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Mein liebes Tonilein! per Adresse
Anny Kobetitsch, Steyr.
Hoffentlich erreicht Dich dieser Brief. Ich
verstehe auch gar nicht, warum ich von Dir direkt bisher noch kein Schreiben
erhalten habe. Ist es ganz unmöglich, einen Brief über die Enns
herüber zur Tante zu vermitteln, damit sie ihn an mich weiterleitet? Es
ist ja ganz schrecklich für mich, daß ich mich mit Dir gar nicht in
Verbindung setzen kann.
Der ganze Friede und alles, was drum und dran
ist, freut mich gar nicht, solange Du nicht bei mir zu Hause bist. Hältst
Du es noch immer für besser, vorläufig abzuwarten, bevor Du die
Heimreise antrittst? Ist Dir die Zeit nicht lang? Triffst Du Dich noch immer
mit der Tante an der Enns, und sprecht ihr jeden Tag miteinander? Was ist denn
mit der Brücke? Kann man denn noch immer nicht hinüber?
Ach,
ich habe ja so viele Fragen an Dich, aber ich will es nicht wagen, solange ich
nicht weiß, daß dieser Brief auch bestimmt in Deine Hände
kommt. Ich habe im Büro sehr viel zu tun, die viele Arbeit reißt gar
nicht ab, es wird jeden Tag 5 und 6 Uhr, bevor ich aus dem Büro gehe,
obwohl wir um 2 Uhr schon Schluß hätten.
Unsere Wohnung habe
ich schon wieder ganz schön instand gesetzt und aufgeräumt, die
Bücher und Wäsche und Kleider zum größten Teil schon
wieder eingeräumt, und es könnte langsam das normale Leben beginnen,
wenn Du nur schon hier wärst. Bei uns ist der Garten so schön, und
auch die Wohnung ist jetzt wieder nett und gemütlich, kein
Luftschutzgepäck steht mehr herum, am Abend habe ich die Fenster offen,
wenn Licht brennt, und es ist alles so ruhig und friedlich, daß man es
gar nicht glauben kann. Ich warte eigentlich t ä g l i c
h auf Dich. |