Der Ehemann Im großen und ganzen vergehen die Tage
nach diesem Muster. Ein bis zweimal in der Woche kommt mein Mann gleich nach
dem Dienst heim, das ist zirka um 1/2 8 Uhr. Bis vor kurzem war er oft im
Ausland, bis zu zwei Monaten. Aber auch wenn er da ist, wird es wegen der
Redaktionsarbeit oft spät in der Nacht, bis er heimkommt. Er ruft mich an,
ob er kommt und wann ungefähr, weil ich das energisch von ihm verlangt
habe (lacht). Manchmal hält er sein Versprechen nicht und kommt
erst um zwei oder drei Uhr früh. Bis Mitternacht fährt noch die Bahn
und er möchte, daß ich ihn vom Bahnhof abhole. Manchmal fährt
auch das Kind mit. Mein Mann arbeitet im aktuellen Dienst, er macht
Reportagen und Dokumentationen. Das Einkaufen erledige ich auf dem Heimweg
vom Bahnhof oder am Nachmittag, mit dem Auto. Es gibt in der Nähe
Geschäfte. Am Wochenende arbeitet mein Mann manchmal, manchmal nicht. Wenn
er frei hat, bleibt er ganz zu Hause. Er teilt sich die Arbeit selbst ein.
Meistens unternehmen wir etwas. Einkaufen, Wandern, Schwimmen, Spielplatz,
Vergnügungspark. Jetzt ist das Kind im Mittelpunkt, wir unternehmen etwas,
das ihm Spaß macht. Bevor das Kind da war, gingen wir zu zweit fort,
einkaufen oder Tennis spielen oder schwimmen, das Meer ist in der Nähe.
Wenn er am Wochenende nicht da ist, das ist trostlos, sehr trostlos
(lacht). Alle haben frei, das Kind kann nicht mit den Freunden spielen.
Entweder bleibe ich mit dem Kind zu Hause oder ich fahre mit dem Auto zu den
Großeltern, lasse es bei ihnen und gehe einkaufen, zum Friseur oder so.
Die Wochenenden ohne Papa verbringt er hauptsächlich mit Oma und Opa. Ich
treffe mich mit Freundinnen. Es gibt solche, deren Mann auch nicht da ist. Wir
gehen ins Museum. Ich verbringe die Zeit dann nach meiner Lust und Laune.
Wenn mein Mann im Ausland ist, habe ich ziemlich viel Zeit für mich.
Wenn er da ist, habe ich keine Zeit für mich. Sehr viele Ehemänner
meiner Freundinnen passen auf die Kinder auf. Aber mein Mann möchte die
freie Zeit mit der Familie verbringen. Unter der Woche habe ich auch keine Zeit
für mich, weil das Kind nicht im Kindergarten ist. Natürlich
möchte ich gern mehr Zeit für mich haben. Aber ich stehe das jetzt
durch, denn die Zeit, in der das Kind klein ist, ist kurz, und ich möchte
jetzt soviel wie möglich mit dem Kind beisammen sein und mit dem Kind
Kontakt haben. F.: Gibt es auch Vorteile, wenn Ihr Mann nicht zu
Hause ist? Wenn er da ist, wünsche ich mir, er solle
früher nach Hause kommen und mache mir oft Sorgen. Je länger er weg
ist, desto mühsamer erscheint mir das Leben mit ihm. Bis vor kurzem
war er sehr viel in Südostasien, Argentinien, Mexiko. Er ruft an, nicht
jeden Tag, einmal in der Woche oder alle zehn Tage und schickt Ansichtskarten.
Ich weiß nicht genau, wo er ist, das macht mich unruhig. Aber ich habe
mich daran gewöhnt. Ich versuche, die Zeit auszunützen und mich zu
amüsieren. Wenn er zurück ist, ist er eine Weile gut aufgelegt und
hilft alles Mögliche. Sobald er einige Monate zuhause ist, geht es so
weit, daß er sich die Unterwäsche von mir reichen läßt.
Er hilft überhaupt nicht bei der Hausarbeit. Er schenkt sich nicht
einmal selbst den Tee ein. In diesem Punkt sind wir für unsere Generation
ein ziemlich seltenes Paar. Wenn er in der Früh aufsteht, läßt
er den Pyjama irgendwo fallen. "Socken", verlangt er. Dann bringe ich die
Socken und das Hemd und er zieht sich um. Er sucht sich die Wäsche selbst
aus, aber bis zur Medizin und dem Glas Wasser dazu muß ich ihm alles
geben. Er ist ein sehr bequemer Mensch, was seine eigenen Sachen anlangt. Wenn
ich zornig bin, sage ich ihm das klipp und klar. "Du weißt doch, wo deine
Socken sind!" In diesem Fall nimmt er sie selbst, aber es ist ihm sicher sehr
zuwider. Grundsätzlich dürfte er der Meinung sein, daß er
an den Arbeitstagen hart arbeitet und es falsch wäre, wenn ich ihn an
seinen freien Tagen zwänge, sich um das Kind und den Haushalt zu
kümmern. Das hat er nie so deutlich ausgesprochen, aber es scheint
so. Eine ziemlich egoistische Art zu denken... Er erholt sich, indem er
liest, zur Weiterbildung Videos anschaut. Dazwischen legt er mit dem Kind ein
Puzzle oder spielt. Er kümmert sich nicht um die Pflege des Kindes, aber
er spielt und redet mit ihm. Wenn ich weg bin, tut er auch nichts. Einmal war
ich im Spital. Nur einen Tag. Damals ging er mit dem Kind essen und holte
telefonisch sofort seine Mutter für den Haushalt. Er ist nicht
dagegen, daß Frauen arbeiten und er ist auch kein Mann, der Frauen
ablehnt. Aber er ist verwöhnt, weil ich Hausfrau bin. Weil ich zu Hause
bin, erwartet er von mir, daß ich alles mache. Daß auch eine
Hausfrau Streß haben kann, glaubt er nicht. Aber mir ist wichtiger,
daß er mit mir über Bücher spricht, die er gelesen hat, als
daß er Teller wäscht. Ich denke, daß ein Mann, der
auswärts im Beruf Erfolg hat und gute Arbeit leistet, sich nicht allzu
sehr um das Befinden seiner Frau kümmern muß. Er gibt mir
Bücher zum Lesen, fragt mich um meine Meinung, und das freut mich. Wir
sprechen oft über solche Dinge, auch über Politik, über die
internationale Lage. Ich glaube, daß diese Art der Konversation auch sehr
wichtig ist, wenn das Kind größer wird. Bei der Hausarbeit ist er
sehr unkooperativ, aber in bezug auf viele andere Punkte gibt es viel
Kommunikation. Er erzählt mir auch viel von seiner Arbeit und fragt mich
nach meiner Meinung zu seinen Sendungen. F.: Wie haben Sie Ihren
Mann kennengelernt? Ich habe während des Studiums als Art
Fernsehansagerin gearbeitet. Dort habe ich ihn kennengelernt und nach drei
Jahren geheiratet. Darum war ich eineinhalb Jahre gleichzeitig Hausfrau und
Studentin. Nach dem Abschluß des Studiums, bis das Kind kam, habe ich in
Kobe eine kleine Zeitschrift herausgegeben und war also damals nicht nur
"Profi-Hausfrau". Ich habe an einer vierjährigen Frauenuniversität
Alte Geschichte studiert. Warum ich vor dem Abschluß des Studiums
geheiratet habe... Ich war sehr verliebt, er hat mir sehr gut gefallen und ich
dachte, wenn ich mit diesem Menschen zusammenlebe, wird mein Horizont viel
weiter. Und außerdem, an japanischen Universitäten ist das Studium
nicht so anstrengend, ich hatte das Selbstvertrauen, daß ich auch
verheiratet fertig studieren könnte. Was meine Eltern angeht: Sie
wußten, daß ich mich schwer von etwas abbringen lasse, das ich mir
in den Kopf gesetzt habe. Er ist auch kein Mensch, gegen den etwas einzuwenden
ist, das Leben ist abgesichert. Vielleicht waren sie nicht begeistert, aber sie
zeigten keinen deutlichen Widerstand, und so heiratete ich. Konkret war es
so, daß er direkt zu mir sagte : "Ich möchte dich heiraten". Ich
glaube, ich habe sofort ,,Ja" gesagt. Das war ein halbes Jahr, nachdem wir uns
kennengelernt hatten. Weil ich einwendete, daß ich mein Studium auf
keinen Fall abbrechen wolle, sagte er, er werde die
Universitätsgebühren übernehmen. Aber die zahlten dann meine
Eltern weiter.
Liebes- und arrangierte Ehen
F.: Sind Liebesehen in Ihrer Umgebung häufig?
Liebesehen und arrangierte Ehen sind in meiner Umgebung halb-halb verteilt.
Es gibt arrangierte Ehen, die hervorragend gehen. So wie ich als Studentin zu
heiraten, ist sehr selten. Mit 22 Jahren heiraten, ist früh. Meine
Schwester zum Beispiel hat an derselben Universität studiert wie ich und
mit 26 über ein miai geheiratet. Sie hat nach der
Universität als Sekretärin eines Professors an der medizinischen
Fakultät der Ôsaka-Universität gearbeitet. Dann wechselte sie
über in ein Dolmetsch-Büro. Soviel ich weiß, hat sie fünf
oder sechs miai gemacht, also mögliche Heiratspartner getroffen,
und immer abgelehnt. Es gibt solche Treffen, bei denen die Eltern mitgehen,
aber das ist heute relativ selten. Meistens kommt nur die Hauptpersonen mit den
Müttern, oder nur die Hauptperson und der Heiratskandidat. Dann ist noch
die Person dabei, die den Kontakt vermittelt hat (nakôdo), man
trinkt zusammen Kaffee und das nächste Mal treffen sich nur mehr die zwei
Heiratswilligen. Die Vermittlung läuft über den Arbeitsplatz oder
Verwandte oder Nachbarn. Zum Beispiel sagen Eltern: ,,Wir haben eine Tochter,
die jetzt im Alter ist, wir wären sehr dankbar, wenn Sie uns behilflich
wären...." (toshigoro no musume hitori iru node yoroshiku
tanomu...) Bei meiner Schwester war es etwas anders. Der Wunsch ging
nicht von ihr oder unseren Eltern aus, sondern kam von der anderen Seite: "Es
gibt da einen jungen Mann, der ist so und so....Hat Ihr Fräulein Tochter
nicht vielleicht Lust, ihn zu treffen? (Kô iu dansei ga irassharu
dakedo, o-taku no ojôsan o-miai o nasaru ki arimasen ka). Dann
wird ein Foto übermittelt und Material mit Daten über ihn, die
Familie, die Schullaufbahn und die Firma, in der er arbeitet. Der Gehalt ist
nicht angegeben, aber den kann man sich ungefähr vorstellen, wenn man
weiß, bei welcher Firma er arbeitet. Die Hauptperson sagt dann entweder
,Ja" und willigt ein, ihn zu treffen. Oder sie lehnt ab und das Foto wird
zurückgegeben. Im Falle meiner Schwester gab es nur wegen des Fotos
Anfragen, glaube ich. Es handelte sich um den jüngeren Bruder eines
Bekannten ihres Chefs von der Universität Ôsaka. Das Gespräch
wurde von der älteren Schwester des späteren Mannes in Gang gebracht.
Die beiden trafen einander und waren sich sympathisch. Meine Eltern waren sehr
für die Heirat. Weniger, weil meine Schwester schon das Heiratsalter
erreicht hatte, sondern, weil die Mutter des Mannes ein sehr angenehmer Mensch
ist, weil es in der Familie dort keine unguten Typen gibt und man erwarten
konnte, daß die Schwester in dieser Familie in Frieden leben kann. Und so
wurde die Heirat beschlossen. Und zwar sofort nach dem ersten Treffen. Es
gibt kaum Fälle, in denen nicht innerhalb eines oder höchstens von
zwei Monaten nach dem ersten Treffen die Antwort ergeht. Man trifft einander
drei-, viermal und entscheidet sich. Die Umstände kennt man ja schon
vorher, es dreht sich nur mehr um die Hauptperson. Vom miai bis zur
Hochzeit verging bei meiner Schwester ein halbes Jahr. Wenn alle
einverstanden sind, folgt das Verlobungsgeschenk. In unserem Fall
überbrachte das die ältere Schwester des Verlobten (fiancee).
Er selbst war bei der Übergabe des Verlobungsgeschenkes nicht dabei.
F.: Die Partner fragen einander nicht direkt, ob sie Heirat
wünschen? Nein, das wird indirekt gefragt. Es gibt sicher auch
Männer, die direkt fragen, aber bei meiner jüngeren Schwester war es
so, daß die Eltern des Verlobten die Person fragten, die als
Heiratsvermittler auftrat, und diese fragte die Eltern der Schwester, ob die
Schwester den jungen Mann heiraten wolle und übermittelten das
zurück. So geht das meistens vor sich. Denn bei einer Heirat sind nie
nur die Hauptpersonen mitbetroffen, sondern auch die Eltern und die Ehepaare,
die die Heirat vermitteln. Wenn er sie direkt fragt und abgelehnt wird, so ist
die Würde von allen zerstört. Es ist ja so, daß man kaum mehr
ablehnen kann, wenn man jemanden zwei-, dreimal getroffen hat. Darum erfolgt
die Entscheidung so schnell, meistens nach dem ersten Treffen. Nach zwei-,
dreimal hat man den Partner meistens schon gern. F.: Aber man
kennt doch jemanden nicht, wenn man ihn drei- oder viermal getroffen
hat! Es gibt natürlich die Gefahr, daß nach der Heirat
Eigenschaften zutage kommen, von denen man nichts gewußt hat. Aber
Tatsache ist, daß bei arrangierten Ehen die Scheidungsrate niedriger ist
als bei Liebesehen. Anders als früher haben die Frauen meistens vor den
Ehepartnern eine Menge Freunde. Sie haben also die Fähigkeit entwickelt,
einen Mann als Typ gewissermaßen einzuordnen. Es scheint, daß der
erste Eindruck meistens der richtige ist. Natürlich kennt man die Person
nicht bis in die Einzelheiten, bevor man heiratet. Aber man kann ziemlich
deutlich erfassen: Dieser Mensch liegt mir oder er liegt mir nicht. Ich habe
keine Freundin, der dabei eine grobe Fehleinschätzung unterlaufen
wäre. Viele meiner Freundinnen haben ein sehr gutes miai
gemacht. Meine Schwester hat vorletztes Jahr geheiratet, im Juni. Sie
hat ein Kind, das bald ein Jahr alt wird. Meine Schwester hat auf Verlangen
ihres Mannes mit der Arbeit aufgehört. Er hat vor der Ehe ziemlich
deutlich gesagt, daß er will, daß sie in die Familie eintritt
(katei ni hairu). Sie wohnen nicht bei den Eltern. F.: Wie
hat Ihr "Liebesleben" vor der Ehe ausgeschaut? Ich war 20, als ich
meinen Mann traf. Bis dorthin hatte ich wohl schon mit Burschen gesprochen,
aber noch kein date gehabt. Normal war das nicht, sondern eher eine
Ausnahme. Gewöhnlich gibt es Kontakt mit Burschen ab der zweiten oder
dritten Klasse Oberschule. Es ist üblich, daß die Eltern den
Lebenswandel der Töchter, die studieren, mißbilligen. Aber ich habe
nach dem Eintritt in die Universität zu arbeiten begonnen, wenig Zeit
gehabt und bald meinen Mann kennengelernt. Ich habe also wenig Erfahrung in der
Liebe. Ich glaube, meine Schwester hat auch nie eine Liebeserfahrung gemacht.
Darüber reden wir miteinander, aber nicht mit der Mutter. In Japan hat
sich diesbezüglich sehr viel verändert. Viele meiner Freundinnen
haben Liebeserfahrungen. Es dürfte auch vom Menschentyp abhängen.
Anderseits, so häufig, wie es behauptet wird, ist es vielleicht auch
wieder nicht. Wir wurden ziemlich streng erzogen, altmodisch, vor der Ehe
sollten wir ein untadeliges Leben führen.
Die Arbeit Mein Mann hatte nichts dagegen, daß ich
arbeite. Er meint eher, daß es den Horizont verengt, wenn eine Frau sich
allzu früh nur der Familie widmet. Aber "full-time" sollte ich
nicht arbeiten. Er sagt, daß sei für mich zu anstrengend. Ich
glaube, es wäre ihm unangenehm gewesen, wenn er nach Hause gekommen
wäre und ich wäre noch in der Arbeit gewesen. Ich verdiente 100
000 Yen. Das war nicht viel, aber mir war wichtiger, meine Zeit frei einteilen
zu können als viel Geld. Mein Mann verdient verschieden, je nach
Überstunden oder ob er Auslandsreisen macht. Das Geld kommt alles auf die
Bank. Davon zahle ich, was nötig ist und gebe ihm sein monatliches
Taschengeld, 70 000 Yen. Der Rest wird gespart. Die Geldverwaltung gehört
zu meinen Aufgaben. F.: Was umfaßt die Arbeit als
Profi-Hausfrau noch?
Erstens die Verwaltung der Geldangelegenheiten, zweitens die
Wahrung des Familienlebens (katei o mamoru), drittens die
Kindererziehung. Natürlich gehören alle einfachen Arbeiten wie
Wäschewaschen und Aufräumen dazu. Es gibt jetzt wenig Frauen, die so
wie ich nur zu Hause sind. Die meisten, die ein Kind haben, geben es in den
Hort und arbeiten, sobald das Kind im Volkschulalter ist. F.:
Wollen Sie wieder außer Haus arbeiten? Ich habe
aufgehört, als das Kind kam - nicht, weil man es mir vom Arbeitsplatz her
nahegelegt hätte, sondern weil ich das selbst wollte. Wenn ich ein Kind
bekomme, möchte ich es nicht Fremden anvertrauen. Ich müßte von
meinem Gehalt ungefähr die Hälfte für den Hort zahlen. Ganz ohne
finanziellen Nutzen zu arbeiten, hat keinen Sinn. Wenn es möglich ist,
möchte ich in Zukunft wieder etwas Ähnliches arbeiten wie in der
Vergangenheit. Etwas Kleines, das mir Freude macht, etwas herausgeben oder
schreiben. Ich habe keine konkreten Pläne, aber ich pflege Kontakte mit
den Leuten, mit denen ich früher arbeitete. Manchmal schreibe ich auch
Buchkritiken oder so. Sobald das Kind in die Volkschule geht, möchte ich
wieder in die Arbeit einsteigen. Ich glaube, mein Mann wird einverstanden sein,
in Hinblick auf die Zeit, in der das Kind erwachsen ist.
Kinder
F.: Wünschen Sie sich noch mehr Kinder?
(Zögert). Es hat lange gebraucht, bis ich schwanger wurde. Ein
Kind ist auch genug. Er wünschte sich nicht unbedingt ein Kind, aber er
hat auch nichts dagegen. Wir reden wenig über diese Sachen. Wenn ich noch
eines bekäme, würde er sich sicher sehr freuen. Aber ich weiß
nicht, ob ich noch eines kriegen kann. Ein Kind zu erziehen, wird auch
immer schwieriger. Das Kind in eine gute Universität zu bringen... Und die
Umwelt, Kriege, wenn man daran denkt... Ich habe Kinder gern, aber ich habe
auch Zweifel, ob man überhaupt welche kriegen soll. Wenn ich wieder
schwanger wäre, würde ich das Kind zur Welt bringen, aber ich brauche
nicht unbedingt noch eines. Sexuelle Gespräche mit meinem Mann? Wir
sprechen natürlich darüber, ob wir noch ein Kind wollen oder nicht...
Ja, und ob er will oder nicht. Ich sage ihm auch, daß ich müde bin,
wenn er will, ich lehne auch ab. Ich glaube schon, daß es
diesbezüglich bei uns Kommunikation gibt. (Schweigen).
F.: Wie oft verkehren Sie sexuell? Mein Mann ist oft weg.
Ich glaube, wir machen es selten. Einmal im Monat... Hauptsächlich, weil
er spät nach Hause kommt. Während ich schwanger war, haben wir neun
Monate überhaupt nicht sexuell verkehrt. Nach der Heirat bis zur
Schwangerschaft haben wir es auch nicht oft gemacht. Ich habe mir oft
überlegt, ob das reicht. Es ist nicht so, daß ich wollte und er
nicht. Ich selbst habe selten das Bedürfnis nach Sex. Es gibt eben Leute,
die es öfter machen oder weniger oft. Ich glaube nicht, daß er mich
betrügt, wenn er zwei Monate weg ist. Es ist nicht so, daß es nicht
wichtig ist... Wir schlafen zu dritt, im tatami-Zimmer. Das kommt in
Japan ziemlich oft vor. Wenn wir Sex machen, gehen wir in ein anderes Zimmer,
um das Kind nicht zu erschrecken. In das westliche Schlafzimmer. Das Kind
freut sich, daß es bei uns ist, wenn es in der Nacht aufwacht oder
schwitzt. Es ist einfacher, mit dem Kind zu schlafen. Ich habe auch bei meinen
Eltern geschlafen, meine Schwester auch. Bis zum Kindergartenalter, aber ich
bin auch noch in der Volkschulzeit manchmal zu meinen Eltern geschlüpft.
Wenn das Kind in den Kindergarten geht, soll es ein eigenes Bett kriegen.
Wenn es zwei Jahre in den Kindergarten geht, soll es ein eigenes Zimmer
kriegen. Damit er selbständig wird.
Beziehungen
F.: Was ist für Sie wichtig in der Beziehung zum
Ehemann? Sie meinen, warum ich weiter mit ihm verheiratet bleibe?
Weil wir die gleichen Interessen haben. Weil wir beide dasselbe gern tun. Wenn
er nicht genug verdiente, müßte ich irgendetwas arbeiten. Ich bin
sehr dankbar für die wirtschaftliche Sicherheit, die er mir gibt. Aber
noch wichtiger ist der gleiche Trend der Interessen. Er hat viele
Eigenschaften, die ich bewundern kann. Kommunikation ist auf vielen Gebieten
möglich. Wirtschaftlich besteht zwar Unausgeglichenheit zwischen uns, aber
nicht in der Art zu denken. Um diese wirtschaftliche "Unbalance"
auszugleichen, kümmere ich mich um die alltäglichen Dinge.
Sodaß unsere Beziehung aus Geben und Nehmen besteht. F.:
Was bedeutet "Ehe" für Sie? Selbst zu wachsen? Mit jemanden
anderen zu leben, ist ziemlich schwierig....Wenn man mit den Eltern lebt,
bedeutet das amae (sich verwöhnen, lieben lassen). Aber wenn man
mit einem anderen Menschen (tanin) lebt, ist man gezwungen, den eigenen
Charakter zu korrigieren. F.: Welche sind Ihre wichtigsten
Beziehungen? Mein Mann und ich, das Kind und ich, mein Mann und das
Kind. Jetzt sind diese Beziehungen auf dem gleichen Niveau. In Zukunft, wenn
das Kind selbständig wird, werden sicher die Ehebeziehungen immer
wichtiger werden. F.: Finden sich japanische Frauen von vorneherein
damit ab, daß die Ehemänner untreu sind? Das glaube ich
auf keinen Fall. Sicher nehmen die Frauen das nicht als selbstverständlich
hin (akirameru). Ich will das nicht erlauben. Ich will nicht denken: "Er
ist halt ein Mann , deshalb kann ich dagegen nichts machen." Ich fürchte
mich vor Verletzungen meines Stolzes und meiner Persönlichkeit. Wenn
das passierte, wenn er mir dann sagte, er habe mich über, dann würde
ich mich scheiden lassen. Da könnte man nichts machen. Es gibt die
japanische Redensart: "Kinder sind eine Eisenklammer". Weil Kinder da sind,
trennt man sich nicht vom Ehepartner. "Ich möchte zwar mit diesem Menschen
nicht mehr leben, aber ich mache weiter wegen der Kinder". Diese Art zu denken
ist traditionell sehr stark, aber so will ich nicht leben. Wenn er mich nicht
mehr mag, dann würde ich deutlich die Scheidung verlangen. Wenn es nur
eine Affäre (asobi) wäre, weiß ich nicht, ob ich mich
scheiden lassen würde. Wenn er sich nur mit anderen Frauen sexuell
vergnügt - das hieße, daß er diese Frauen für dumm
verkauft. Das wäre ein schwerer Konflikt. F.: Es ist viel die
Rede von der Untreue und der Unmoral der Frauen von heute! Ja, das
höre ich auch oft. In meiner Umgebung kenne ich keinen solchen Fall. Das
Thema ist momentan modern. Ich lebe in der Familie und habe wenig Ahnung. Es
ist ein unangenehmes Thema, aber im Kindergarten, in den mein Kind ab dem
nächsten Jahr sein wird, und wo er jetzt zweimal in der Woche ist, ist ein
junger Lehrer. Es gibt Mütter, die mit ihm so flirten, daß es mir
peinlich wird. Vielleicht kümmern sich ihre Männer nicht um sie oder
gibt es in ihrer Ehe keine gute Kommunikation. Aber dabei denke ich schon an
die vielzitierte Unmoral (furin). Ich selbst habe überhaupt
keine solchen Absichten und daher macht sich mein Mann deshalb auch
überhaupt keine Sorgen. F.: Mit wem sind vertraut,
außer mit Ihrem Mann? Mit meinen Freundinnen, das sind
Mitschülerinnen aus der Oberschule. Und mit der Familie. Männliche
Freunde habe ich nicht. Bevor ich heiratete, hatte ich einen Freund, der oft
kam. Aber der hat jetzt auch eine Familie und der Verkehr beschränkt sich
auf Neujahrswünsche. In der Nachbarschaft gibt es ein Ehepaar, mit dem
tausche ich nicht die Sorgen aus, aber wir gehen zusammen essen oder machen
Grill-Parties. Mit meiner Mutter kann ich über vieles sprechen. Nur
über Eheprobleme rede ich mit meinen Eltern kaum. Über wirklich
ernste Ehestreite sage ich nichts zu meiner Mutter. Für meine Mutter ist
mein Mann ein Fremder. Ich versöhne mich wieder, aber bei der Mutter
bleibt der Groll gegen den Mann zurück, der ihre liebe Tochter schlecht
behandelt. Außerdem muß ich vielleicht meine Mutter zu mir
nehmen, wenn sie allein und gebrechlich wird, denn es sind nur ich und meine
Schwester da. Dann müssen wir in einem Haus leben, die Mutter, mein Mann
und ich. Für diesen Fall will ich eine gute Atmosphäre
schaffen. Ich streite mit meinem Mann über Geld oder wenn er spät
heimkommt. Das sind Themen für große Streite. "Du tust nur, was du
willst". ,,Du tust den ganzen Tag nichts als deinen Hobbies nachzugehen. Darum
mußt du meine Eigenarten aushalten..." Darüber sage ich nichts zur
Mutter. Solange sie gesund ist, wird sie sicher allein leben. Aber wenn
einer von den Eltern allein zurückbliebe und kränklich würde...
in ein Altersheim geben ist allgemein noch nicht so üblich. Und ich selbst
will das auch nicht. Sie sind jetzt noch jung. Aber ich denke schon
über diese zukünftigen Dinge nach. Die Eltern meines Mannes leben in
Nagoya. Der Vater ist über 80. Die Mutter 73. Der ältere Bruder
meines Mannes lebt auch in Nagoya. Wahrscheinlich wird der Vater früher
sterben. Wenn die Mutter dann sagt, sie will bei uns leben... Wenn ich die
Wahrheit sage, wäre mir das nicht recht, ich wäre nicht sehr froh.
Aber wenn mein Mann es will, würde ich mir denken: "Ich kann nichts
machen." Um mit den Eltern zusammmenzuleben, ob mit denen meines Mannes oder
mit meinen, müßte man das Haus etwas ausbauen. Wir müßten
uns einen privaten Raum schaffen. Eigentlich müßte es so sein,
daß ich die eigenen Eltern gerne pflege, aber ich habe eher das
Gefühl, ich kann nichts dagegen machen. Ich möchte mich schon um sie
kümmern, aber das heißt nicht, daß ich sie drängen werde,
mit uns zusammenzuleben. Es hängt davon ab, ob meine Eltern mit mir
oder mit meiner Schwester leben wollen. Und bei den Eltern meines Mannes ist es
dasselbe. Vielleicht bleiben wir auch bis zum Tod allein. F.: Wie
groß ist Ihr Haus? Jetzt haben wir im Erdgeschoß drei
Räume, Wohnzimmer, Küche, Bad und im ersten Stock ein japanisches
Zimmer, ein westliches Schlafzimmer und einen Abstellraum. Es ist ein
großes Haus, etwas zu groß für unser Alter. Als wir
heirateten, wohnten wir in einem Apartement, es war 76 qm groß und hatte
drei Zimmer. Bevor das Kind geboren wurde, sind wir in dieses Haus
übersiedelt. Das Haus ist auf meinen Mann geschrieben, aber in Zukunft
soll es auch auf meinen Namen laufen. Das möchte ich sicherstellen.
Die Zukunft
F.: Denken Sie viel an Ihre Zukunft?
Mein größtes Problem ist nicht etwa, ob mir mein Mann
untreu ist oder nicht, sondern was wäre, wenn mein Mann erkrankte oder
stürbe. Wie würde mein Leben dann ausschauen? Das wäre das
Schlimmste. Wovon würde ich leben? Solange mein Leben so weitergeht, wie
jetzt, kann ich machen, was mir Spaß macht. Aber wenn meinem Mann
etwas passiert, müßte ich irgendwo in einer Firma arbeiten. Das ist
momentan meine größte Sorge. Das bedrückt mich. Deshalb
muß ich irgendeine Qualifikation erwerben. Ich denke die ganze Zeit
daran. Alle, die in einer ähnlichen Lage sind wie ich, denken
darüber nach. Wie sie irgendeine Fähigkeit erwerben könnten, die
zu ihnen paßt und von der Umwelt geschätzt wird. Ich weiß noch
nicht, welche Fähigkeit ich erwerben könnte und darum tue ich noch
nichts Konkretes dazu. Die Herausgeberarbeit war interessant, aber ich glaube,
ich brauche noch eine klarere Qualifikation. Ich spreche darüber oft mit
meinen Freundinnen. Offensichtlich ist es das größte
Bedürfnis, selbstverdientes Geld nach eigenem Gutdünken auszugeben.
Und wenn man nach der Erziehung der Kinder nicht irgendeinen Lebensinhalt
(ikigai) hat, ist das wahrscheinlich sehr schlimm. Daher überlegen
wir dieses Problem mit ziemlicher Nervosität. Ich würde gerne
schreiben, einen Roman oder ein Drama. Früher habe ich auch Artikel
geschrieben, das mache ich gern. Mein Mann meint aber, es sei nicht sehr
vielversprechend, was ich schreibe. Ich solle mir ein realistischeres Ziel
suchen. Darum ist das Schreiben für mich nur ein "Traum".
Im Mai 1991 erhielt ich von Masako
S. eine Antwort auf meine Anfrage vom Jahreswechsel. Ihr erster Brief war
verloren gegangen. Sie schreibt:
Was ich Ihnen in diesem Brief geschrieben habe, weiß ich
nicht mehr genau. In meinem alltäglichen Leben hat sich nichts
verändert, aber jetzt, wo das Kind in die Schule muß, habe ich wohl
über meine Zweifel und die Mutlosigkeit angesichts des überhitzten
Prüfungssystems geschrieben, und über die Sorgen, wenn ich sehe, wie
mein Mann in den vergangenen zwei, drei Jahren körperlich immer
erschöpfter und psychisch immer gestreßter geworden ist. Wenn ich
das anders ausdrücke, so sind diese zwei Sachen zu meinem eigenen
Streß geworden, und es beunruhigt mich, warum die Erziehung des Kindes
und die Beziehung zwischen meinem Mann und mir ( ko-sodate ya
fûfu-kankei) nicht so gut laufen wie ich möchte. Sicher habe ich in
meiner ersten Antwort im Jänner darüber ziemlich gejammert, weil mich
diese Dinge damals mehr belastet haben als jetzt. Danach ist mein Sohn
nämlich bei der Aufnahmsprüfung in die staatliche Volkschule
durchgefallen und das hat das Konkurrenzgefühl (kyôsô-shin),
von dem mein Herz gefangen war, geändert und mich davon befreit. Ich habe
erkannt, daß ich mit dem Kind in dem Bewußtsein in Kontakt getreten
bin: Es kann nicht sein, daß mein eigenes Kind (jibun no ko) genauso wie
die anderen Kinder ist. Es kann nicht sein, daß es nicht intelligent oder
nicht vernünftig ist oder nicht gut Klavier spielen kann (wenn ich ehrlich
bin, ist dieses Bewußtsein auch jetzt nicht ganz verschwunden). Seit ich
versuche, dieses Gefühl zu verändern, ist mir leichter zumute. Auch
das Kind ist wieder lustig und besucht jetzt eine Volksschule, wo es schon
fleißig Freunde macht. Mein Mann hat während des Golfkrieges wie
ein Kutschenpferd gearbeitet und obwohl er ein Monat lang täglich bis tief
in die Nacht beschäftigt war, war er nicht so erschöpft wie sonst
immer. Es ist unbesonnen, so etwas zu sagen, aber diese Arbeit scheint ihn
herausgefordert und begeistert zu haben. Ich selbst lese jede Woche in der
Gemeindehalle Kindern Bilderbücher vor. Mit einem eigenen Einkommen hat
das überhaupt nichts zu tun, aber ich hoffe, daß ich wenigstens ein
bißchen etwas Nützliches für die Gesellschaft leiste. Wie
Sie sehen, habe ich mir zwar über verschiedene Dinge Sorgen gemacht, aber
im großen und ganzen geht es mir gut.
Das Schulwesen ist in Japan äußerst
hierarchisch gegliedert und zwar durchgängig von der Volkschule bis zur
Universität. An erster Stelle stehen staatliche Schulen. In weiterer Folge
reihen sich andere öffentliche Schulen und private Schulen - diese wieder
nach Ansehen von oben nach unten geordnet- aneinander. Der Rang der Schulen,
die man besucht hat, entscheidet bisher bei Männern über die
Berufslaufbahn, bei Frauen etwas differenzierter über Berufs- und
Heiratschancen. Vor allen Dingen für Männer scheint es im
öffentlichen Bewußtsein derzeit noch aus diesem System kein
Entfliehen zu geben. Junge Leute beginnen sich aber bereits zurückzuziehen
und sich den rigiden Anforderungen dieses die Individualpersönlichkeit
negierenden Systems zu verweigern - siehe das Schlagwort shinjinrui. Nicht nur
für Masako S., auch für andere intellektuelle Hausfrauen in meinem
Bekanntenkreis ist die "Schulhölle" der Kinder das Lebensproblem Nummer
eins.
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