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Gestern habe ich Dir nicht
geschrieben, weil ich mir so viele Wege machte. Ich war unter anderem auch bei
Otto. Er hatte für vorige Woche seine Einberufung in Händen,
wurde jedoch mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand
zurückgestellt. Auch Ludwig Sperlich, bei dem ich nachher war, hat einen
Bereitstellungsschein erhalten. Lintschi ist sehr unglücklich
darüber. Du weißt doch, daß sie ein zweites Kind erwartet.
Wir haben im Büro sehr viel Arbeit und immer heißt es noch
Leistungssteigerung, Leistungssteigerung. Bis zu welcher Grenze möchte ich
nur wissen? Ob sich das ganze lohnt? Seit Weihnachten haben wir ununterbrochen
Frost. Der Schnee ist wunderschön wie selten in einem Winter, leider ist
aber das Skifahren verboten und alle mußten ihre Skier bei der Sammlung
abgeben. Jetzt sind wegen Kohlemangel viele Theater usw. gesperrt, auch die
Urania und das Volksheim, auch viele Geschäftslokale und die
Straßenbahn verkehrt jetzt nur bis 11 Uhr nachts. Gestern und heute,
da es nicht mehr gar so kalt war, wollte ich verschiedene Besorgungen in der
Stadt und in Mariahilf machen, aber es ist direkt eine Katastrophe, daß
man überhaupt nichts mehr zu kaufen bekommt. Dabei sind in den Auslagen
die schönsten und verlockendsten Sachen ausgestellt. Demnächst
werden in Wien Raucherkarten
eingeführt und zwar schon ab 15. Februar glaube ich. Wein und Bier bekommt
man auch nicht mehr. Du fragst mich, was ich zu Weihnachten bekommen habe? Von
Deiner Mutter ein Tischtuch, für unseren Zimmertisch, weiß mit einem
sehr hübschen Muster und es paßt sehr gut zu den Möbeln. Von
meiner Mutter 6 Handtücher und 1 Paar handgestrickte Socken, von Herma
eine Garnitur Wäsche und zwei Paar Strümpfe. Deine Mutter bekam von
uns die Brotdose und Dein Vater den Baedeker. Alles in allem war es heuer sehr
bescheiden. Zu Silvester war ich bei Deinen Eltern. Um ½ 1 Uhr ging ich
dann allein nach Hause, es war hellster Mondschein und alles voll Schnee und
ich war sehr ernst und traurig. Viel Haß und Empörung war in mir und
doch wieder eine große Gleichgültigkeit und Verhärtung. Auch
den Neujahrstag beging ich ohne große Erwartungen und ganz allein
für mich. Zu Hause bei meinen Büchern fühle ich mich doch am
wohlsten. |