Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND I

Wien, 5. April 1942

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Kommentar

Heute, am Ostermontag, fuhr ich in die Stadt und besuchte verschiedene Museen. Dann vereinbarte ich mit Otto eine Zusammenkunft in Schönbrunn vor dem Palmenhaus, wo ich außer ihm auch Franzi, Helli, Alma und Robert antraf. Otto brachte mir die Bilder mit, die er von Deinem letzten Film angefertigt hat. Ich war ganz gerührt und betroffen von allen diesen Bildern, die Dich selbst, Deine jetzige Umgebung und Lebensweise sehr deutlich vorstellen. Du kannst Dir denken, welchen Eindruck die Bilder auf mich gemacht haben, auf denen Du mit langem Pelz und Pelzmütze, mit Fetzen um die Stiefeln und mit einem Vollbart abgebildet bist. Du schaust so ernst auf diesen Bildern aus wie jemand, der schon vieles mitgemacht hat und zum Mann gereift ist.
Ich habe einen großen Trost bei allem und das ist meine Kunstgeschichte. Diese hat gegenüber der sogenannten "Geschichte" schlechthin den Vorteil, daß ihre Ergebnisse unzweideutiger und klarer sind. Die Quellen und ihre Deutung sind unverfälscht und die Tatsachen sprechen dennoch eine deutliche Sprache.
Ich fürchte, lange wird es nicht mehr dauern, bis nicht auch hier ein gründlicher Wandel durchgeführt sein wird. Ich will aber jedenfalls den Vorsprung nützen und trachten, so viel als möglich an unbeeinflußten Erkenntnissen für mich zu erwerben.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen