Ruth Linhart | Japanologie | Onna da kara

Sanae N., 22, Hamamatsu, 7. August 1988

Ich bin die älteste Tochter und er ist der älteste Sohn.

Sanae N.
Sanae N. kommt Sonntag vormittags in das Hotel, in dem ich wohne: sehr zart, sehr klein, schön zurecht gemacht, in sommerlichem Weiß. Sie plaudert frei von der Leber weg und möchte auch wissen, wie denn "das alles" bei uns in Österreich aussschaue.
Sanae ist schon verlobt und arbeitet derzeit in einer Zweigstelle der Landwirtschaftlichen Genossenschaft von Hamamatsu.

Die Arbeit

Ich sitze am Schalter und nehme hauptsächlich Geld in Empfang. Unser Büro ist klein, darum habe ich auch mit Dünger, Pflanzenschutzmitteln, Reis etc. zu tun. Ich bin das vierte Jahr dort. Ich habe sofort nach der Oberschule angefangen, das war 1984. Die Oberschule dauert bis März. Arbeitsbeginn ist fast in jeder Firma ab April. Völlig ohne Ferien geht man in den Beruf über. Das ist so üblich.
Ich arbeite nahe bei meiner Wohnung, mit dem Fahrrad sind es drei Minuten. Auto habe ich keines.
Ich stehe nicht so früh auf, erst um sieben Uhr. Um acht Uhr muß ich in der Arbeit sein und sitze bis drei Uhr am Schalter. Ab drei Uhr machen wir Rechenarbeiten und andere Büroarbeit. Arbeitsende ist um fünf Uhr, aber oft bin ich da noch nicht fertig. Meistens wird es sechs Uhr.
Normalerweise werden Überstunden bezahlt, aber nicht bei uns. Wenn man in der Fabrik arbeitet, ist die Arbeitszeit genau eingeteilt, aber im Büro bekommt man scheinbar fast nirgends die Überstunden bezahlt.
Dann macht man auch Mitgliedbesuche am Abend. Am Samstag ist der Schalter bis zwölf Uhr offen. Danach geht es bis drei Uhr weiter, Büroarbeit. Sonntag ist frei, ganz frei. Und an Feiertagen.
Mittagspause ist abwechselnd von ½ 11 bis ½ 12 und von ½ 12 bis ½ 1 Uhr - für die Leute am Schalter. Ich fahre nicht nach Hause, sondern bringe mein Essen mit. Weitere Pausen gibt es am Schalter nicht, aber man kann reden oder Tee trinken.
Urlaub gibt es nicht sehr viel, nicht mehr als drei Tage Ferien im Sommer. Im Juli, August und September kann man insgesamt drei Tage nehmen. Gesetzlich gibt es vielleicht mehr Urlaub, aber ich kenne niemanden, der ihn in Anspruch nimmt. Große Firmen haben oft bezahlten Urlaub, aber bei uns nimmt man den nur, wenn man wirklich krank ist.
20 Tage sagen Sie? Außer Sonn- und Feiertagen? Bei uns jedenfalls nicht! Für Leute, die neu eintreten, gibt es im ersten Jahr gar keinen bezahlten Urlaub. Ab dem zweiten Jahr gibt es jeweils einen Tag mehr. Ich glaube, daß das bei jeder Firma so ist. Je länger jemand im Dienst ist, desto länger wird der bezahlte Urlaub.
Als Grundgehalt habe ich 120 000 Yen. Abzüge und Zulagen gleichen sich ungefähr aus.
Ich mache als Hobby Blumenstecken, Schwimmen und Volleyball. Daher bleibt mir auf der Hand fast nichts übrig. Zuhause gebe ich 10 000 Yen ab. Ich spare, ca. 60 000, das ist die Hälfte. Nächsten Juni heirate ich, das ist schon beschlossen. Drum muß ich sparen. Ende März höre ich mit dieser Arbeit auf.
Meine Arbeit fand ich so: Ich wollte unbedingt etwas mit Geld zu tun haben. Seit der Oberschule war ich bei einem Rechenklub. In der Schule werden von den Firmen Stellenangebote bekanntgegeben. Aber was ich mir vorstellte, war nicht dabei, daher ging ich direkt zur Landwirtschaftlichen Genossenschaft und man schickte von dort ein Stellenangebot an die Schule.
Wenn ich heirate, kann ich hier nicht weiterarbeiten, weil meine Arbeit nicht um fünf Uhr aufhört. Oft dauert es bis acht Uhr oder es wird noch später. Ich heirate in eine andere Familie ein (oyome ni iku). In dieser Familie ist die Mutter berufstätig. Wenn die Mutter zuhause bliebe, könnte ich weiterarbeiten, aber das ist nicht der Fall. Es geht also nicht, daß ich am Abend solange im Büro bleibe. Ich werde wahrscheinlich Teilzeit arbeiten, wenn ich verheiratet bin.
Das ist meine Idee, ohne daß mein zukünftiger Mann das von mir verlangt hätte.
Meine Schwiegermutter ist 50. Sie arbeitet beim Wasserwerk im Büro. Ganztätig, als Angestellte (seishain). Ich bin derzeit auch fix angestellt.
Irgendetwas arbeiten möchte ich schon nach der Heirat. Wenn ich mit meinen früheren Lehrern spreche oder mit meinen Freundinnen, meinen die auch, daß ich nicht dafür geeignet bin, mich zu Hause einzuschließen. Ich habe die Arbeit wahnsinnig gern. So halb und halb Teilzeit arbeiten möchte ich eigentlich nicht....
Ich weiß nicht recht, wie es werden wird. Sicher ist nur, daß ich in der Genossenschaft nicht weiterarbeiten kann, aber sonst ist alles offen. Ganz aufhören kommt sicher nicht in Frage, da würde ich eine Neurose kriegen. Ich muß mich körperlich bewegen.
Ich möchte auch Volleyball und Schwimmen weitermachen, aber wie die Mutter von drüben (mukô no okasan) darauf reagiert, weiß ich nicht genau. Wenn die Eltern sagen würden, ich soll aufhören, würde ich wohl aufhören.
Zum Verlobten habe ich neulich gesagt: ,,Darf ich, wenn wir heiraten, weiter in die Schwimmschule gehen?" Er hat darauf nicht besonders reagiert. Es scheint ihm ziemlich egal zu sein. Darum denke ich, mit ihm geht es in Ordnung. Aber die Eltern...
Der Schwiegervater arbeitet in einer Färberei. In der Fabrik.
Mein Vater ist bei Yamaha-Musikinstrumente, er ist gerade 50. Meine Mutter ist zu Hause, macht Heimarbeit. Sie näht Stoffsäcke mit der Nähmaschine. Sie verdient wenig, weil sie das neben der Hausarbeit macht, vielleicht 20 000 oder 30 000 Yen monatlich. Das rechnet man nicht nach Stunden sondern nach Stück. Heimarbeit ist wirklich nur so eine Sache nebenbei.
Meine jüngere Schwester geht in die dritte Klasse Oberschule. Sie beginnt nächstes Jahr zu arbeiten. Die Aufnahmsprüfungen für die Firmen sind im September, daher sucht sie schon jetzt Arbeit, aber es ist noch nichts entschieden.

Der Verlobte

Mein Verlobter war früher bei der Genosssenschaft angestellt, bei der ich arbeite. Dort habe ich ihn kennengelernt. Jetzt macht er für eine Firma die Rechnungsführung.
Ich habe ihn kennengelernt, ohne daß uns jemand einander vorgestellt hätte. Beim Volleyball-Spielen. Ich kenne ihn schon das vierte Jahr. Er ist 26.
Ja, wirklich, das ist eine richtige Liebesheirat!
Er war sehr lieb (yasashii). Ich war neu beim Volleyball und wenn ich verwirrt war, hat er nachher gesagt: "Gehen wir doch alle zusammen essen". Und dann hat er mich immer wieder eingeladen.
Zum ersten Mal von Heirat gesprochen? Hm, einen Antrag (propose) hat er überhaupt nicht gemacht. Ich glaube, es ist irgendwie ganz von selbst so weit gekommen.
Es scheint sonst schon üblich zu sein, einen Antrag zu machen. Daß er, bevor sich die beiden zur Heirat entschließen, zu ihr im Cafe sagt: "Ich möchte deine Suppe essen!" Im Fernsehen ist das zu sehen, und auch meine Freundinnen erzählen solche Dinge. Oder er sagt zu ihr: ,,Willst du nicht mit mir kommen!" Das spielt sich zwischen den Hauptpersonen ab. Aber ein Antrag bei den Eltern...
Einen Vorstellungsbesuch (aisatsu) hat er schon gemacht. Er kam zu mir nach Hause und sagte zu den Eltern: "Ich bitte um sie." Aber da waren wir uns schon einig. Das war nur eine Formsache.
Jetzt treffe ich ihn in meiner Freizeit, gestern war zum Beispiel ein Feuerwerk. Wir haben es zusammen angeschaut, beide im Yukata. Am Sonntag fahren wir meistens ans Meer. Heute nicht, nein... Ich habe ihn heute um sieben Uhr früh angerufen, aber er war schon weg. Er ist sicher mit Freunden unterwegs.
Wir besuchen uns gegenseitig. Über Nacht bleiben können wir nicht, die Eltern sind dagegen.
Einmal waren wir zusammen in Tôkyô, im Disneyland, das war ganz toll.
Er ist der älteste Sohn und ich bin die älteste Tochter. Weil ich die älteste Tochter bin, müßte ich eigentlich unsere Familie weiterführen (ie o tsunagu).
Drüben in seiner Familie ist er der älteste und man wollte eine Braut, die einheiratet. Ich bin die älteste und meine Familie hätte gerne einen Sohn, der einheiratet und den Namen übernimmt (yôshi). Diesbezüglich gab es gegensätzliche Erwartungen. Ich habe aber eine jüngere Schwester, der sozusagen meine Verpflichtung übertragen worden ist... Das ist eigentlich egoistisch... Außerdem wohnen die Schwiegereltern nahe, mit dem Auto nur drei Minuten entfernt. So hat man es mir dann erlaubt, daß ich in eine andere Familie als Braut gehe.

Die Eltern


Wenn die Eltern völlig dagegen gewesen wären...(seufzt). Was hätte ich getan? Ich glaube, wir hätten sicher auch gegen den Willen der Eltern geheiratet. Aber halb denke ich auch, daß ich den Eltern so etwas nicht antun könnte. Ich möchte nicht das betrübte Gesicht der Eltern sehen. Vielleicht hätte ich mich gefügt und einen Schwiegersohn, der ins Haus kommt, gesucht. Ich kann nicht behaupten, daß ich, wenn die Eltern dagegen wären, ihm auf jeden Fall folgen würde.
Daß er in so einem Fall bei uns einheiratet, ist nicht möglich. Denn drüben gibt es außer ihm nur eine jüngere Schwester. Die hat aber heuer im Frühjahr geheiratet, eine Liebesheirat. Sie ist zur Familie ihres Mannes gezogen.
Daher gibt es außer ihm niemanden, der die Familie fortführt. Seine Eltern verlangen, daß ich hinüberkomme.
Es gibt auch Fälle, wo Eltern und Kinder getrennt leben. Daß die Kinder, solange sie jung verheiratet sind, nicht zu den Eltern ziehen, sondern ein Jahr oder bis ein Kind kommt in eine eigene Wohnung ziehen. Oder bis das erste Kind in den Kindergarten kommt. Das gibt es sehr oft. Aber in meinem Fall ist das nicht vorgesehen. Ich gehe in die andere Familie und werde von der Mutter drüben "eingefärbt", wie was zu tun ist. Ich habe ja wirklich von nichts eine Ahnung. Ich kann nicht kochen. Ich schäme mich wirklich, aber ich kann's nicht. Das muß ich durchstehen (gambatte iru)...
Auf jeden Fall, auch wenn ein junges Paar eine Weile allein lebt, muß es irgendwann zu seiner Familie zurück, soferne er der älteste Sohn ist. Besonders am Land finden die ältesten Söhne schwer eine Braut. Bei den Bauern sind die zweiten Söhne jetzt beliebter. Bauern haben Land. Man kann ein Haus bauen und Gemüse oder Reis pflanzen. Die zweiten Söhne sind sehr begehrt. Bei den ältesten Söhnen hingegen muß die Braut in die Familie einheiraten...
Es ist so: Wenn eine Frau heiratet, heiratet sie natürlich den Ehemann, aber sie hat auch mit den Eltern zu tun, wenn sie dort einzieht. In meinem Fall sind die zukünftigen Schwiegereltern außerordentlich nett. Wenn sie nicht nett wären, würde ich mir das überlegen. Eine Frau muß vor der Heirat auf jeden Fall auch die Eltern des Mannes in die Überlegungen miteinbeziehen...
Wir werden im ersten Stock wohnen. Es gibt dort zwei Zimmer, Toilette und Telefon. So sind wir ein bißchen getrennt von den Eltern.
Bei uns ist das nichts Besonderes, daß die Jungen zu den Eltern ziehen.

Sexualität

Ob ich mit meinem Verlobten eine sexuelle Beziehung habe?
(Sie lacht verlegen). Wir verkehren schon lange miteinander, nicht wahr...
Wenn ich mich unter meinen Freundinnen umschaue, sind sexuelle Beziehungen vor der Heirat offensichtlich häufig geworden. Früher gab es das anscheinend nicht, ,,bis man Braut wurde" (oyome ni iku made). Es gibt sicher welche, die vor dem Heiraten auf keinen Fall... Aber gewöhnlich ist das nicht mehr so. Bei mir ist es auch nicht so.
Geburtenregelung, Empfängnisverhütung mache ich. In Japan wird die Pille nicht verkauft. (Sie wirkt gequält, ich ziehe ihr jedes Wort aus der Nase heraus.)
Ja, ein Kind, das wäre sicher... Drei kenne ich, die geheiratet haben, weil sie schwanger geworden sind. Ich bewundere sie. Denn es gibt auch Leute, die sagen: "Treib es einfach ab!" Aber diese Frauen heirateten mit 18, 19; die Umgebung schaut sie vielleicht mit eigenartigen Augen an. Ich finde das ganz toll.
Abtreibung kommt anscheinend oft vor.
Ich bin jetzt 22. Mit 19 habe ich gedacht "bewundernswert", wenn ich von Frauen hörte, die nicht abgetrieben haben. Ich dachte damals, ich würde wahrscheinlich abtreiben, wenn ich schwanger wäre. Ich war noch jung und wollte mich vergnügen. Aber jetzt würde ich es sicher behalten. Jetzt könnte ich das regeln. Mit 18, 19 ein Kind zu behalten und zu heiraten, braucht mehr Mut.
Mit meinen Freundinnen kann ich über alles sprechen, auch über Liebe und Sexualität.
Sie hatten früh die ersten sexuellen Liebesbeziehungen. Das wird scheinbar immer früher. Schon Oberschüler machen das.
Unter meinen Freundinnen sind viele, die Oberschulabschluß haben und arbeiten. Um die Zeit des Schulabschlusses fangen sie an, mit Burschen zu verkehren.
Ich bin auch schon in der Oberschule mit jemandem gegangen. Das wird wohl in jedem Land gleich sein, daß man in der Schulzeit einen Freund (boyfriend) hat. Mein Freund hatte die Schule schon abgeschlossen.
Ich habe ihn beim Arbeiten (arubaito) kennengelernt. Viele Oberschüler arbeiten. Ich habe alles mögliche gearbeitet. Ich esse gerne ramen-Nudeln, darum arbeitete ich in einem ramen-Lokal. Und in einem Heiratspalast (kekkonshiki-jô). Ich servierte beim Hochzeitsessen. Ich arbeitete auch bei einem Bäcker. Ab 16 arbeitete ich während der Sommer- und Winterferien. Es gibt auch Leute, die während der Schulzeit am Abend arbeiten. Das ist aber in Wirklichkeit von der Schule aus verboten. In den Ferien darf man das, wenn es die Schule erlaubt. Es gibt Orte, an denen man nicht arbeiten darf, dort, wo man sexuell verkehrt.

Freundinnen

Jetzt im August zu den O-bon-Feiertagen, wenn viele Ferien machen, habe ich nicht drei Tage hintereinander frei, denn wir dürfen uns die freien Tage nur einzeln nehmen. Im September werden ich einen Tag nehmen und die Feiertage danach benützen, um mit einer Freundin nach Saipan zu fahren. Vor der Hochzeit möchte ich mich noch einmal richtig vergnügen.
Man sagt, daß das Heiratsalter (tekireiki) allmählich ansteigt. Es gibt unter meinen Freundinnen wenige, die mit 22 schon verheiratet sind. Es gibt sogar noch mit 25 Unverheiratete. Vielleicht heiraten aber Leute aus der Oberschule früher, weil die auch früher mit anderen Menschen verkehren.
Die Freundinnen aus der Schulzeit treffe ich noch und in der Arbeit habe ich auch Freundinnen.
Meine zukünftige Schwiegermutter hat Menschen sehr gerne, sie ist sehr lebhaft und aktiv, jetzt fährt sie dann mit Kollegen aus der Firma nach Taiwan, sie reist gerne und singt gerne zu karaoke-Musik. Sie hat mich aufgefordert, jederzeit Freundinnen mitzubringen. Das wird nach der Heirat auch nicht anders sein. Freundschaften werden oft nach der Heirat weitergepflegt. Solche Freundschaften sind beständig.
Reden kann ich am besten mit meinen Freundinnen aus der Schulzeit, die kennen meinen Charakter, aber auch mit den Freundinnen von der Genossenschaft, mit denen ich den ganzen Tag beisammen bin. Mit meinem Verlobten kann ich über alles reden, weil ich ihn schon lange kenne. Ich habe viele vertraute Menschen.
Man hört oft, daß zwischen Partnern wenig gesprochen wird, aber bei mir ist das nicht so.
Die Oberschule war eine Mädchenschule. Davor bin ich in eine gemischte Schule gegangen. Es gibt schon einen Unterschied: Wenn nur Mädchen da sind, ist man unbefangener. Wenn Buben auch da sind, wahrt man mehr den Schein. Wenn Buben und Mädchen zusammen sind, verkehren die Mädchen nur mit den Mitschülern. In einer Mädchenschule verkehren sie auch mit Burschen, die schon in der Gesellschaft tätig sind.
Meine Tage sind sehr angefüllt: Montag ist Volleyball, Dienstag Blumenstecken, Mittwoch ist frei, Donnerstag ist Schwimmschule, am Freitag geht ich aus, Samstag und Sonntag treffe ich den Freund (kare-shi).
Nach der Arbeit gehe ich aber zuerst immer heim. Am Abend komme ich zirka bis 10 Uhr zurück. Sperrstunde gibt es bei mir zu Hause nicht, ich muß noch am selben Tag, also bis 12 Uhr, heimkommen.
Es gibt aber Freundinnen, für die es eine "Sperrstunde" gibt, ich kenne zwei, aber das ist schon sehr selten.

Die Hochzeit

Das Hochzeitsdatum ist schon fix: der 8. Juni, ich werde eine "June-bride" sein, das ist beliebt.
Ich habe schon über die Hochzeitsfeier nachgedacht. Aber über die die Einzelheiten entscheidet man sich erst, wenn man die Ausstellung angeschaut hat. Von den Heiratspalästen werden im Herbst immer Ausstellungen veranstaltet. Dort werden Hochzeitskleider und verschiedene Gegenstände ausgestellt. Man kann alles Nötige für die Hochzeit dort ausborgen.
Diese Ausstellung besuchen alle Betroffenen: die beiden Hauptpersonen und beide Familien. Und man entscheidet gemeinsam. Zuerst trägt die Braut bei einer japanischen Hochzeit den Hochzeitskimono, der ist rot mit einem weißen Überhang, dann wechselt sie in einen gewöhnlichen Kimono, der soll bei mir blau sein. Und zum Schluß trägt sie ein westliches Hochzeitskleid (dress). Das sollte rosa sein. Die Mutter meint aber, weiß wäre besser.
Während der eigentlichen Hochzeitszeremonie, bei der Freunde und Verwandte anwesend sind, hat die Braut den Hochzeitskomono an und die "Hörnerverdeckhaube" auf.
Bezüglich Hochzeitsreise haben wir noch nichts entschieden.
Ich werde zirka 60 Leute einladen. Reiche Leute laden bis über 100 Gäste ein.
Die Gäste bringen nach japanischem Brauch ein Geschenk mit (go-shûgi), in Geschenkpapier gewickeltes Geld, das übergibt man am Eingang. Von Freunden kriegt man 10 000 Yen oder etwas mehr, von der Verwandtschaft zirka 30 000 Yen. Die Gäste bringen dieses Geldgeschenk, weil sie zum Essen eingeladen worden sind, und sie bekommen zur Erinnerung an die Hochzeit dann vom Essen etwas mit.
In meinem Fall wird die Hochzeitsfeier zu 60 oder 70 Prozent von den Eltern des Bräutigams bezahlt, weil ich in ihre Familie wechsle, meine Familie zahlt den Rest.
Die Mitgift (yome-iri-dôgu) muß ich kaufen. Weil ich die älteste Tochter bin und aus dem Haus gehe, bekomme ich von meinen Eltern wenig. Ich muß dafür mindestens 300 000 Yen rechnen: Möbel 100 000, futon 100 000, Festtagskimono 100 000. Diesen Kimono trage ich dann bei formellen Anlässen, zum Beispiel, wenn ich nach der Geburt mit meinem Baby dem Schrein die Aufwartung mache, bei Besuchen etc. 300 000 Yen sind die Untergrenze.

Kinder

Ich möchte bald Kinder. Mein zukünftiger Mann hat Kinder sehr sehr gerne. Er will sicher sofort Kinder. Zwei oder drei. Das ist üblich. Ein Einzelkind ist arm.
Ich möchte ein Kind, weil... (denkt nach). Warum? Als Beweis der Bindung zwischen uns beiden. Als Zeugnis der Beziehung, der Liebe zwischen uns. Außerdem sind Kinder herzig. Zuerst möchte ich ein Mädchen. Aber ich möchte auch einen Buben. Das ist das Ideale. Mädchen sind süß, in Kleidchen, Haarschleife....Einen Buben möchte ich, denn wir waren zwei Schwestern...
Wie ich es mit der Arbeit halten werde, wenn ich ein Kind bekomme, weiß ich noch nicht. So weit habe ich noch nicht geplant. Vielleicht werde ich nicht arbeiten können. Wenn drüben die Mutter zu Hause wäre, könnte ich weiter arbeiten gehen. Es gibt auch Freundinnen, die ihre Kinder in den Hort geben. Aber dort werden sie verzogen.
Ich glaube nicht, daß ich meine Mutter bitten könnte, auf meine Kinder aufzupassen. Sie wohnt zwar in der Nähe, daran liegt es nicht.
Es ist nicht "Zurückhaltung" (enryô), sondern weil ich die Familie verlasse. Darum besorge ich mir auch die Aussteuer (shitaku) allein. Ich möchte ihnen nicht zur Last fallen und ich möchte mich auch über nichts beklagen, wenn ich unsere Familie verlassen habe.

Träume

Mein "Traum" in bezug auf die Ehe?
Ich möchte gerne schnell Kinder bekommen.
Mein "Traummann"?
Bevor ich meinen Bräutigam getroffen haben, habe ich mir gedacht, ich möchte jemanden heiraten, der so wie ich gerne Sport betreibt. Weil ich die älteste Tochter bin, wünschte ich mir einen Mann, der in meine Familie kommt. Aber sonst... Vom Aussehen her? Er sollte sich nur in der Größe etwas von mir unterscheiden, zirka zehn Zentimeter. Ich bin 154 groß und mein Bräutigam ist zirka 170. Ich möchte schon, daß mein Mann im Haushalt und bei der Kindererziehung mithilft. Jetzt macht er alles Mögliche, kocht Reis, lüftet die Betten, wirft den Mist weg etc. Aber wie das nach der Heirat sein wird?
Die Eltern leben schon lange und glauben, dies und jenes müsse so und so sein. Meine Mutter sagt zum Beispiel, daß die Männer sich nach der Heirat ändern. "Jetzt tut er lieb, aber wenn ihr verheiratet seid, wird er so und so sein..." Da kann einer der beste Mensch sein, Eltern machen sich scheinbar immer Sorgen.
Andere Träume?
Jetzt, wo die Hochzeit beschlossen ist, habe ich eigentlich keinen Traum mehr. Was ich mir erträume, klingt banal: mit der Familie in gutem Einvernehmen sein, mit der Familie reisen...
Wenn es allerdings nach der Heirat keine Träume mehr gäbe, wäre das wohl zum Verzweifeln...

Sanae K., früher Sanae N., schrieb Ende Jänner 1991:
Bei dem Interview vor zwei Jahren war das Thema "Heirat" Gesprächsgegenstand. Im Juni des darauffolgenden Jahres habe ich geheiratet und im vergangenen Mai habe ich einen Buben geboren. Weil ich den ältesten Sohn geheiratet habe und der älteste Sohn in Japan im allgemeinen als Familien-Erbe angesehen wird, wohnen wir bei den Eltern meines Mannes. Vor der Hochzeit hatte ich davor Angst, aber die Eltern meines Mannes sind wirklich sehr liebe Menschen, sodaß sich alles sehr gut entwickelt hat. Wegen der Heirat habe ich meine Arbeit, die ich gerne machte, aufgegeben. Jetzt bin ich eine richtige Profi-Hausfrau (sengyô-shufu). Untertags, wenn die Eltern und mein Mann in der Arbeit sind, bin ich mit dem Kind zu zweit. Weil das Kind ein Bub ist und deswegen der Familien-Erbe, verhätscheln die Eltern es sehr. Er ist jetzt acht Monate alt, kann schon sitzen und "Ja,ja" sagen. Er ist wirklich jeden Tag neu eine Freude. Wenn das Wetter schön ist, gehe ich mit ihm in den Park in der Nähe spazieren. Derzeit nimmt die Kinderzahl in Japan allmählich ab, aber ich möchte drei Kinder haben. Mehrere Geschwister sind auch für die Kinder ein Vorteil. Und für mich selbst werden die Kinder ein wichtiger Lebensinhalt sein. Das ist noch Zukunftsmusik, aber bis ich 30 bin, möchte ich drei Kinder auf die Welt bringen, und wenn die Kinder ein gewisses Alter haben, möchte ich wieder arbeiten gehen.
Für mich hat es also in diesen zwei Jahren zwei große Veränderungen gegeben.
Sanae K.

Ruth Linhart | Japanologie | Onna da kara Email: ruth.linhart(a)chello.at