen geschaffen wurde, davon
kann man die nächsten paar Jahre bis zum nächsten Krieg leben. Damit
in der Zwischenzeit der Wahnsinn in den Gehirnen weiterleben kann, wenn schon
die Kriegsmaschine schweigen muß. |