Wenn erst Friede ist  © 2005

BRIEFE RUSSLAND I

Wien, 3. Mai 1942

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Kommentar

Heute, Sonntag, habe ich mit Minnie Schüller einen Ausflug nach Baden gemacht. Wir gingen durch den schönen Kurpark. Auf einer Bank haben wir gerastet und Mittag gegessen und sind dann zur Ruine Rauhenstein gegangen. Der Wald fängt schon an, ein bißchen grün zu werden, stellenweise fanden wir den Weg links und rechts übersät mit den ersten Frühlingsblumen: Leberblümchen, Primeln und Veilchen. Die helle Farbe der Kalkfelsen und die dunkelgrüne Farbe der Kiefernwälder bildeten eine herrliche Umrahmung, und wir haben so aus Herzenslust frische Luft in uns eingeatmet. Durchs Helenental sind wir nach Baden zurückgegangen und in der Konditorei Wiedhalm am Franz Josefs-Platz eingekehrt. Dort gab es einen schlechten Kaffee, aber eine sehr gute Mehlspeise, und Dir armem, armem Spatzilein wird das Wasser im Munde zusammenlaufen, wenn ich Dir schreibe, daß es Krapfen aus einer Art Blätterteig mit herrlicher Creme gefüllt gegeben hat, genau nach der Art der Schaumrollen in früherer Zeit. Und außerdem sehr gute und saftige Punschschnitten. Die Konditorei war auch demgemäß überfüllt. darunter sehr, sehr viele Soldaten, die in Baden und Umgebung in Garnison liegen müssen. Man sieht in Baden überhaupt sehr viel Militär, auch im Kurpark, darunter auch viele Verwundete, da es ziemlich viele Lazarette dort gibt.


Ruth Linhart | Zeitgeschichte | Inhalt | Anmerkungen