Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND I

Slobotka, 5. September 1942

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Kommentar

Wir führen die letzten Tage ein schreckliches Zigeunerleben, und es war höchste Zeit, daß wir uns wieder ein bißchen reinigen konnten. Ich befinde mich mit meiner Verpflegung und der Küche rückwärts, zirka 7 km hinter der Hauptkampflinie, während die Komp. vorne eingesetzt sind. Alle zweiten, dritten Tage fahre ich selbst mit noch einem Kameraden mit der Verpflegung nach vorne. Da diese kleine Ortschaft nur 500 m von den Russen entfernt unter Beobachtung steht, darf sie nur nachts befahren werden. Wir wechseln uns daher gegenseitig ab und schlafen dafür am nächsten Tag etwas länger. Die Nächte sind hier sehr kalt und auch untertags wird es nie richtig warm, man spürt schon schön langsam wieder den Winter. Immer wenn ich Urlaub bekomme, ist es schon kalt und wir können nie zusammen ein Bad benutzen oder, so wie früher, eine schöne Wiese aufsuchen und uns in der Sonne baden. Ich habe schon so große Sehnsucht nach Dir. Ich hätte es nie für möglich gehalten, fast ein Jahr lang zu leben, ohne eine Frau gesehen zu haben noch eine solche zu besitzen. Mir geht das wahnsinnig ab.
Es ist heute bereits der 11. September und wir sind schon wieder am Marsch. Wir führen ein richtiges Vagabundenleben.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen